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Annalena

„Willst du jetzt wirklich über die Arbeit reden?", fragte Lara und klang leicht enttäuscht.
Ich wusste, dass sie viel lieber weiter über Wincent reden wollte.
„Ja", antwortete ich, denn ich brauchte den Themenwechsel dringend.
„Na gut", gab Lara nach und begann mir den Diensplan zu erzählen.
Im Grunde war ich ganz zufrieden damit. Nach meiner Woche Urlaub freute ich mich richtig darauf, wieder arbeiten zu gehen. Mir machte es einfach Spaß mit Lara zusammen die ganzen Bücher einzuräumen. Gut, ich würde keines der Werke jemals selbst lesen können, aber das war mir egal. Als Lara mir vor sechs einhalb Jahren diesen Job vermittelt hatte, war ich mehr als dankbar. Es war eine einfache und eher eintönige Arbeit, aber ich arbeitete mit meiner besten Freundin zusammen und hatte immer etwas zu tun. Lara hatte als Verkäuferin in der Buchhandlund deutlich mehr zu tun als ich, aber das war okay. Ich mochte meine einfachen Aufgaben. Und ab und zu ließ Lara mich auch an der Kasse mit aushelfen. Immerhin wusste ich inzwischen, wo welche Scheine und Münzen waren und konnte durchaus Wechselgeld mit rausgeben.
„Soll ich dich dann Montag gegen halb acht abholen oder kommst du alleine?", wollte Lara wissen.
„Es ist der erste Tag der Woche, also würde es mich freuen, wenn wir zusammen fahren."
„Dann steht das. Ich freu mich richtig darauf, nicht mehr alleine im Laden zu stehen."
„Und ich freu mich, endlich wieder etwas Sinnvolles tun zu können."
„Urlaub ist nicht so deins, oder? Manche Menschen freuen sich darüber."
„Naja, was soll ich denn mit der ganzen freien Zeit?", fragte ich sie.
Lara lachte. „Über die Antwort auf diese Frage reden wir irgendwann mal mit Wincent."
Damit waren wir wieder beim Thema.
„Glaub mir, du wirst freie Tage ganz schnell zu schätzen wissen", fügte Lara noch hinzu.
Genau in diesem Moment kündigte mein Handy eine neue Nachricht an.
Lara quietschte kurz. „Du hast eine neue Sprachnachricht von Wincent." Sie klang richtig aufgeregt, dabei war es ja mein Handy.
„Ist nicht die erste, also beruhig dich wieder", sagte ich und hoffte, dass sie es dabei belassen würde.
Fehlanzeige. „Wie bitte?!" Lara klang richtig überrascht. „Und wann wolltest du mir das erzählen?"
„Ist das wichtig?", hakte ich verwirrt nach.
„Natürlich ist es das", sagte Lara bestimmt. „Wenn er von sich aus schreibt, zeugt das von echtem Interesse."
Oh je. Jetzt kamen die Beziehungstipps. Ausgerechnet von Lara, die noch nie lange mit einem Mann zusammen war.

Wincent

Ich saß endlich im Auto, nachdem Mats mich noch mehrmals genervt hatte, dass ich ja pünktlich losfahren sollte. Allerdings nahm ich mir erst noch die Zeit und hörte mir Annas Nachricht an. Zumindest solange, bis mich ein Anruf der anderen Anna unterbrach.
Etwas genervt ging ich ran. „Ja?"
„Hallo Wincent. Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?", fragte meine Managerin.
„Nichts, alles gut. Was verschafft mir denn die Ehre deines Anrufes?", frage ich.
„Wann bist du wieder in Berlin?"
„Weiß ich noch nicht. Erst einmal muss ich nach Hamburg und dann mal schauen, wie ich die Zeit bis zur Sommertour verbringe. Vielleicht bin ich nach Hamburg auch nochmal in Berlin."
„Okay, meld dich dann mal bitte, ja? Ich hab noch neue Anfragen bekommen und auch noch einiges mit dir und Amelie wegen Crewmas zu besprechen."
„Ich meld mich."
„Aber bitte auch wirklich, ja?" Anna klang recht bestimmt.
„Ja, versprochen."
„Gut. Dann gute Fahrt nach Hamburg und wir hören voneinander."
„Bis dann, Anna."
„Tschau." Sie legte auf und ich atmete tief durch.
Als ich endlich auf der Autobahn ankam, drehte ich die Musik lauter und trat aufs Gaspedal. Die Metalklänge besserten meine Laune wieder auf und ich freute mich richtig darauf, morgen wieder im Fernsehstudio zu sein. Es ging in eine neue Aufzeichnungsrunde von ‚Kaum zu glauben' und obwohl ich jetzt schon die Livekonzerte vermisste, hatte ich Bock auf das Team dort.
Gegen Mittag hielt ich kurz an einem Rastplatz, kaufte mir etwas zum Mittag und einen Kaffee. Bei dieser Gelegenheit hörte ich mir dann die Nachricht von Anna nochmal komplett an und verfasste eine Antwort.
„Danke für deine Nachricht. Sorry, dass ich mich jetzt erst melde, aber bin leider schon wieder unterwegs. Ich hätte gerne an unseren Nachmittag noch angeknüpft, aber erst einmal muss ich nach Hamburg. Ich melde mich auf jeden Fall, wenn ich wieder in Berlin bin. Dann gehen wir mal zusammen Abendessen, okay? Ich wünsche dir einen schönen Tag und melde mich auf jeden Fall heute Abend nochmal."
Ich verband das Handy wieder mit dem Auto, startete meine Playlist und fuhr vom Rastplatz. Bis Hamburg war es nicht mehr so weit und ich überlegte, ob ich kurz mal bei Johannes vorbeischauen sollte. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob er da war, also rief ich ihn kurzerhand an. Normalerweise schrieb ich lieber, aber das ging jetzt schlecht.
„Moin Diggi", nahm Johannes den Anruf an.
„Moin Alter."
„Na, was los?"
„Ich bin so in einer Stunde in Hamburg. Bierchen?", fragte ich.
„Klar. Gleiche Bar wie immer?", schlug er vor.
„Klingt super."
„Irgendwie klingst du anders", bemerkte Johannes.
„Ehrlich?"
„Ich glaube, das wird ein interessanter Abend", lachte er und ich stellte mich innerlich schon auf ein Verhör ein.
Andererseits war es vielleicht ganz gut mit ihm mal wieder zu quatschen. Er war einfach, sahen wir mal der Tatsache ins Auge, ein wenig älter als ich. Damit hatte er manchmal eben auch mehr Erfahrung.
„Später, okay?", fragte ich. Jetzt hatte ich auf jeden Fall keine Nerven dafür.
„Einverstanden. Dann komm mal gut an und lass die Autobahn ganz." Johannes lachte.
„Mach ich immer. Bis dann, Diggi."
Den Rest der Fahrt genoss ich einfach die Geschwindigkeit und die laute Musik. Alleine Auto fahren war immer noch am geilsten. Obwohl ich zugeben musste, dass mit dem Tourbus durch die Gegend kutschiert zu werden auch si seinen Charme hatte.
In Hamburg angekommen fuhr ich das Auto in die Tiefgarage vom Hotel, checkte ein, warf den Rucksack aufs Bett und nahm dann nur Portemonnaie, Handy und Schlüsselkarte mit. Die Bar lag nicht sehr weit vom Hotel entfernt, sodass ich entspannt zu Fuß gehen konnte.
Johannes war schon da und hatte vorrausschauenderweise schon Bier bestellt.
„Dann erzähl mal", sagte er auch direkt und sah mich abwartend an.

Bin ich für sie blind? Onde histórias criam vida. Descubra agora