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Annalena

Während Mats und Wincent arbeiteten, hörte ich meistens nur Anweisungen an meinen Freund oder gemeinsames Lachen. In diesem Moment wünschte ich mir, etwas sehen zu können. Es gab wenige Augenblicke, in denen ich das wollte, aber ich stellte es mir so viel einfacher vor, gemeinsam mit den Jungs lachen zu können. Zu wissen, was gerade vor sich ging und einfach teilnehmen zu können. Das musste schön sein.
Aber es brachte ja nichts, sich über unabänderbare Dinge den Kopf zu zerbrechen. Also setzte ich mich zu Fritz auf den Fußboden, der sofort den Kopf auf meinem Schoß ablegte, und kraulte ihm den Kopf. In letzter Zeit verbrachte ich viel zu wenig Zeit mit ihm, fiel mir auf. Dabei hatte ich meinem Vater mal gesagt, dass Fritz die größte und wichtigste Liebe meines Lebens war. Wie schnell sich Dinge ändern konnten. Aber wenn ich ehrlich war und mich entscheiden müsste, dann würde ich immer Fritz wählen. Ich brauchte ihn einfach.
„Wince?", fragte ich nach einer Stunde.
„Ja?"
„Hast du einen Plan fürs Essen?"
„Ne", gab mein Freund zu. „Aber was haltet ihr davon, wenn wir einfach etwas bestellen?"
„Klingt gut", antwortete Mats und ich stimmte zu.
„Pizza? Burger? Sushi?", wollte Wincent wissen.
„Pizza", kam es direkt von Mats.
„Bin ich dabei", erwiderte ich.
„Okay, ich bestell die fix und dann machen wir noch ein wenig weiter. Einverstanden?"
„Jap. Machen wir so."
Ich hielt mich da raus, da ich absolut keine Ahnung hatte, was die beiden vorbereiteten. Aber Essen bestellen klang traumhaft, denn so langsam bekam ich Hunger. Apropos. Hatte Fritz eigentlich Frühstück? Ich kramte in meinem Gedächtnis, aber mir fiel es einfach nicht ein.
„Anna? Alles gut?", fragte Wincent mich.
„Ich weiß nicht, ob Fritz schon Futter hatte", gab ich zu.
„Ich hab ihm keins gegeben."
„Tja, dann ist das wohl heute ausgefallen."
„Er wird schon nicht vom Fleisch fallen", mischte sich Mats ein.
„Nein. Das definitiv nicht", erwiderte ich.
„Lass ihn einfach nachher kurz mit Wincent und den Leckerlies alleine und der hat das wieder vergessen."
„Ey, protestierte Wincent. „Das klingt ja, als würde ich den Hund maßlos verwöhnen."
„Als ob du das nicht tust", hielt Mats dagegen. „Ich hab dich doch schon häufig genug mit Bailey gesehen. Welcher Hund bei dir ist, ist da am Ende auch egal."
„Ja gut. Eventuell ist da etwas dran", gab Wincent nach. „Aber sei ehrlich. Wie soll man denen denn auch widerstehen können?"
„Mit Selbstbeherrschung", schlug Mats vor und ich musste mich echt zusammenreißen.
„Schau einmal in dieses süße Gesicht und es ist vorbei damit", beharrte Wincent.
„Dann bin ich wohl immun", konterte Mats.
„Oder du hast kein Herz für Hunde."
„Jungs! Beruhigt euch wieder!", mischte ich mich ein. „Wie wäre es, wenn ihr jetzt schon Pause macht und wir kurz raus gehen?"
„Klingt super. Bis das Essen hier ist, dauert es ja bestimmt eh noch."
„Komm, Fritz", hörte ich Wincent sagen und mein Hund gehorchte sofort.
Das hatte den Vorteil, dass ich endlich aufstehen konnte. Im Flur zogen wir uns an und Wincent drückte mir Fritz Leine in die Hand.
„Neue Gegend, da brauchst du den Hund", erklärte er mir und ich war mal wieder dankbar dafür, wie sehr Wincent mit dachte.
„Wie lange haben wir ungefähr?", wollte Mats wissen.
„Mindestens eine halbe Stunde. Also wir könnten eine kleine Runde durch den Wald drehen. Bis zum See gehen wir dann, bevor wir nach Hause fahren. Das wäre jetzt zu lang."
„Alles klar, Chef. Dann los."
Mats schien es heute drauf angelegt zu haben, Wincent ein wenig zu ärgern.
Allerdings ignorierte dieser ausnahmsweise Mal die Aussage seines Fotografen und schloss einfach die Tür ab, bevor er nach meiner freien Hand griff.
So machten wir uns auf den Weg zum Wald und ich genoss die frische Luft sehr.

Wincent

Nach einem Spaziergang, der uns allen ziemlich gut tat, machten wir es uns im Wohnzimmer auf dem Sofa bequem. Zumindest so lange, bis das Essen kam. Dann zogen wir in die Küche um und ließen uns die Pizzen schmecken. Anschließend arbeiteten Mats und ich noch an den letzten Aufnahmen, bevor wir zum See aufbrachen. Mats nahm natürlich vorsorglich seine Kamera mit und so zeigte ich ihm die Gegend. Anna und Fritz waren natürlich auch dabei, aber meine Freundin hatte optisch nicht so viel von der Natur. Dafür genoss ich es umso mehr, einfach Hand in Hand mit ihr hier durch die Berge zu streifen. Urlaub mussten wir definitiv nochmal in Österreich machen. Den ganzen Tag nichts anderes als Anna, Fritz, ich und die Natur. Was gab es Schöneres?
„Erde an Wincent. Bist du noch da?", riss mich Mats aus meiner Tagträumerei.
„Äh, ja."
„Wo warst du denn mit deinen Gedanken?", wollte er wissen.
„Nicht so wichtig", wank ich ab.
„Achso." Mats Grinsen entging mir natürlich nicht.
„Es war definitiv jugendfrei", verteidigte ich mich. Was er mir wieder unterstellte, ey.
„Sicher?"
„Ja."
„Okay. Dann glaub ich dir das mal."
„Habt ihr es dann mal für heute?" Anna schien scheinbar nicht ganz zu wissen, ob sie diese ständigen Kabbeleien zwischen Mats und mir witzig finden sollte oder nicht.
„Normalerweise mögen wir uns", sagte ich.
„Ja. Eigentlich schon", stimmte Mats mir zu.
Dann wechselten wir das Thema und diskutierten stattdessen über Podcasts. Beziehungsweise Anna und Mats unterhielten sich darüber und ich hörte mit halbem Ohr zu. Ich hatte absolut keinen Plan, denn ich hörte nie welche. Doch für Anna war das sicher ziemlich gut, da sie die ganze Zeit, die wir mit Filmen und Serien verbrachten, für Hörbücher und Podcasts nutzen konnte. Möglicherweise sollte ich auch mal damit anfangen. Oh man. Jetzt brachte Anna mich schon dazu, dass ich darüber nachdachte, absolut banale Dinge in meinem Leben zu ändern.
Wir gingen noch eine Runde um den See, wobei Fritz gerne ins Wasser wollte. In Rücksprache mit Anna, machten wir auf einer Bank Pause und ich krempelte meine Hose ein wenig hoch, bevor ich Fritz ableinte und in den See begleitete. Er schien sich sehr wohl im Wasser zu fühlen und ich fand die Abkühlung auch ganz angenehm. Mats schoss natürlich wieder Fotos, wie ich im Augenwinkel wahrnahm. Ich warf einen letzten Blick auf Fritz und drehte mich einmal zu Anna um, doch sie saß nicht mehr auf der Bank.

Bin ich für sie blind? Where stories live. Discover now