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Wincent

„Durchwachsen", antwortete Fabi mir ehrlich. „So wie ich es einschätzen kann, beziehungsweise wie es an mich herangetragen wurde, ist die Mehrheit auf eurer Seite. Also sie kritisieren, dass das wieder so groß gemacht wurde und dass es deine Privatsphäre ist, was du wann mit wem tust. Aber du weißt ja, wie das ist. Die präsentesten Stimmen sind natürlich die, die alles kritisieren."
Ich seufzte und zum ersten Mal war ich froh, dass Anna kein Instagram besaß. Die Nachrichten wollte ich ihr echt ersparen, denn es gab immer Verrückte, die immer irgendwie hinter alles kamen. Wir sahen es ja an den Artikeln, die eigentlich nicht sein müssten. Würden Leute endlich mal Privatsphäre respektieren, dann wäre es um einiges leichter. Was brachte es ihnen denn? Sie hatten doch nichts davon, wenn sie wissen, was ich wann tat. Das ging bis heute nicht in meinen Kopf und das würde sich vermutlich auch nicht so schnell ändern.
„Hey? Alles gut?", fragte ich Anna, als sie mit Fritz wieder ins Wohnzimmer kam.
„Ja. Geht schon." Sie kuschelte sich wieder neben mich auf die Couch und ich legte sofort meine Arme um sie.
„Du kannst ganz offen sagen, wenn irgendwas ist", ermutigte ich sie.
So ganz glaubte ich nicht daran, dass Anna so leichtfertig damit klarkam. Immerhin hatte das letzte Mal extreme Panik ausgelöst und selbst mir ging es ehrlicherweise richtig beschissen mit der Situation.
„Es ist schon gut. Ich komme klar."
Verwirrt sah ich zu meiner Freundin, aber sie sah wirklich gefasst aus. Das verstand ich nun gar nicht. Wie konnte sie das? Es ging hier darum, dass wir mal wieder beobachtet wurden. Warum flippte sie nicht aus?
„Ist was?", fragte Anna mich.
„Nein. Alles gut", antwortete ich schnell.
Wenn sie wirklich damit klar kam, umso besser. Vielleicht musste das auch erst einmal richtig durchsacken.
„Wollen wir vielleicht etwas essen und dann jetzt schon los?", fragte Anna. „Ich denke, frische Luft tut uns allen gerade ganz gut."
„Klingt super", erwiderte Fabi.
„Okay. Dann auf in die Küche." Ich stand vom Sofa auf und half Anna hoch.
Fritz schien das Wort essen auch gehört zu haben, denn er lief schon vor in die Küche. Anna folgte ihm und Fabi und ich gingen ebenfalls dorthin. Allerdings hielt uns das Klingeln eines Telefons davon ab. Fabi lief zurück zum Couchtisch, wo sein Handy lag.
„Es ist Mats", sagte Fabi und sah von seinem Display zu mir.
„Geh ruhig ran und mach auf laut", forderte ich ihn auf.
„Mats. Was gibt's?", fragte Fabi und legte sein Telefon auf dem Tisch ab.
„Hey Fabi, ich wollte nur mal fragen, wie die Lage ist", antwortete mein Fotograf auf der anderen Seite der Leitung.
„Alles gut hier."
„Ehrlich?", wollte Mats wissen. „Wie geht es Anna?"
„Den beiden geht es gut. Sie haben es wirklich gefasst aufgenommen. Heute Abend quatschen wir mit Anna darüber. Also der anderen natürlich", erklärte Fabi.
Mats atmete erleichtert auf. „Das klingt doch gut. Danke nochmal, dass du hingefahren bist. Das war..." Er brach ab. „Wartet mal kurz."
„Hä?", fragte ich ihn leise. „Ich check gerade nichts mehr."
Fabi wollte gerade zu einer Erklärung ansetzen, als wir hörten, wie Mats sich mit jemandem unterhielt.
„Lara, was ist los?.... Wieso schaust du dir... Oh je... Screenshote das mal und schick mir das bitte."
„Mats!", mischte ich mich ein. „Was ist da los?"
„Wince, ich schick das direkt an Anna. Mach du dir keinen Kopf bitte", antwortete mein Fotograf.
Der war ja witzig. Wie sollte das denn gehen?

Annalena

Ich holte alle Sachen aus dem Kühlschrank heraus, die wir jetzt essen konnten. Fritz lief immer um meine Beine.
„Fritz, jetzt ist gut. Leg dich hin und warte", wies ich ihn an.                  
Er brubbelte kurz, aber schließlich konnte ich mich wieder frei bewegen. Timing hatten die Jungs auf jeden Fall, denn als ich gerade fertig war mit Tisch decken kamen sie in die Küche.
„Setzt euch", sagte ich und wir nahmen alle am Tisch Platz.
Während des Essens redeten wir nicht mehr über die Artikel und ich war ganz dankbar dafür. Als wir alle satt waren, wollte Wincent abräumen und sich um Getränke für unterwegs kümmern.
„Meint ihr Fabis Sachen sind trocken?", fragte ich.
„Ähm...", kam es von beiden Männern gleichzeitig.
„Hängen sie über einer Heizung?"
„Ich glaub nicht", antwortete Wincent, während Fabi gleichzeitig „Nö" antwortete.
Ich seufzte. Da ließ man die einmal etwas alleine machen.
„Wie gut passen denn meine Sachen?", fragte ich Fabi.
„Ich find es gut. Also wenn du nichts dagegen hast, behalte ich sie noch für die Wanderung an", erwiderte er.
„Klar, kein Problem."
Wir ließen Wincent in der Küche alleine und gingen ins Wohnzimmer. Ich dachte nach und hatte eine Idee.
„Kannst du mir deine Sachen geben?", bat ich Fabi.
„Klar. Warte kurz."
Er verschwand und kam kurz darauf wieder.
„Hier", sagte er und übergab sie mir.
„Bin gleich wieder da."
Ich packte Fabis Sachen in einen Beutel, ging in den Flur, schlüpfte schnell in meine Schuhe und die Jacke. Dann pfiff ich nach Fritz, leinte ihn an und gemeinsam machten wir uns auf den Weg zu Maria. Mein Hund schien genau zu wissen, wo ich hinwollte, obwohl wir die Strecke noch nie gelaufen sind. Maria war etwas überrascht, als ich bei ihr vor der Tür stand, doch ich erklärte ihr schnell, dass wir spontan Besuch bekommen hatten. Meine Bitte, die Sachen zu trocknen, stieß sofort auf positive Reaktion.
„Ich bringe sie euch hoch und lege sie im Wohnzimmer hin, okay?", fragte sie und nahm mir den Beutel ab.
„Danke. Du bist ein Schatz", antwortete ich.
„Ich helfe euch gern."
„Das freut mich sehr. So, wir müssen wieder hoch. Wir wollen alle zusammen wandern gehen", erklärte ich Maria.
„Genießt es. Das Wetter hat sie ja verbessert und nachher soll auch noch die Sonne rauskommen", erwiderte sie.
„Das wäre schön. Also dann, bis später und danke nochmal."
„Bis dann, Anna." Sie umarmte mich kurz, aber sehr herzlich.
Mit einem guten Gefühl machte ich mich auf den Rückweg. Ich freute mich wirklich auf die Wanderung mit Fabi und Wince. Die Gegend hier hatte einfach ein ganz besonderes Feeling und ich liebte es.

Bin ich für sie blind? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt