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Annalena

Ich musste gar nichts sehen können, um zu wissen, was Lara gesehen haben musste. Ich spürte seine Anwesenheit, als er den Raum betrat.
"Guten Morgen", sagte Wincent und kam zu mir.
"Guten Morgen", erwiderte ich und genoss den Kuss, den er mir gab.
„Wir haben Überraschungsbesuch", murmelte ich.
„Dann geh ich mir mal ein Shirt anziehen."
„Okay."
Er ließ Lara und mich alleine. Das war ja mal das perfekte erste Treffen zwischen meinem Freund und meiner besten Freundin. Sie der größte Fan und er auch noch ohne Shirt.
„Was...?" Lara schienen die Worte zu fehlen. „Hast du dich deshalb seit den ersten Nachrichten aus Hamburg nicht mehr gemeldet?"
„Ähm.. sorry", murmelte ich. „Ist etwas komplizierter."
„Kompliziert? Meine beste Freundin hat Besuch von einem Popstar und knutscht mit ihm. Ganz einfach."
„Naja, nicht ganz so simpel...", setzte ich an.
„Seid ihr jetzt zusammen oder nicht?", unterbrach mich Lara.
„Ja", gab ich zu. „Aber erst seit gestern. Also bevor du jetzt beleidigt bist, ich konnte es dir noch gar nicht erzählen. Und dass wir uns daten, wusstest du."
„Ja, das wusste ich. Gib mir mal kurz eine Minute. Ich muss gerade realisieren, dass meine beste Freundin mit einem Star zusammen ist."
„Er ist einfach nur Wincent", widersprach ich.
„Und ein Star", ergänzte Lara. „Einer der großen deutschen Sänger im Deutsch-Pop."
„Lara, das weiß ich. Aber gerade ist er nur Wincent und kein Teeniestar."
„Hat der irgendwie dein vorher tadellos funktionierendes Hirn ausgeschaltet?"
„Ich kann euch hören", meldete sich plötzlich laut eine mir sehr bekannte Stimme.
Lara begann zu husten. Wahrscheinlich hatte sie sich am Kaffee verschluckt. Irgendwie musste ich grinsen, denn Laras Verhalten Wincent gegenüber war irgendwie witzig. Klar, er war ihr großes Idol, aber dass sie deshalb noch schüchterner wurde, als ich bei der ersten Begegnung mit ihm, war schon krass.
„Okay, also ihr wart zusammen in Hamburg, richtig?", fragte Lara etwas Harmloses.
„Ja. Also nicht so wirklich zusammen, sondern er hat da gedreht und ich war ja bei meinem Vater."
„Aber ihr habt Zeit zusammen verbracht."
„Ja." Und das eine ganze Menge.
„Was habt ihr gemacht?" Lara war einfach zu neugierig. Aber gut, Wincent war nun einmal mein erster Freund.
„Naja, wir sind durch die Stadt gelaufen, haben viel geredet, Fischbrötchen gegessen, waren im Musical, er hat meinen Vater kennengelernt..."
Laras lautes Husten, ein leichtes Plätschern und ihr anschließendes „Aua, ist das heiß" unterbrach meine Aufzählung.
„Was?", fragte ich.
„Der Kaffee", erwiderte Lara. „Und dein Freund", fügte sie leise hinzu.
„Das weiß ich. Und du doch eigentlich auch."
„Er hat deinen Vater kennengelernt?", hakte Lara ungläubig nach und überging damit meine Aussage.
„Ja. Sie verstehen sich echt gut", erzählte ich.
Warum Wincent bei mir war, verriet ich allerdings nicht. Über Martha wollte ich im Moment, wenn überhaupt, nur mit Wincent reden.
„Wer versteht sich mit wem ganz gut?", fragte der Mann, über den wir gerade sprachen.
„Du und mein Vater", antwortete ich und machte Wincent einen Kaffee.
Den trank er morgens immer, so viel wusste ich schon.
„Achso, ja. Ich mag ihn. Und das nicht nur, weil er so eine bezaubernde Tochter hat."

Wincent

Anna wurde rot und ich musste darüber schmunzeln. Komplimente waren noch immer nicht ihr Ding. Daran mussten wir noch arbeiten.
„Achso ähm. Lara, das ist Wincent. Wincent, das ist Lara, meine beste Freundin", stellte Anna mir unseren Besuch vor.
„Freut mich, dich kennenzulernen", sagte ich und meinte das auch so. Dass Anna mich zudem als ihren Freund vorstellte, ließ mein Herz automatisch höher schlagen.
„Mich... auch", kam es unsicher zurück.
Ich erinnerte mich daran, dass Anna und ich kurz mal darüber gesprochen hatten, dass Lara ein riesen Fan war. Gut, da hatte ich sie vielleicht etwas überfordert.
„Soll ich uns Frühstück holen?", fragte ich in die Runde.
Wie aufs Stichwort kam Fritz zu mir, setzte sich vor mich und sah mit großen Augen zu mir auf.
„Ja, du darfst auch mit", lachte ich. „Aber dein Frühstück gibt es erst später."
Ich streichelte ihm kurz über den Kopf.
„Frühstück klingt super", antwortete Anna auf meine Frage.
„Dann mach ich mich mal auf den Weg."
„Danke."
„Gerne." Ich gab ihr noch einen kurzen Kuss auf den Mund und ging dann in den Flur.
Dank Google Maps fand ich einen Bäcker, der nicht auf Annas alter Strecke lag. Dort besorgte ich Essen für uns drei und kehrte schließlich zu Annas Wohnung zurück. Aber natürlich hatte ich, typisch für mich, an eine Sache nicht gedacht.
Ich nahm mein Handy heraus und wählte Annas Nummer.
„Hey", begrüßte sie mich.
„Hi. Ähm, ich wäre wieder zurück."
„Und wieso kommst du dann nicht hoch?"
„Komme nicht ins Haus. Hab den Schlüssel vergessen mitzunehmen", beichtete ich.
Anna lachte. „Ich mache auf, Moment."
„Okay. Bis gleich."
Gemeinsam mit Fritz lief ich die Treppen nach oben, wobei er definitiv schneller ankommen wollte als ich. Wahrscheinlich hoffte er auf Futter.
„Da seid ihr ja wieder", begrüßte uns Anna an der Wohnungstür.
„Ja. Und Essen haben wir auch dabei."
„Gut, dass du das nicht vergessen hast", lachte sie.
„Mach dich nur lustig", murmelte ich und zog Schuhe und Jacke aus. „Ich bin einfach alt."
„Du bist 30", erinnerte mich Anna.
„Sag ich ja. Alt."
Anna lachte und nachdem ich Fritz abgeleint hatte, gingen wir in die Küche.
Während des Essens taute Lara etwas auf und so wurde es eine ganz unterhaltsame Runde. Ich vergaß recht schnell, dass sie ein Fan war.
„Was machst du jetzt so die nächsten Tage?", wandte sich Lara irgendwann an Anna.
„Arbeiten vermutlich", lautete die Antwort.
„Keine Zeit mit deinem Freund?"
„Der muss leider zur Reha", mischte ich mich ins Gespräch ein. „Sonst gibt es noch länger keinen Backflip und kein Less excuses."
„Backflip? Ich dachte, du machst eine Konzertpause nächstes Jahr", kam es verwirrt von Lara.
„Mach ich auch. Das war doch nur ein Beispiel", erklärte ich ihr.
„Achso." Lara wirkte einerseits froh darüber und andererseits auch nicht.
„Wann musst du los?", fragte Anna mich.
„Ich denke so in einer halben Stunde", antwortete ich. „Euch beide kann ich doch gefahrlos alleine lassen, oder?"
Anna und Lara nickten. Nur Fritz bellte.
„Was denn?", fragte ich ihn.

Bin ich für sie blind? Where stories live. Discover now