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Annalena

„Wir sind zurück!", rief Wincent in die Wohnung und das brachte mich dazu, doch mal aufzustehen.
Allerdings war ich zu faul, mir richtige Sachen anzuziehen, weswegen ich einfach ins Bad ging und vom Schrank unter dem Waschbecken einen Hoodie nahm. Ich wusste schon, dass Wincent die immer dort ablegte. Falls er ihn nochmal anziehen wollte. Oder ich.
Ich schlüpfte schnell in den Hoodie und ging dann in die Küche. Von dort wehte mir schon Kaffeegeruch entgegen.
„Ich glaub, ich bin ab heute immer Morgenmuffel", sagte ich.
„Ich fürchte, zwei Morgenmuffel gehen nicht", lachte Wincent.
„Du bist dann halt ab sofort ein absoluter Morgenmensch", konterte ich direkt.
„Wir könnten das als Ausgleich zum Blind-Tag gerne einführen", schlug Wincent vor. „Der war ja immerhin meine Idee. Dann hat jeder einen Tag. Finde ich einen fairen Deal."
„Bin dabei", sagte ich sofort. „Und wie machen wir es? Wir müssen das ja an unsere Terminpläne anpassen", fiel mir ein.
„Wie findest du die Idee, dass wir immer die besonderen Tage in den Kalender eintragen? Dann wissen wir, wann was dran ist und sehen auch, ob wir gleich viele Tage haben."
„Klingt gut."
„Dann halten wir das so fest. Warte mal, wir könnten doch unsere Kalender connecten und dann bekommst du immer einen Tag vorher eine Benachrichtigung."
„Ich weiß nicht, wie das geht", gab ich zu.
„Darf ich?"
„Klar. Das Handy liegt auf dem Nachttisch."
„Machen wir nach dem Frühstück", entschied er und das fand ich eine sehr gute Idee.
Wir deckten den Tisch gemeinsam noch zu Ende und setzten uns dann. Wincent stellte mir noch eine Tasse Kaffee hin, bevor er die Brötchen aufschnitt. Ich war echt begeistert, dass er genau wusste, was ich morgens aß.
„Was ist eigentlich der Plan für heute?", fiel mir irgendwann ein.
„Wenn Mats hier ist, machen wir vier einen kleinen Ausflug nach Österreich. Mats und ich müssen noch etwas aufnehmen und shooten. Danach fänd ich eine kleine Wanderung ganz cool und dann geht es wieder nach Hause."
„Wir fahren einfach so mal eben nach Österreich?", hakte ich ungläubig nach.
„Ja."
„Du hast doch einen Knall."
„Vielleicht. Aber wir arbeiten halt manchmal da, wo andere Leute Urlaub machen. So ist das."
„Wann hast du das geplant?"
„Vor... Bevor ich zurück war. Also kurz davor, weil ich es verpeilt hatte", gab er zu.
„Okay, du hast wirklich einen Knall", war mein einziger Kommentar dazu.
Wincent lachte. „Und dennoch magst du mich."
„Verrückt, oder?"
„Findest du?"
„Ja."
„Aber du bist mindestens genauso verrückt. Immerhin machst du das alles mit." Jetzt klang er wieder komplett ernst.
„Stimmt. Ich sollte vielleicht mal zum Arzt gehen."
Ich liebte es, dass wir einfach immer genau wussten, wann etwas scherzhaft gemeint war. Und wie gut wir herumalbern, aber eben auch ernste Gespräche führen konnten. Das war einfach einmalig.
„Ich kann dir einen guten Arzt empfehlen", konterte Wincent.
„Wirklich?"
„Ja, der ist auf verrückte Chaoten spezialisiert."
„Klingt gut."
„Ich kann ihn dir vorstellen, wenn du willst."
„Sehr gerne. Wann?"
„In einer halben Stunde. Und ich kann dir sagen, Dr. Bohle ist sehr kompetent."
Jetzt konnte ich mich nicht mehr zusammenreißen und lachte laut los. Wie gut, dass Mats das hier nicht mitbekommen hatte. Der hätte vermutlich gekündigt.
Wincent stimmte mit ein und Fritz bellte verwirrt.
Als wir uns wieder beruhigt hatten, aßen wir noch in Ruhe zu Ende. Während Wincent in der Küche für Ordnung sorgen wollte, ging ich nach oben und zog mich um. Zumindest war das mein Plan. Allerdings scheiterte ich direkt. Was bitte sollte ich anziehen?
„Wie ist das Wetter in Österreich?", wollte ich von meinem Handy wissen.
Die Antwort half mir nur bedingt weiter, aber ich entschied mich für eine Jeans, einen dünnen Pulli und zog anschließend Wincents Hoodie wieder über. Kalt würde mir so definitiv nicht werden.
Noch immer konnte ich nicht ganz glauben, dass er wirklich einfach so nach Österreich fahren wollte. Das war doch kein Ziel für einen Tagesausflug. Gut, ich war noch nie außerhalb von Deutschland, aber bisher war Urlaub in Form von so wirklich verreisen, eh nicht in meinem Leben vorgekommen.
„Lara, ich brauch mal deinen Rat."
Keine zwei Minuten, nachdem ich die Nachricht an meine beste Freundin geschickt hatte, rief sie mich auch schon an. Auf Lara war einfach Verlass.
„Hey Anna, was ist los?", wollte sie direkt wissen.
„Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich will einfach keinen Fehler machen."
„Du musst bitte vorne anfangen."
„Sorry." Ich atmete nochmal tief durch. „Wincent will spontan nach Österreich fahren. Die müssen da noch irgendwas aufnehmen, also Mats und er. Und ich weiß nicht so wirklich, ob ich mitfahren soll. Er will eh heute Abend zurück sein und was soll ich denn bei einem Shooting?"
„Wincent will dich wahrscheinlich einfach nur dabei haben, damit du nicht alleine bist. Und er liebt dich, also will er dich auch in seiner Nähe haben."
„Und das find ich super. Aber..."
„Anna... Kann es sein, dass das Shooting nicht das Problem ist?", kam es skeptisch von meiner besten Freundin.
„Was meinst du?"
„Ich glaube, dir geht es nicht darum, was du da sollst."
„Sondern?" Jetzt war ich auf Laras Theorie gespannt.
„Kann es sein, dass du ein kleines bisschen überfordert bist?"
„Überfordert?" Ich wusste nicht so wirklich, was ich von dieser Annahme halten sollte.
„Ja. Ich meine, nicht jeder ist so spontan wie dein Freund. Vor allem du nicht. Du hast schon so viele spontane Sachen mit ihm gemacht, aber vielleicht ist das auf Dauer gar nicht so leicht für dich, wie du es gerne willst."
„Und was mach ich jetzt?"
„Das kann ich dir nicht sagen. Auf jeden Fall solltest du überlegen, was du willst und was gut für dich ist. Und du solltest mit Wincent darüber reden. Er hat doch auch einen Terminplan."
„Mhm."
„Ich muss leider aufhören. Meld dich, wenn du mich brauchst. Ich bin sicher, du triffst die richtige Entscheidung."
„Danke, Lara."
„Nicht dafür."
Ich legte das Handy neben mich und dachte nach. Was war die richtige Entscheidung? Ich wollte nicht alleine sein, aber Wincent nerven wollte ich auch nicht.

Bin ich für sie blind? Where stories live. Discover now