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Annalena

Ein Klicken ließ mich zusammenzucken und kurz bekam ich Panik. Im See hörte ich noch Geplätscher, also tobte Fritz dort noch herum und Wincent war ganz bestimmt bei ihm. Blieb also nur noch Mats übrig. Und da beruhigte ich mich wieder,  denn das Klicken hatte ich heute schon einige Male gehört.
Mats, der Stalker. Da saß man einmal auf einem Stein und wollte die Natur genießen und zur Ruhe kommen und dann tauchte er auf.
„Ey, ich kann mich nicht erinnern, dass ich einen Paparazzi habe", rief ich Mats zu.
„Sorry", kam direkt die Antwort. „Aber das Bild war einfach zu gut, um es nicht einzufangen."
„Schon klar."
Ich nahm Mats das absolut nicht übel, aber es war schön, dass er immer genau zu wissen schien, wann ich ihn ein wenig an der Nase herumführen wollte. Wincent hatte mit ihm einen echt guten Freund und Fotografen.
„Ähm, ich glaube, wir sollten mal zurück zur Bank gehen. Oder brauchst du noch einen Moment?"
„Ne, wir können zurück."
„Gut. Nicht, dass dein Freund Panik bekommt."
Ich stand auf und ging mit Mats zur Bank zurück, wo wir unsere Sachen zurückgelassen hatten.
„Da seid ihr ja." Wincent klang ziemlich erleichtert und zog mich direkt in die Arme. „Ihr könnt mir doch nicht so einen Schreck einjagen", murmelte er in mein Haar.
„Sorry", erwiderte ich leise. „Ich wollte nur kurz die Natur genießen."
„Okay."
Wincent hielt mich noch einen Moment fest, aber als ich Wasserspritzer abbekam, lösten wir uns voneinander.
„Fritz", kam es anklagend von Wincent. „Das ist doch wohl nicht dein Ernst, oder? Hättest du dich nicht einen Meter weiter weg schütteln können? Du wolltest doch ins Wasser."
„Aber das wäre langweilig", sagte ich grinsend.
„Auch wieder wahr."
„Ich störe ja nur ungern, aber wollen wir langsam zurück? Immerhin müssen wir ja noch nach München zurück und es ist schon halb sechs."
„Ja, lasst uns zurück gehen. Ich ziehe nur fix meine Schuhe an", antwortete Wincent und ich leinte in der Zwischenzeit meinen nassen Hund wieder an.
Entspannt gingen wir zum Häuschen zurück und während die Jungs dann die Sachen ins Auto luden, trocknete ich Fritz ein wenig ab.
„Also, wir wären dann soweit", sagte Wincent irgendwann.
„Okay. Dann lasst uns den Schlüssel abgeben und los", erwiderte ich.
„Ab ins Auto. Den Schlüssel geben wir auf dem Weg ab. Wir müssen da eh lang."
So verabschiedeten wir uns von den Bergen. Fritz kam wieder in den Kofferraum, Mats rutschte auf die Rückbank, da er am Laptop arbeiten wollte und ich setzte mich auf den Beifahrersitz. Wincent wollte nochmal durchs Haus gehen und kam dann auch. Nachdem wir uns noch von Maria verabschiedet hatten, die darauf bestand, dass wir ganz bald wieder kamen, ging es dann wirklich Richtung Heimat. Irgendwie war ich mir nicht sicher, ob ich bereit für den Alltag war. Morgen fuhr ich nämlich wieder nach Berlin zurück und ehrlicherweise freute ich mich nur halb darüber. Die Zeit mit Wincent verflog immer viel zu schnell, aber er hatte wieder Konzert anstehen und ich musste auch irgendwann mal wieder auf Arbeit erscheinen.

Wincent

Mats sah konzentriert auf seinen Laptop und Anna schien ganz in Gedanken versunken, als ich den Wagen durch die Kurven und geradewegs auf die Autobahn zu lenkte. Immer weiter weg von der kleinen Auszeit und den Bergen. Ich wollte ungern wieder nach Hause, aber andererseits freute ich mich sehr auf die nächsten Konzerte der Sommertour. Ob ich Anna fragen sollte...? Ich verwarf den Gedanken erst einmal wieder, denn sie musste wahrscheinlich auch irgendwann wieder arbeiten gehen. Sie hatte ganz bestimmt nicht so die Wahl, wie ich. Meine Termine konnte ich manchmal selbst legen, sie musste jeden Tag dort auftauchen. Und sie schien recht glücklich dort zu sein.
„Wince?", meldete sich Mats von der Rückbank.
„Ja?"
„Wer hat alles einen Schlüssel zu deiner Wohnung in München?"
„Im Studio müsste einer sein und ich hab logischerweise einen. Wieso?"
„Naja, vielleicht könnten Fabi oder Kevin einkaufen gehen und dann sind die Sachen da, wenn wir ankommen", antwortete Mats.
„Gute Idee. Ich ruf die Jungs mal an."
Ich wählte Fabis Nummer, denn er ging ziemlich sicher ran.
„Wince, was verschafft mir denn diese Ehre?", begrüßte er mich.
„Moin Fapsl. Sag mal, was machst du gerade so? Hast du Zeit?"
„Ich lieg gerade auf meinem Bett herum und überlege, welchen Film ich schaue. Womit kann ich helfen?"
„Ähm, ich bin gerade auf dem Rückweg von einem spontanen Shooting in Österreich. Könntest du vielleicht einkaufen gehen und die Sachen in meine Wohnung bringen? Der Schlüssel ist im Studio."
„Klar, kann ich. Möchtest du direkt fertig gekochtes Essen haben?", fragte Fabi.
„Du willst kochen?"
„Wenn ich dann mitessen darf, gerne."
„Natürlich. Dann sind wir zu... viert. Passt perfekt. Danke."
„Äh, kein Ding."
„Also, wir sind so in ca. zwei Stunden da."
„Alles klar. Fahr vorsichtig und bis dann."
„Bis später. Und nochmal danke."
Der Anruf war beendet und sofort erklang wieder die Musik von Topic durchs Auto.
„Und?"
„Fabi geht einkaufen und kocht für uns."
„Wer?", fragte Anna, die offenbar wieder aufgewacht war.
Zwischendurch hatte ich im Augenwinkel gesehen, dass sie schlief. Sie schien heute ziemlich müde zu sein, was mir ein wenig Sorgen machte. Doch vielleicht waren diese ganzen Eindrücke einfach so viel, dass sie sie erst einmal in Ruhe verarbeiten musste.
„Fabi ist mein ehemaliger WG-Mitbewohner. Er hat auf der Hallentour Vorband gespielt", beantwortete ich Annas Frage.
„Ah." Anna schien sich zu erinnern, obwohl sie ja nur wissen konnte, wie seine Stimme klang.
Den Rest der Fahrt unterhielt ich mich mit Anna darüber, wie sie die Konzerte in Erinnerung hatte. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie man die Musik wahrnahm, wenn die ganze Bühnenshow gar nicht existierte. Vielleicht war, blind auf ein Konzert gehen, auch mal eine Überlegung wert. So langsam brauchte ich eine Liste, um nichts zu vergessen.
„Fertig!" Mats klang ziemlich erleichtert und gleichzeitig ganz zufrieden.
„Womit?", hakte ich neugierig nach.
„Mit Bilder von der Kamera ziehen und die ersten hab ich schon bearbeitet. Brauchst du eigentlich etwas für Instagram?"
„Nope. Ich finde, der heutige Tag sollte einfach nur in unserer Erinnerung bleiben", entschied ich und war ziemlich glücklich damit.

Bin ich für sie blind? Where stories live. Discover now