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Wincent

Plötzlich zog mich etwas nach vorne. Fritz und Jever, fiel mir wieder ein.
„Hey. Alles gut", versuchte ich ihn zu beruhigen. „Das Jever bringt Mats nachher mit."
Anna neben mir begann zu lachen.
„Hilf mir lieber statt mich auszulachen", bat ich sie. „Mats, ruf mal bitte in 5 Minuten nochmal an."
Damit steckte ich mein Handy wieder in die Tasche und tatsächlich rief Anna nun auch nach ihrem Hund. Und Überraschung. Er hörte natürlich auf sein Frauchen.
„Danke."
„Gern geschehen."
„Kannst du ihn kurz nehmen? Dann schließ ich schnell die Tür auf."
„Kannst auch langsam aufschließen", erwiderte sie und grinsend kramte ich den Schlüssel hervor.
Zu meiner eigenen Überraschung brauchte ich weniger Versuche als beim Abschließen meiner Wohnungstür vorhin.
„Hereinspaziert", sagte ich und ließ Anna und Fritz zuerst ins Haus.
Dann folgte ich ihnen. Eigentlich wusste ich, wie lang der Weg von der Tür zur Treppe war. Allerdings zuckte ich so zusammen, als die Haustür ins Schloss fiel, was von den Wänden widerhallte, dass ich die ersten Stufen nicht nacv oben lief, sondern fiel. Das konnte auch nur ich.
„Alles gut?", fragte Anna besorgt.
„Ja, hab mich nur erschrocken", antwortete ich und stand wieder auf.
„Das Geländer ist links. Vielleicht hilft dir das."
„Danke."
Anna war echt die geduldigste Frau, die ich bisher kennengelernt hatte. Und sie hielt mich nicht für komplett bescheuert, weil ich mit verbundenen Augen gegen einen Schrank lief oder so spazieren ging. Jede kleine Tollpatschigkeit meinerseits nahm sie einfach so hin und dafür liebte ich sie umso mehr. Ich merkte, dass sie versuchte, bewusst über Dinge nachzudenken, die für sie selbstverständlich waren. Womit hatte ich Anna eigentlich verdient?
Der Weg nach oben ging dann problemlos und die Wohnungstür aufschließen stellte auch kein Problem mehr da. Ich konnte also doch noch lernen.
Als wir gerade unsere Schuhe und Jacken ausgezogen hatten, klingelte schon wieder mein Telefon.
„Weiss?", meldete ich mich automatisch.
„Moin Wince."
„Mats." Jetzt erkannte ich ihn schon besser. „Wann bist du ungefähr hier?"
„Ich kann jederzeit los. Und dann brauch ich so 10 Minuten."
„Perfekt. Dann sagen wir in 10 Minuten bei mir."
„Alles klar. Soll ich noch etwas mitbringen?"
„Nur das, was ich jetzt nicht nochmal aussprechen darf."
„Alles klar. Dann bis gleich."
„Bis gleich."
Ich ging zum Sofa und ließ mich dann darauf fallen. So ganz fit war ich noch nicht wieder, was mich etwas nervte.
„Maus, was machen wir jetzt bis Mats da ist?"
„Kuscheln?"
„Eine ausgezeichnete Idee."
Sie kam näher zu mir gerutscht und ich legte meinen Arm um sie. Blind waren jegliche Berührungen noch intensiver und das liebte ich gerade total.
Die Türklingel störte ein wenig die Atmosphäre, aber ich wollte Mats nicht unnötig warten lassen. Abgesehen davon, dass ich langsam Hunger bekam.
„Ich geh mal Mats reinlassen", sagte ich und Anna löste sich von mir.
Also stand ich auf und ging zur Tür. Den Weg konnte ich sogar ohne, dass irgendwas im Weg war. Ein wenig stolz machte mich das schon, wie manche Dinge im Laufe des Tages einfach leichter wurden. Das bestätigte mich wieder daran, dass ich nicht komplett bescheuert war.
„Wince? Was ist denn hier los? Stör ich?", begrüßte mich Mats kurze Zeit später.
„Was?", hakte ich nach. „Komm doch erst einmal rein." Ich trat zur Seite und schloss die Tür dann hinter ihm wieder.
„Das ist jetzt nicht wahr, oder?"
„Was genau?"
„Ich dachte noch, Gigi will mich verarschen."
„Hä?"
„Du warst doch vorhin mit Anna und Fritz im Park, oder?"
„Woher weißt du das?"
„Gigi war mit den Hunden draußen und hat euch von Weitem gesehen. Er meinte, du bist ein wenig unsicher gelaufen und ich dachte, er verarscht mich. Aber offenbar doch nicht. Was ist das hier?"
„Ähm, das ist eine Art Deal zwischen Anna und mir. Ich hab meinen freien Tag genutzt und das erste Mal ausprobiert, wie es ist, blind zu sein", erklärte ich Mats.
„Und so willst du kochen?" Er klang etwas skeptisch.
„Klar. Du bist ja da. Und Anna kann auch kochen. Apropos, ich hab Hunger."
Mats lachte. „Okay, dann fangen wir direkt an. Was schwebt dir vor?"
„Anna?!", rief ich nach meiner Freundin. „Was hältst du von Reis und Gemüse?"
„Klingt gut", rief sie zurück.
„Dann ist das entschieden", sagte ich an Mats gewandt und wir gingen zusammen in die Küche.
Dort trafen wir auf Anna. „Hey Mats", begrüßte sie unseren Gast.
„Hey Anna."
„Ich hab schon einige Sachen rausgesucht. Ich würd vorschlagen, einer macht den Reis und die anderen schneiden das Gemüse", kam es von Anna.
„Wie wollen wir uns aufteilen?", fragte Mats.
„Ich würd schneiden", sagte ich, obwohl ich im nächsten Moment darüber nachdachte, ob das blind eine gute Idee war.
„Ich helf Wince, wenn das okay ist. Mats?"
„Macht mal. Ich setz gleich mal Reiswasser an. Aber zuerst muss ich mal noch meine Speicherkarte noch fix leer machen." Mit diesen Worten verließ er die Küche.
„Wofür?", rief ich ihm noch hinterher, aber das ignorierte Mats.
Fünf Minuten später kehrte er aber wieder zurück und ich spürte, dass er neben mir stand.
„Erfolgreich gewesen?", fragte ich, obwohl ich schon ein wenig Angst hatte.
„Ja. Beziehungsweise fast. Solange, wie der Rechner braucht, muss ich halt auf mein Handy zurückgreifen." Ich hörte sein Grinsen.
„Du könntest es auch sein lassen", versuchte ich, obwohl es aussichtslos war.

„Du könntest es auch sein lassen", versuchte ich, obwohl es aussichtslos war

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Annalena

Ich kochte ab und zu schon, aber ein riesen Fan war ich nicht davon. Mit Wincent und Mats machte es allerdings schon Spaß. Dass ein gewisser Herr dabei ganz sicher Aufnahmen machte, versuchte ich zu ignorieren. So hatten wir wenigstens ein Andenken an diesen Abend.
„So, fertig", verkündete Wincent irgendwann. „Mats? Was macht das Wasser?"
Doch es kam keine Reaktion. Offenbar hatte er und wieder alleine gelassen, um nach seinem Rechner zu sehen.
Wincents Stuhl kratzte über den Boden und er stand auf. „Alles muss man hier selber machen."

„Wince! Pack die Pfannen weg!", brüllte Mats durch die Küche

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„Wince! Pack die Pfannen weg!", brüllte Mats durch die Küche.
„Wieso denn? Ich bin Koch", protestierte mein Freund.
„In deinen Träumen vielleicht. Bitte stell die Pfannen zurück."
„Sonst beschwert ihr euch, wenn ich nicht helfe und jetzt darf ich nicht", schmollte Wincent.
„Nimm es mir nicht übel, aber mit der Augenbinde lass ich dich ganz sicher nicht mit den Pfannen spielen."
„Aber schneiden durfte ich doch auch. Ich persönlich find ja das Messer gefährlicher als so ein bisschen Metall."
„Metall auf heißer Platte", fügte Mats hinzu.
„Der Herd ist doch noch nichtmal an."
Mats überging diesen Einwurf von Wincent einfach. „Außerdem war beim Schneiden Anna dabei. Da hatte ich Vertrauen, dass nichts passiert."
„Ach und mir vertraust du nicht?"

Bin ich für sie blind? Where stories live. Discover now