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Wincent

„So, auf geht's", sagte ich und ging mit Anna und Fritz zu meinem Auto.
„Du freust dich richtig, oder?", fragte sie mich.
„Ja. Ich liebe das Meer", gab ich zu. „Immerhin bin ich dort auch aufgewachsen. Und es bringt mich irgendwie immer runter."
„Ein echtes Nordlicht also", bemerkte Anna.
„Ja", bestätigte ich.
Anna stieg ins Auto ein, ich ließ Fritz auf die Rückbank springen und verstaute unsere Rucksäcke im Kofferraum. Dann setzte ich mich hinters Steuer und startete den Motor.
„Du bist doch auch ein Nordlicht", knüpfte ich direkt an unser Gespräch an.
„Das stimmt. Aber am Meer war ich ewig nicht", gab sie zu. „Ich bin ja auch viel zu selten in Hamburg."              
„Warum das?", hakte ich nach. „Hast du keine Zeit?"
„Das nicht. Aber ich hasse Zugfahrten. Ich vermisse Hamburg manchmal ziemlich und meinen Vater vor allem. Doch bisher habe ich es nicht geschafft, häufiger in den Norden zu fahren."
„Kommt mir bekannt vor. Allerdings scheitert es bei mir eher am Terminkalender", gab ich zu.
„Das glaube ich sofort."
„Wie wäre es mit einem Deal?"
„Was für einer?"
„Wir machen eine Challenge. Ab heute sind wir das ganze nächste Jahr häufiger im Norden. Mindestens zwölf Mal."
„Jeden Monat einmal?"
„Ungefähr. Und wenn es mal nicht passt, dann halt in einem Monat zwei Mal."
Anna dachte kurz nach.
„Okay", willigte sie dann ein. „Aber wir müssen so oft wie möglich zusammen fahren."
„Da habe ich absolut nichts dagegen."
„Und nur private Aufenthalte zählen."
„Einverstanden. Hand drauf."
Anna hob ihre Hand und ich griff danach. Mit einem Händedruck besiegelten wir den Deal.
„So und jetzt bitte wieder Hand ans Lenkrad", befahl Anna und grinsend kam ich ihrer Aufforderung nach.
Die restliche Fahrt bis zur Ostsee redeten wir einfach über alles mögliche. Anna erzählte ein wenig von ihrer Arbeit in der Buchhandlung und fragte mich ein wenig nach meinem Job aus. Sie wusste zwar mehr über mich als ich über sie, aber so war das halt. Ich stand nun einmal in der Öffentlichkeit und war zugegebenermaßen ein ziemlich offenes Buch.
„So, da wären wir", verkündete ich und parkte das Auto. „Willkommen an der Ostsee."
Anna stieg schnell aus dem Auto aus und ich tat es ihr gleich. Über das Dach hinweg sah ich, wie sie die Augen schloss und tief durchatmete.
Ich öffnete die hintere Autotür und konnte gerade noch Fritz Leine festhalten, bevor er aus dem Auto sprang. Schwanzwedelnd sprang er neben mir auf und ab.
„Wollen wir?", fragte ich Anna.
Dann verstaute ich mein Handy in der Hosentasche und schloss das Auto ab.
„Los geht's." Anna war deutlich entspannter als noch in Hamburg und mir ging es ähnlich.
Absichtlich waren wir nicht in meiner Heimat, denn ich wollte nur in Ruhe Zeit mit Anna verbringen. In Scharbeutz war die Gefahr, Fans über den Weg zu laufen einfach zu groß.

Annalena

Ich hörte Wincents Schritte auf dem Schotter des Parkplatzes und im nächsten Moment lag meine Hand in seiner. Daran konnte ich mich echt gewöhnen, auch wenn die Berührung jedes Mal ein Kribbeln auslöste und die Schmetterlinge wieder hervorrief. Wie machte er das nur?
Eine Weile liefen wir einfach nur schweigend am Strand entlang. Meine Schuhe füllten sich mit Sand, aber das war egal. Ich genoss einfach nur die Meeresluft, das Rauschen des Wassers und zugegebenermaßen auch Wincents Nähe.
„Anna?", fragte Wincent.
„Ja?"
„Wenn du nichts dagegen hast, lasse ich Fritz sich noch etwas austoben."
„Du hast die Verantwortung", erinnerte ich ihn. „Ich setze mich einfach hier in den Sand."
„Okay."
Ich ließ mich auf den Sand nieder, der tatsächlich etwas wärmer war, als ich erwartet hatte. Im nächsten Moment spürte ich Fritz Nase an meiner Wange. Doch Windend rief nach ihm und mit fröhlichem Bellen, ließ Fritz mich alleine. Ich versuchte mir vorzustellen, wie die beiden miteinander tobten und um die Wette rannten. Mensch gegen Hund. Zwei Beine gegen vier.
Ich schloss meine Augen und sog die Umgebung in mich auf. Das Rauschen des Meeres, der warme Sand, das leichte Lüftchen.
Das ging solange, bis ich ein Hecheln hörte und dann spürte ich Fritz Fell an meiner Hand.
„Ausgetobt?", fragte ich, als ich merkte, wie sich Wincent neben mich in den Sand setzte.
„Jap." Wincent klang etwas außer Atem. „Allerdings hat Fritz eine sau gute Ausdauer."
Ich lachte. „Ja, das stimmt."
„Aber es hat gut getan. Mal so richtig auspowern schaffe ich sonst nicht einmal im Fitnessstudio."
„Besorg dir einen Hund", schlug ich vor.
„Ist leider nicht so einfach. Ich bin ja quasi fast das ganze Jahr auf Achse. Nur unterwegs. Das wäre unfair. Ich leih mir einfach ab und zu Mal Fritz aus. Das reicht."
„Kannst du gerne tun." Ich wollte eigentlich noch etwas sagen, aber musste erst gähnen.
Wo kam denn jetzt die Müdigkeit her? Machte die frische Meeresluft doch müde?
„Wenn du willst, leg dich doch kurz hin. Kannst meinen Schoß als Kopfkissen haben", schlug Wincent vor.
Die Vorstellung von ein wenig Liegen war traumhaft. Also legte ich mich halb auf den Sand und halb auf Wincents Beine.
„Anna?" Durch sanftes Streicheln an meiner Wange kam ich wieder in der Realität an. „Aufwachen. Mittagsschlaf ist vorbei.
Der Hand folgte eine raue Hundezunge.
„Fritz!", protestierte ich.
„Komm, Maus. Wir waren jetzt drei Stunden hier. Ich fürchte, wir müssen langsam nach Berlin zurück", hörte ich Wincent sanft sagen.
Irgendwie wollte ich nicht nach Hause. Es war viel zu schön auf Wincents Schoß zu liegen und den Geräuschen lauschen. Doch ich musste zurück, denn ab Montag ging der Alltag wieder los.
„Nicht wieder einschlafen", neckte Wincent mich.
„Mhm", murmelte ich.
„Du kannst im Auto gleich noch ein wenig schlafen."
Widerwillig richtete ich mich auf. Wincent stand direkt auf und zog mich dann hoch. Ich bekam einen kurzen Kuss, der mich wieder komplett aus der Bahn warf. Wincent nahm dann meine Hand und wir gingen zum Auto zurück. Ich war wirklich so müde, dass ich kurz nach dem Start wieder einschlief.
„Anna? Wir sind da", weckte Wincent mich.
„Schon?", fragte ich verschlafen nach.
„Es sind anderthalb Stunden vergangen."
„Oh."
„Komm, ich bring euch hoch."
„Bleibst du auch? Also bis morgen?"

Bin ich für sie blind? حيث تعيش القصص. اكتشف الآن