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Wincent

Endlich hatte ich es ausgesprochen. Also ihr gegenüber. Gut, sie hatte den ersten Schritt gemacht, aber das war egal. Wichtig war nur, dass wir es beide gesagt hatten und dass es der Wahrheit entsprach. Natürlich war ich schon irgendwie davon ausgegangen, dass Anna mich mehr als nur mochte, aber zu hören, dass sie mich liebte, war unbeschreiblich.
„Komm nach Hause", murmelte ich an ihren Lippen.
„Gleich", antwortete sie und wieder lagen unsere Lippen aufeinander.
Ich hätte niemals geglaubt, einen Mensch nochmal so lieben zu können. Nach Yvonne, was nun mittlerweile echt lange her war, traf ich keine Frau, die das wieder in mir auslöste. Ich hatte nicht unbedingt im Kloster gelebt, aber keine Beziehung war so, wie das mit Anna. Mit ihr wollte ich endlich all meine Träume erfüllen. Anna war die Frau, mit der hoffentlich ‚Kaum erwarten' wahr wurde.
Sie beendete vorsichtig den Kuss und legte ihren Kopf an meine Brust. Ich zog sie noch näher an mich und genoss es einfach, sie im Arm halten zu können. Noch schöner war allerdings, dass sie nun offiziell meine Freundin war. Mats hatte vielleicht doch Recht. Bei Gelegenheit musste ich mich mal bei ihm bedanken.
"Jetzt nach Hause?", fragte ich und Anna nickte an meiner Brust. "Dann komm."
Ich löste mich vorsichtig aus der Umarmung und trat einen Schritt zur Seite. Anna folgte mir und so konnte ich die Autotür öffnen. Ich half ihr noch beim Einsteigen und setzte mich dann hinters Steuer. Anna auf meinem Beifahrersitz hatte ich inzwischen schon einige Male und freute mich jedes Mal wieder. Womit hatte ich diese unglaubliche Frau eigentlich verdient?
Während der Fahrt zu Annas Wohnung sah ich immer wieder zu ihr rüber. Meine Freundin.
„Gehen wir noch mit Fritz raus?", fragte Anna mich auf dem Weg nach oben.
„Klar. Wenn du willst, dass wir zusammen gehen, machen wir das."
„Bitte komm mit."
„Okay." Ich hatte damit absolut kein Problem. Eher im Gegenteil. Wobei mich doch eine leichte Ahnung beschlich, warum sie nicht alleine gehen wollte. Das wäre jetzt echt ungünstig.
Während Anna Fritz anleinte, zückte ich mein Handy und sah auf Maps nach.
„Bist du soweit?", fragte Anna mich.
„Ja, wir können los." Im Treppenhaus ging ich gedanklich nochmal durch, was ich mir gerade angesehen hatte. „Anna, vertraust du mir?", fragte ich sie, als wir vor dem Haus standen.
„Natürlich. Wieso?"
„Okay. Dann probieren wir mal eine andere Strecke aus", sagte ich und hoffte, dass es Anna helfen würde.
Ich sah ihr die Unsicherheit an, ganz ohne, dass sie irgendwas sagen musste.
„Die Strecke ist genauso lang. Und ich weiß, wo wir lang müssen", versuchte ich sie zu beruhigen.
„Okay", gab sie nach und tastete nach meiner Hand.
Ich hielt ihre Hand fest und nahm ihr auch liebend gerne Fritz ab. Eine Weile liefen wir nur schweigend nebeneinander her. Ich genoss es noch mehr als die letzten Male, weil ich ja nun wusste, wir wir wirklich zueinander standen.

Annalena

Ich war Wincent ziemlich dankbar, dass wir nicht meine normale Runde gingen. Seit wir das eine Mal Fans dort gesehen hatten, ging ich ungern dort entlang. Allerdings wollte ich nicht, dass er sich noch mehr Gedanken und Sorgen machte. Deshalb verschwieg ich ihm diese Tatsache. Allerdings hatte er es dennoch irgendwie gecheckt, was mich einerseits etwas überraschte und andererseits machte es mich glücklich. Genau wie er mich glücklich machte. Dass mir dieser Mann die gleichen Gefühle entgegenbrachte, wie ich für ihn hatte, war für mich noch immer unbegreiflich.
„Worüber denkst du nach?", riss mich Wincent aus meinen Gedanken.
„Darüber, wir unbegreiflich es ist, dass du ausgerechnet mich liebst", gab ich ehrlich zu.
„Du bist einfach eine unfassbar tolle Frau."
„Bisher hat das niemand so gesehen", unterbrach ich ihn.
„Dann waren die anderen eben blind. Und blöd." Er machte eine kurze Pause. „Anna, bitte mach dir da keine Gedanken drüber, okay? Ich liebe dich. Nur das zählt."
„Ich liebe dich auch", erwiderte ich.
„Dann stelle ich mal die Frage, womit ich das verdient habe", kam es von Wincent, aber nicht scherzhaft, sondern durchaus Ernst ausgedrückt.
Offenbar befand ich mich mit meinen Zweifeln in guter Gesellschaft. Aber ich konnte mir vorstellen, dass man als Promi nicht nur gute Erfahrungen im Umgang mit anderen Menschen gemacht hatte. Vor allem als Teeniestar, welcher Wincent nun einmal war. Zumindest sagte das Lara immer.
„Du bist einfach du. Lieb, hilfsbereit, hörst zu, bringst einen zum Lächeln und Lachen und bist einfach da. Du bist einfach offen und besitzt dennoch eine gute Menschenkenntnis. Und mal abgesehen davon, dass Fritz total in dich vernarrt ist, bist du ein so geerdeter Mensch und strahlst so eine Ruhe aus. Weißt du, bei dir kann man sich einfach nur sicher fühlen."
„Anna", unterbrach mich Wincent vorsichtig. „Das ist alles mega süß. Und vermutlich könntest du die Liste noch fortführen, aber dann wird es hier sehr emotional. Können wir uns das aufheben?"
„Gute Idee." Wenn Wincent nämlich als Konter auch anfangen würde, dann könnte es wirklich emotional werden.
Wir gingen die Runde noch zu Ende, obwohl ich keinerlei Plan hatte, wo wir waren. Ich vertraute Wincent da einfach. Tatsächlich verliefen wir uns nur einmal, wie ich Wincents Fluchen entnahm, bevor wir wieder vor meiner Wohnung standen. Es war schon so viel passiert an dem Abend, dass wir uns nur noch ins Bett kuschelten.
In Wincents Armen aufzuwachen, war immer wieder wunderschön. Besonders jetzt, wo er wirklich mein Freund war. Mein Leben hatte sich durch das Kennenlernen von Wincent einfach komplett gedreht. Ich war 27, blind und plötzlich mit einem Popstar zusammen. Niemals hätte ich gedacht, dass mein Leben mal so verlaufen würde.
Das Klingeln an der Haustür zwang mich dazu, aufzustehen. Allerdings hatte ich keine Ahnung, wer was wollen könnte. Bevor Wincent aufwachte, stand ich lieber auf. Ich zog mir einen Hoodie über, der am Fußende des Bettes lag und ging zur Tür. Nich nicht ganz wach, öffnete ich.
„Anna! Endlich!" Lara fiel mir direkt um den Hals.
Ich stand etwas überfordert im Türrahmen. Immerhin hatte ich nicht mit ihr gerechnet.
„Ähm, Lara. Alles okay?", fragte ich und bat sie in die Wohnung.
„Ja. Jetzt schon."
Ich verstand Lara noch immer nicht so wirklich, aber sie war manchmal halt speziell.
„Sag mal, seit wann hast du Less-Klamotten in deinem Schrank?"
„Hä?"
„Dein Hoodie."
Oh. Ich hatte offenbar nicht meinen eigenen angezogen. Naja, ich liebte halt Wincents Klamotten. Shit! Er war ja hier! Das konnte jetzt kritisch werden.
„Hab ich nur geliehen", erklärte ich Lara. „Willst du etwas trinken?"
„Kaffee?", hakte Lara nach.
„Klar. Komm mit in die Küche." Ich machte für Lara Kaffee und stellte vorsichtshalber schon einmal eine zweite Tasse drunter. Immerhin wollte Wincent bestimmt auch einen haben, wenn er wach wurde.
„Hier", sagte ich und stellte Lara ihr Getränk hin.
„Dan...", setzte Lara und verstummte dann.

Bin ich für sie blind? Where stories live. Discover now