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Annalena

„Jetzt, wo ich weiß, wie gut es ist, will ich nicht darauf verzichten müssen. Mir fehlte das nicht, auf keinen Fall, aber jetzt muss ich mich echt zusammenreißen. Das kann es doch nicht sein." Wincent klang leicht verzweifelt und bei seinen Worten stieg mein Puls ganz automatisch.
Da sollte nochmal jemand sagen, wir Frauen würden immer über alles reden. Lara wusste nämlich noch nichts davon.
„Wince, entspann dich, okay? Und überfordere Anna bitte nicht sofort."
„An Anna liegt es ganz bestimmt nicht", widersprach Wincent. „Außerdem ist sie meine Freundin, also mach du dir mal keine Gedanken."
Oh je. Dieses Gespräch war ganz eindeutig nicht mehr für meine Ohren bestimmt. Ich dachte kurz nach und schlich mich dann aus dem Zimmer.
Da ich aber nicht ohne ihn wieder nach unten gehen wollte, atmete ich nur einmal tief durch und klopfte dann an der Tür.
Keine zwei Minuten später öffnete Wincent, um direkt im Anschluss „Sorry, muss aufhören. Melde mich später nochmal und danke fürs Quatschen" zu sagen.
„Hey Schatz, alles gut?", fragte er mich dann.
„Ja", antwortete ich. „Ich wollte eigentlich nur fragen, ob du kurz mit mir und Fritz eine Abendrunde drehen willst."
Ich redete vermutlich ein bisschen zu schnell, aber Wincent sollte auf keinen Fall wissen, dass ich Teile seines Gespräches mit Marco gehört hatte.
„Achso. Wollen wir vielleicht zum Strand? Das Wasser ist zwar arschkalt, aber wir müssen ja nicht reinspringen."
„Klingt super", erwiderte ich.
„Gut. Dann machen wir das." Er nahm meine Hand und gemeinsam gingen wir nach unten.
Nach einem gemütlichen Spaziergang am Wasser kehrten wir wieder zurück und Fritz bekam sein Abendessen. Anschließend machten wir uns fertig und kuschelten uns in Wincents Bett. Dank den ganzen Emotionen schlief ich sehr schnell, an seine Brust gekuschelt, ein.
Am nächsten Morgen schlief Wincent noch, als ich wach wurde. Leise, um ihn nicht zu wecken, stand ich auf und ging ins Bad. Dort machte ich mich ganz in Ruhe fertig und ging anschließend mit meinem Handy in der Hand ins Wohnzimmer. Sonst war es noch ruhig und ich nutzte das, um Lara noch „Frohe Weihnachten" zu wünschen und sie endlich mal auf Stand zu bringen. Ich führte nicht alles aus, aber so die wichtigsten Infos sollte sie schon haben.
„Hier steckst du", begrüßte mich Wincent, kurz nachdem ich die letzte Audio an meine beste Freundin verschickt hatte.
„Guten Morgen", erwiderte ich und ließ mir von ihm einen Kuss geben.
„Wie lange bist du denn schon wach?", wollte er wissen.
„Keine Ahnung. Eine halbe Stunde vielleicht."
„Lust auf Eisbaden im Meer und danach eine heiße Dusche?"
„Ernsthaft? Du willst ins Wasser springen?", fragte ich überrascht.
„Ja", antwortete er. „Während der Arbeit am vierten Album war ich mit Mats und Chris, meinem Coach, immer mal Eisbaden. Das ist richtig geil."
„Ich stell mir das eher sehr kalt und absolut nicht lustig vor", konterte ich.
Doch natürlich gab er nicht einfach auf. „Folgender Vorschlag: Du kommst mit, Fritz natürlich auch, und dann schauen wir, ob du dich vielleicht doch rein traust."
„Okay", gab ich nach und wir gingen nach oben.
Wincent suchte im Bad einige Sachen zusammen. Währenddessen zog ich mir sicherheitshalber meinen Badeanzug unter einem Shirt von Wince und einer lockeren Hose an.
„Bist du soweit?", fragte mein Freund und nahm wieder meine Hand.
„Ich glaub schon. Hast du alles eingepackt?"
„Ja. Alles dabei."

Wincent

Wir bewegten uns so leise, wie möglich, durchs Haus und zogen im Flur Schuhe und Jacke an. Fritz freute sich richtig, dass es rausging, aber nach einem klaren Befehl von Anna ließ er sich ganz entspannt anleinen. Ich musste zugeben, ich war ziemlich euphorisch, vor allem, als Anna mir Fritz Leine gab. Am Strand angekommen hielt ich nach einem guten Platz Ausschau und entdeckte eine Bank. Sie war zwar von Schnee bedeckt, aber ich hatte extra mehr Handtücher eingepackt und eine wasserabweisende Tasche genommen. So putzte ich die Bank ein wenig, bevor wir unsere Sachen dort abstellten.
„Wenn du willst, könnt ihr zwei losziehen. Ich komme hier soweit klar", sagte Anna.
„Sicher?", hakte ich nach.
„Ja. Geht ruhig, wenn ihr euch austoben wollt."
„Okay, wir sind aber gleich wieder da und gehen gemeinsam ins Wasser", versicherte ich ihr.
„Mach dir nicht so viele Gedanken um mich. Geht euch austoben. Wirklich, ich ruf dich schon, wenn etwas ist."
Ich sah sie noch einmal prüfend an, aber schließlich leinte ich Fritz ab und sprintete los. Er folgte mir direkt und bellte fröhlich, als er die Verfolgung aufnahm. Wir hatten leider keinen Ball hier und nach zwei Schneebällen sah mich Fritz nur noch vorwurfsvoll an. Also suchte ich ein Stöckchen und warf das einige Male. Anschließend gingen wir zu Anna zurück, denn ich wollte wirklich ins Wasser. Warm genug war mir spätestens jetzt auch.
„Kommst du mit?", fragte ich Anna.
„Ich glaub nicht."
„Hey, so kalt ist es gar nicht. Wenigstens mit den Füßen."
„Aber nur, wenn du mich dann gesund pflegst, wenn ich mich erkälte", erwiderte sie.
„Ich dachte, dafür haben wir Dr. Bohle."
Anna fing an zu lachen und ich musste einfach mit einsteigen.
„Also, kommst du jetzt? Dr. Bohle würde es bestimmt gutheißen", versuchte ich es weiter.
Schließlich gab sie wirklich nach und ging mit den Füßen ins Wasser. Ich stellte mich neben sie und sogar Fritz stand in der Ostsee. Er schien es nicht ganz so cool zu finden, denn er ging relativ schnell wieder auf den Sand zurück und wartete dort.
„Traust du dich noch weiter? Es ist wirklich nicht so kalt, wie man denkt", sagte ich an Anna gewandt.
„Aber nur ganz kurz", sagte sie und ich musste breit grinsen.
Anna musste man manchmal auch einfach nur aus ihrer Komfortzone locken. Sie zog sich Shirt und Hose aus und nur in ihrem Badeanzug kam sie wieder zu mir zurück. Ich trug auch nur noch meine Badehose.
„Okay, auf drei laufen wir einfach los und nicht stehen bleiben. Das Wasser ist hier sehr lange ziemlich flach", erklärte ich und Anna nickte.
„Gut. Dann drei... zwei... eins... los!"
Anna tat genau das, was ich gesagt hatte. Gut, da ich sie an der Hand hielt, hatte sie auch vergleichsweise wenig Alternativen, aber es wirkte nicht gezwungen. Anna wusste, dass sie nur etwas hätte sagen müssen. Aber sie schien es doch irgendwie zu genießen, hier im Wasser zu sein. Wir blieben auch nicht ewig in der eiskalten Ostsee, aber ich war direkt richtig wach. Wieder am Strand trockneten wir uns ein wenig ab und dann legte ich Anna noch eine Decke über die Schultern. Wieder zurück bei meiner Mum, gingen wir direkt duschen und eventuell war nicht nur das warme Wasser  der Grund, warum wir nicht mehr froren.

Bin ich für sie blind? Where stories live. Discover now