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Annalena

Wincent führte uns ein ganzes Stück und dann verkündete er, dass wir angekommen waren. Wir zogen unsere Schuhe und Socken aus und liefen über den Sand. Es fühlte sich fast ein wenig an, als wären wir am Meer. Nur das Wasser war zu hören, einige Vögel und das fröhliche Bellen von Fritz. Sonst war hier niemand.
„Warte, wir gehen gleich ins Wasser", hörte ich Wincent lachend zu Fritz sagen.
Mein Hund bellte, denn er wollte offenbar jetzt sofort. Wincent lachte wieder.
„Okay, aber du musst dich benehmen."
Ich setzte mich auf eine Bank und genoss die Ruhe, während Wincent und Fritz ins Wasser gingen. Dem Protest meines Freundes zufolge, benahm sich mein Hund nicht, sondern tobte richtig herum. Tja, das hatte sich Wincent jetzt selbst zuzuschreiben. Er hätte sich ja auch einfach umziehen können. Das war ein gutes Stichwort. Bevor die zwei wieder bei mir waren, sollte ich vielleicht Badesachen anziehen. Sonst hatte ich auch noch nasse Klamotten und das musste nicht unbedingt sein.
„Anna! Komm!", rief Wincent mir zu, als ich mich gerade fertig umgezogen hatte.
Ich lief auf das Wasser zu, aber nach wenigen Metern spürte ich schon nasses Fell an meinem Bein. Offenbar wollte Fritz mir helfen, worauf er ja auch trainiert war. Ich achtete genau auf seine Bewegungen und so liefen wir über den Sand. Kurz bevor wir das Wasser erreichten, wurde ich hochgehoben.
„Wincent!", schimpfte ich.
„Das dauert ja sonst ewig", behauptete er und trug mich weiter.
Ich spürte immer mal Wasser an meinem Körper, wenn Fritz neben uns herumsprang. Irgendwann kamen die Spritzer gleichmäßig, was mich darauf schließen ließ, dass Fritz inzwischen schwamm.
„Komm, lass mich runter", bat ich Wincent. „Ich kann auch alleine laufen."
„Na gut", gab er nach und hielt mich aber noch solange fest, bis ich wirklich sicher stand.
Im ersten Moment war das Wasser ziemlich kalt und es reichte mir schon bis zum Bauch. Allerdings hatte ich mich schnell draf gewöhnt, spätestens, als Wincent mich einmal komplett nass spritzte.
„Ey!", protestierte ich.
Er lachte nur und machte weiter.
„Geh du dir mal erstmal Badesachen anziehen, bevor du harmlose andere Menschen ärgerst", sagte ich.
„Okay." Er gab mir kurz einen Kuss. „Fritz, du passt auf dein Frauchen auf. Bin gleich wieder da."
„Wollen wir eine Runde schwimmen?", wandte ich mich an meinen Hund und als er mich anstupste, wertete ich das als Zustimmung.
Wir schwammen los, Fritz immer mit genug Abstand neben mir, dass sein Schwanz mich nicht traf. Das Wasser war herrlich und erinnerte mich daran, wie ich früher mit meinem Vater und Steffi im Meer geschwommen war.

Wincent

Ich sah Anna und Fritz noch ein wenig beim Schwimmen zu, bevor ich zu unseren Sachen ging. Irgendwie fühlte ich mich beobachtet, verwarf den Gedanken direkt wieder. Jetzt wurde ich auch schon paranoid. Ich zog mich schnell um und als ich die Trinkflasche heraus suchte, meldete sich mein Handy. Ich warf kurz einen Blick drauf und sah, dass Mats sich gemeldet hatte.
»Was ist denn mit dir passiert?«
Verwirrt sah ich hoch, aber hier war außer uns niemand. Oder versteckte Mats sich, um mich zu verarschen? Ich widmete mich wieder meinem Telefon, aber nur, um es auszuschalten. Dann trank ich einen Schluck und ging anschließend wieder zu Anna und Fritz ins Wasser. Leider bemerkte er mich ziemlich schnell, sodass ich Anna nicht erschrecken konnte. Wir hielten uns kurz im flacheren Wasser auf, da Fritz ein wenig müde aussah. Er blieb auch wirklich nur noch kurz bei uns und dann trottete er an den Strand zurück und legte sich in den warmen Sand. Irgendwie sah er richtig müde aus und mich beschlich ein seltsames Gefühl. Doch ich wollte Anna nicht verunsichern, ich wusste ja gar nicht viel über Fritz Alter und über Hunde generell. Das Wissen eignete ich mir ja gerade an, aber trotzdem. Ich war noch kein Profi auf dem Gebiet, weswegen ich einfach meine Klappe hielt. Stattdessen schlug ich Anna vor, dass wir ja nochmal eine Runde schwimmen gehen konnten, während Fritz am Strand auf unsere Sachen aufpasste. Sie stimmte zu und so schwammen wir los. Anna hatte erstaunlich viel Armkraft und schwamm fast wie ein Fisch. Es fiel hier einfach am wenigsten auf, dass sie nichts sah. Sie verließ sich einfach auf ihr Gefühl und zum ersten Mal erlebte ich sie wirklich ganz gelöst. Also so wirklich, komplett frei von all ihren Sorgen. Ich prägte es mir ganz genau ein und nahm mir vor, solche Momente immer wieder zu erschaffen. Ich musste nur noch herausfinden, womit das so ging.
Als wir wieder in Richtung Ufer schwammen, bekam ich kurz einen Schreck, denn Fritz lag nicht mehr dort. Ich versuchte ruhig zu bleiben und sah mich um. Da! Das war doch sein Schwanz, der da unter dem Tisch hervorlugte. Doch was machte er da oben? Ich war leicht verwirrt, aber versuchte es zu verbergen. Ich machte mir wahrscheinlich vollkommen zu Unrecht wieder Gedanken. Ich griff nach Annas Hand, als das Wasser zu flach wurde und führte sie bis zum Strand und dann durch den Sand. Fritz schien von irgendwas abgelenkt zu sein, denn er würdigte uns keines Blickes. Als wir näher kamen, erkannte ich, dass Annas Hund Gesellschaft von zwei Personen hatte. Oh je. Hoffentlich ging das gut. Aber Moment mal. Wieso war Fritz so entspannt? Er musste sie kennen. Wir waren fast am Tisch angekommen, als die eine Person den Blick hob und ich in sehr bekannte Augen blickte.
„Alter, Man! Musst du mich so erschrecken?", fragte ich.
„Sorry, aber ich mag es einfach nicht, wenn man mich ignoriert", konterte Mats grinsend.     „Du bist so ein Idiot." Ich schüttelte den Kopf. „Was machst du eigentlich hier?"
„War mit Lara hier am See", erklärte mir mein Fotograf und erst jetzt nahm ich seine Begleitung wahr.
„Hey", sagte sie schüchtern.
„Hallo Lara. Was eine Überraschung."
Ich warf meinem Fotografen einen fragenden Blick zu, während Lara aufstand, um ihre beste Freundin zu begrüßen. Diesen Moment nutzte ich und setzte mich neben Mats auf die Bank.
„Du und Lara?", fragte ich leise.
„Nein", antwortete er sofort. „Wir haben nur ein paar Mal geschrieben und uns das ein oder andere Mal getroffen."
„Also doch."
„Ach, keine Ahnung. Im Moment sind wir nur Freunde."
„Ich freue mich für dich. Auch, wenn sich der Status mal ändern sollte. Aber nur, wenn du mich einweihst." Ich zwinkerte ihm zu.         
„Mach ich", versprach er. „Unter der Bedingung, dass du deine Klappe hältst."
„Versprochen."
„Sag mal, was habt ihr jetzt noch so vor?", hörte ich Anna ihre beste Freundin fragen.
Lara sah fragend zu Mats, aber der zuckte nur mit den Schultern. Wow, die zwei hatten ja voll den Plan.
„Noch nichts", antwortete Lara.
„Habt ihr Lust, mit uns Pizza essen zu kommen?"
„Klar. Klingt gut. Bei Pizza bin ich immer dabei", meinte Lara.
„Ich auch", stimmte Mats zu.
Fritz bellte ebenfalls zustimmend.
„Du bekommst keine Pizza", wandte ich mich an ihn. „Wobei ich vielleicht ein bisschen Kochschinken abgeben kann", raunte ich ihm zu.
„Ich glaub, er nimmt auch Ananas", warf Mats ein.
„Ananas auf Pizza?", kam es von meiner Freundin. „Das schmeckt doch nicht."

Bin ich für sie blind? Where stories live. Discover now