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Annalena

Die Türklingel riss mich aus dem sowieso nicht sehr erholsamen Schlaf. Passend zu diesem Morgen lief ‚Halb so schön'. Spotify wollte wohl noch mehr Salz in die Wunde streuen.
Schweren Herzens schleppte ich mich aus dem Bett, schmiss mir im Bad eine Ladung Wasser ins Gesicht, schlüpfte in meinen Bademantel und tapste zur Tür. In der Zwischenzeit hatte es nämlich schon wieder geklingelt.
Ich öffnete langsam die Tür.
„Na endlich!" Lara fiel mir direkt um den Hals, während ich nur überfordert im Flur stand.
„Was... machst du... denn hier?", fragte ich.
Lara drückte mich nur noch mehr und so langsam machte ich mir Sorgen.
„Ähm, bitte erdrück mich nicht."
„Sorry", murmelte sie und löste die Umarmung.
„Komm erstmal rein. Frühstück? Kaffee?"
„Klingt gut. Auch wenn Schnaps besser wäre."
Ich schloss die Tür und ging in die Küche, während Lara Schuhe und Jacke auszog.
„War das mit dem Schnaps eigentlich ein Scherz?", wollte ich wissen, als Lara sich an den Tisch setzte und die Kaffeetasse entgegen nahm.
„Nicht wirklich."
„Wenn du Glück hast, ist im Eckschrank noch Amaretto. Den könntest du in den Kaffee schütten", schlug ich vor.
„Gute Idee." Ich hörte, wie Lara aufstand und zum Schrank ging.
„Sagst du mir auch irgendwann, was los ist? Ich meine, so spät ist es doch noch gar nicht, oder?"
„Es ist erst halb sieben, ja."
„Halb sieben?! Willst du mich verarschen?"
„Schön wär's."
„Jetzt rück endlich raus mit der Sprache! Warum bist du aus dem Bett gefallen und klingelst mich zu so einer unchristlichen Zeit aus dem Bett?"
Lara setzte sich wieder an den Tisch und ich hatte das Gefühl, dass nun nichts Gutes kommen würde. Irgendwie wünschte ich mir Wincent her, denn er hätte mich sicher beruhigen können. Doch nun war ich auf mich allein gestellt.
„Naja, dir ist ja bewusst, dass Wincent kein Unbekannter ist", begann Lara zögernd.
„Ja." Ich erinnerte mich zurück an den Tag, als wir im Park fast Fans über den Weg gelaufen wären.
Ohne Frage gönnte ich Wincent seinen Erfolg und er liebte seine Fans. Soviel war mir klar. Dennoch bekam ich bei diesem Thema immer wieder ein sehr schlechtes Gefühl.
„Weißt du, Wincent-Fans lieben ihn einfach über alles. Also nicht alle natürlich, aber es gibt da so einige Kandidatinnen... Nun ja, auf jeden Fall gibt es Fans, die es etwas übertreiben. Also jetzt nicht so stalking-mäßig, wobei... vielleicht so ein bisschen."
Es wurde nicht besser. Ich hatte irgendwie jetzt schon das Bedürfnis mich zu übergeben und mich dann unter der Bettdecke zu verkriechen und ewig dort zu bleiben.
„Auf jeden Fall... hat euch jemand hier in Berlin zusammen gesehen. Mit Fritz."
Ich vergrub mein Gesicht in den Händen. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Wir waren gerade mal zwei, ZWEI (!!) Tage zusammen.
„Wann?", flüsterte ich leise.
„Keine Ahnung. Du kannst dir aber sicher vorstellen, dass es jetzt Gerüchte darüber gibt, dass Wincent wieder eine Freundin hat."
„Hat er ja auch. Seit fucking zwei Tagen", murmelte ich.
„Ich weiß." Lara klang auch nicht gerade begeistert.
Gut, wer überbrachte schon gerne schlechte Nachrichten?
„Und jetzt?" Ich war absolut überfordert.
Doch auf Lara war Verlass. „Also, pass auf. Ihr wurdet gesehen, aber auf dem Foto sieht man nur Wincent und jemand neben ihm in einem Hoodie. Auch und er hat Fritz an der Leine."
„Heißt?"
„Naja, sie kennen dein Gesicht nicht. Ich tippe mal darauf, dass es Wincents Hoodie war oder hast du den geklaut?"
„Nein. Er hat ihn mir gegeben, nachdem er Fans gesehen hatte", erzählte ich.
„Okay, euer Glück wahrscheinlich. Das Foto wurde dann danach gemacht. Und da dein Freund ein gutes Stück größer ist als du, kannst du dich in seinen Sachen perfekt verstecken."
„Ich will mich aber nicht verstecken."
„Weiß ich doch. Ich meine ja auch nur, dass sie jetzt nur grübeln, wer du bist, wem der Hund gehört und ob Wincent wieder in festen Händen ist. Wüssten sie, wie du aussiehst, dann wäre die Hölle los. Glaub mir das."
„Haben die alle keine anderen Hobbys?", murmelte ich.
„Leider nein", gab Lara zu. „Allerdings hätte ich eine Idee, wie ihr eure Beziehung noch länger geheim halten könntet."
„Und wie? Nie wieder gemeinsam raus gehen?"
„Besser."
„Nun sag schon", bettelte ich. Lara war gerade meine einzige Hoffnung.
„Also. Im Moment hängen sich alle an dem Hoodie und an Fritz auf."
„Und?"
„Naja, Wincent liebt Hunde. Und in seinem Team gibt es so einige. Wer sagt denn, dass es nicht sein Hund ist? Gut, er hat mal in Interviews gesagt, dass er keine Zeit hat, aber jetzt, wo er nächstes Jahr nicht auf Tour geht... Außerdem tauchen eh gefühlt ständig neue Hunde auf. Also Fritz würden wir schon erklärt bekommen. Am einfachsten, indem Wincent immer mal wieder Aufnahmen von sich und Fritz postet oder so." Lara dachte kurz nach. „Im Büro wäre am besten. Oder im Studio."
„Okay...?"
Allerdings war Lara so überzeugt von ihrer Idee, dass sie sich nicht bremsen ließ. Dabei war ich geistig schon ausgestiegen.
„Und die Person im Hoodie könnte irgendjemand gewesen sein. Also Wincent arbeitet ja mit einigen Leuten zusammen, die kleiner sind als er. Eigentlich sind das fast alle. Auf jeden Fall könnte es also Amelie gewesen sein. Oder Anna. Oder irgendwer aus seinem Team."
„Wie kommen die dann auf Freundin?"
„Naja, wenn man heranzoomt, sieht es so aus, als würdet ihr euch an den Händen halten. Allerdings ist das reine Spekulationssache."
„Danke." Mehr brachte ich gerade einfach nicht heraus.
Lara war einfach die beste Freundin. Immerhin hatte sie sich zu so früher Stunde bereits meinen und Wincents Kopf zerbrochen. Und Lara schlief normalerweise seehr lange, wenn sie die Zeit dazu hatte.
„Meinst du, Wincent weiß es auch schon?", fragte ich nach einigen Minuten Stille.
„Wahrscheinlich. Immerhin muss sein Instagram jetzt explodieren und sein Team ist da eigentlich auch voll hinterher. Die kennen das Spiel leider schon."
Der Tag fing schon beschissen an und wurde definitiv nicht besser. Was sollte ich jetzt machen? Ich wollte nie in die Öffentlichkeit. Ja, Lara meinte, dass sie nicht wissen, wer ich bin, aber trotzdem. Jemand hatte uns beobachtet. Und uns irgendwo auf dem Weg nochmal abgefangen, sonst gäbe es das Foto nicht. Wer tat denn so etwas?
„Erde an Anna! Dein Telefon!", riss mich Lara aus meinem Gedankenkarussell.
Ich stand auf und lief ins Schlafzimmer. Dann griff ich nach meinem Handy.

Bin ich für sie blind? Where stories live. Discover now