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Wincent

„Philipp, ich müsste schon los. Geht das?", fragte ich meinen Produzenten.
„Klar. Geh ruhig, ich schick dir nachher die finale Version rüber. Wenn wir nochmal etwas ändern müssen, kannst du ja vielleicht die Tage nochmal kurz rumkommen."
„Danke, du bist ein Schatz", sagte ich und war schon aus dem Raum.
Im Gehen zog ich meine Jacke an und setzte mich hinters Steuer meines BMW. Zum Glück hatte ich ihn hier in Berlin und nicht den Oldtimer. Ich fuhr über die altbekannten Straßen raus aus der Stadt und dann parkte ich schließlich vor dem Gebäude. Da war ich wieder. Gestern war ich zuletzt hier und eigentlich sollte ich erst in einer Woche wieder hier sein, aber Notfall war Notfall. Ich atmete nochmal tief durch und betrat dann das Gebäude. Im Büro war ich erst einmal, aber der Weg war gut ausgeschildert. Ich klopfte an und keine Minute später stand ich dem Leiter gegenüber.
„Hallo", sagte ich.
„Herr Weiß, treten Sie ein", bat er und schloss dann hinter mir die Tür, bevor er sich hinter seinen Schreibtisch setzte.
„Es tut mir leid, dass Sie so spontan kommen mussten", entschuldigte er sich direkt.
„Kein Problem. Worum geht es denn?"
Er erklärte mir die Sachlage und ich verstand, warum wir es nicht aufschieben konnten. Kurz zögerte ich noch, aber eigentlich hatte ich mich schon längst entschieden. Also nickte ich ihm zu und unterschrieb drei Minuten später die Verträge.
„Dann danke ich Ihnen für das Kommen und freue mich, wenn wir uns dann nochmal zum Abschied wiedersehen", sagte er und reicht mir eine Kopie über den Tisch.
„Können wir den Termin denn weiterhin halten?", hakte ich nach. „Vorher geht leider wirklich nicht."
„Das ist kein Problem. Ich vermerke das einfach mit einem Klebezettel auf dem Vertrag."
„Vielen Dank."
„Ich danke Ihnen und hoffe, es kommt gut an."
„Bestimmt", antwortete ich zuversichtlich.
„Dann sehen wir uns zwischen den Jahren."
„Ganz sicher. Bis dahin, noch einen schönen Tag und schöne Weihnachtsfeiertage, wenn sie dann kommen."
„Wünsche ich Ihnen auch."
Er drückte mir nochmal die Hand zum Abschied und dann verließ ich das Büro. Jetzt war es offiziell und ich war ein wenig erleichtert. Allerdings schwang unterbewusst noch immer der Gedanke mit, dass ich übertrieb. Ich schob den Gedanken ganz schnell bei Seite und setzte mich hinters Steuer. An einer Tankstelle machte ich Halt und nutzte die Chance, um Anna anzurufen. Ich versprach ihr, pünktlich zu 13 Uhr da zu sein und Fritz abzuholen. Der Verkehr in der Innenstadt hatte allerdings ein Problem damit, weshalb ich fünfzehn Minuten zu spät im Buchladen ankam. Mit Fritz fuhr ich zu Annas Büro.
„So, mein Freund. Dann gehen wir mal hoch und du lernst meine Arbeitswelt kennen", sagte ich und schloss das Auto ab.
Oben angekommen, lief ich geradewegs Amelie in die Arme.
„Hey, was machst du denn hier?", fragte ich überrascht.
„Hatte einen Termin mit Anna, aber jetzt gehört sie ganz dir", antwortete meine beste Freundin.
„Danke", antwortete ich höflich. „Aber du hättest sie ruhig auch noch länger haben können. Ich teile gerne", fügte ich noch hinzu.
Amelie lachte. „Das könnte dir so passen. Nichts da, viel Spaß. Ihr habt viel vor heute."
Ich verdrehte die Augen. „Dann komm, Fritz. Ich fürchte, wir haben keine Wahl. Da müssen wir jetzt durch."
„Viel Spaß euch dreien", verabschiedete sich Amelie.
Als ich die Zettel auf dem Tisch sah, wäre ich am liebsten wieder gegangen. Doch ich hatte Bürotage viel zu kurz kommen lassen und vor allem in Vorbereitung auf das Weihnachtsalbum musste ich echt noch viel tun.
„Das wird wohl ein langer Abend hier. Ich hoffe, dir gefällt es hier", wandte ich mich an Fritz und hatte damit auch direkt die Aufmerksamkeit meiner Managerin.
„Ahh, hey Wincent. Heute mit mentaler Unterstützung?"
„Jap. Sieht so aus als könnte ich sie brauchen", antwortete ich.
„Ach, das sieht mehr aus als es ist."
„Hoffentlich." Wie gut, dass Anna heute bei Lara war.

Annalena

„Ähm... Na ja, die Story ist etwas länger", antwortete Lara.
„Kein Stress. Ich habe den ganzen Abend Zeit."
Lara atmete nochmal tief durch. „Also so wirklich angefangen hat das, glaube ich, als du nicht mehr mit mir geredet hast."
„Bitte erinnere mich nicht daran", sagte ich und bekam nachträglich noch ein schlechtes Gewissen.
„Auf jeden Fall hab ich ihn da um Rat gefragt. Eigentlich wollte ich mit Wincent reden und na ja, dann hat er sich ja dazwischen geschaltet. Und so sind wir einfach in Kontakt geblieben und haben immer mal wieder geschrieben."
„Und dann?", hakte ich neugierig nach.
„Als du mit Wincent in Österreich warst, hab ich ihn angeschrieben, weil ich das auf Instagram mitbekommen hatte und nicht wusste, was ich tun sollte. Da haben wir dann mehr geschrieben und irgendwie schien er gemerkt zu haben, dass es mir nicht gut ging. Als Fabi dann zugesagt hatte, zu euch zu fahren, hat Mats mich eingeladen und wir haben bei ihm in der Wohnung auf eine Nachricht von Fabi gewartet", erzählte Lara weiter.
„Ja, und weiter? Bitte fass dich etwas kürzer."
„Tu ich doch schon", beschwerte sich meine beste Freundin. „An dem Tag haben wir nämlich ganz viel geredet und ehrlicherweise habe ich vergessen, dass er bei Wincent arbeitet."
„Ich sag doch, dass sind nur Wincent und Mats", warf ich ein.
Lara seufzte. „Du sagst das so leicht. Ich verfolge Wincents Karriere seit vielen Jahren und Mats kenne ich nur als Fotograf, der mit Stars wie Wincent, Kayef und Topic unterwegs ist. Da ist es nicht so einfach, wenn die plötzlich ohne Shirt in der Küche meiner besten Freundin stehen und mit ihr knutschen."
„Ich kann mich nicht erinnern, dass Mats jemals so in meiner Küche stand", konterte ich und bekam ein Sofakissen an die Brust geworfen.
„Du weißt genau, was ich meine."
Ich lachte leise. „Ja, schon klar. Aber wieder zurück zu Mats. Was ist da jetzt?"
Meine beste Freundin dachte nach. „Ehrlich? Ich hab keine Ahnung."
„Wie?", hakte ich nach, obwohl ich das Gefühl sehr wohl kannte. „Was fühlst du denn?"
„Ich mag ihn, aber das war vorher auch schon so. Vielleicht mag ich ihn jetzt sogar noch ein bisschen mehr, aber ich weiß nicht. Ich will eigentlich nicht so schnell eine neue Beziehung... Und er ist so viel unterwegs... mich verwirrt das alles ziemlich gerade."
Ich hatte meine beste Freundin noch nie so durch den Wind erlebt. Jetzt brauchte sie meine, nicht vorhandenen, schlauen Ratschläge. Na super.
„Jetzt weißt du, wie ich mich am Anfang mit Wincent gefühlt habe. Aber ich sag dir eins: Dein Herz wird sich ziemlich schnell entscheiden und dann ist es egal, was dein Kopf sagt."
Ich dachte nach, ob mir noch etwas einfiel.
„Und ich sag mal so, ganz egal scheinst du ihm nicht zu sein. Ich meine, ihr wart zusammen am See und danach noch mit uns essen und er hat dich nach Hause gebracht. Richtig?"
„Ja...." Sie zögerte.
„Lara? War da noch mehr?"
„Nein, aber irgendwie bin ich verwirrt", gab sie zu.
„Wieso?"
„Na ja, es gab so einen seltsamen Moment zwischen uns, bevor ich nach oben gegangen bin. Es war so, als würde die Zeit kurz stehen bleiben."
„Oh oh", entfuhr es mir.
„Was?", fragte Lara sofort.
„Ich will ja nichts sagen, aber ich glaube, dein Herz hat sich schon entschieden."
„Hä? Woher weißt du das?"
Es war wirklich ganz seltsam, meiner besten Freundin Ratschläge in Sachen Liebe zu geben. Aber einen Vorteil gab es, ich hatte alles von Wincent gelernt. Und Mats stand noch nicht so sehr im Fokus wie mein Freund. Daher musste Lara nur halb so viel durchmachen wie ich. Irgendwie fand ich den Gedanken beruhigend, dass ich mit meiner Freundin vielleicht absehbar alles teilen konnte, wenn unsere Jungs mal wieder in der Weltgeschichte unterwegs waren. Irgendwie aber auch seltsam, dass sich so bekannte Persönlichkeiten ausgerechnet für zwei Verkäuferinnen in einem Buchladen interessierten.
„Erde an Anna. Bist du noch da?", riss mich Lara aus meinen Gedanken, die unbemerkt etwas abgeschweift waren.
„Ja, sorry. Ähm, ich sag mal so. Diesen Moment gab es bei mir und Wincent auch", gab ich zu.
„Wann?"
„Ungefähr fünf Minuten, bevor du meinen panischen Anruf bezüglich Reaktion auf Küsse bekommen hast."
„Oh. Aber soweit ist es ja bei uns gar nicht gekommen und wer weiß, vielleicht habe ich mir das ja auch nur eingebildet", versuchte Lara die Sache herunterzuspielen.
„Moment mal! Nicht so schnell. Das glaube ich nicht. Ich weiß gar nicht, ob man sich das überhaupt einbilden kann."
Lara wirkte nicht wirklich überzeugt.
„Hast du seitdem nochmal etwas von ihm gehört? War irgendwas anders als vorher?", wollte ich wissen.
„Ich hab seine Nachrichten nicht gelesen", antwortete Lara kleinlaut.
„WAS?! Bist du irre?"

Bin ich für sie blind? Where stories live. Discover now