126

93 14 5
                                    

Annalena

„Ich konnte es einfach nicht. Ich wollte nicht, dass etwas zwischen uns anders ist. Keine Ahnung, ob du das verstehst, aber ich will weder sein noch mein Herz brechen. Wenn er es genauso gemerkt hat, dann... keine Ahnung. Ich will mir erst sicher sein und im Moment bin ich einfach nur verwirrt", brach es aus Lara heraus. „Und wenn er es nicht gemerkt hat, ich aber in all seine Nachrichten mehr hinein interpretiere, dann.. ich will nicht noch einmal ein gebrochenes Herz haben, vor allem nicht von Mats. Dann könnten wir uns nie wieder sehen und das geht nicht, wenn du mit seinem Chef zusammen bist."
„Atme mal durch", unterbrach ich sie. „Es ist doch noch gar nichts entschieden. Ihr müsst entweder darüber reden oder erst einmal abwarten, wohin euch das führt."
„Wie war das denn bei Wincent und dir?", fragte sie noch immer ziemlich unsicher.
So langsam machte ich mir Sorgen um sie. Wo war meine taffe beste Freundin geblieben?
Ich erinnerte mich an den ersten Kuss mit Wincent zurück. „Er wurde angerufen, dann war er verschwunden und das nächste Mal gesehen habe ich ihn, als er mich ins Bett getragen hat."
„Was? Wieso?"
Das war dann wohl mein Moment, ihr endlich die Wahrheit aufzutischen. Dabei sollte es heute doch um Lara gehen.
„Lass uns vorher mal etwas zu trinken holen", schlug ich vor.
„Wein oder Bier?"
„Schnaps und Bier fänd ich gut", antwortete ich und einige Minuten kam Lara zurück.
„Bier ist auf dem Tisch und hier hast du einen Shot", sagte sie und drückte mir eine kleine Flasche in die Hand.
Wir kippten uns den Inhalt hinter und machten es uns wieder auf der Couch bequem. Ich suchte noch immer nach den richtigen Worten, doch ich hatte das Gefühl, es gab keine.
„Ich muss dir da etwas erzählen, was ich dir eigentlich schon vor Jahren hätte sagen müssen. Ich wusste nur nicht, wie", sagte ich und wartete auf Laras Reaktion.
Sie blieb erstaunlich gelassen und so sammelte ich noch einmal meinen ganzen Mut zusammen und begann zu erzählen.

Wincent

Nach der fünften Tasse Kaffee verließen Anna, Fritz und ich um halb elf das Büro. Wir waren endlich fertig und das hieß für mich, dass ich vorerst mit dem ganzen Papierkram durch war. Der nächste war dann die Steuererklärung, aber das hatte noch Zeit. Jetzt wollte ich einfach nur noch nach Hause. Ich parkte das Auto einige Straßen weiter und lief den Rest des Weges mit Fritz zu Fuß. So war die Abendrunde auch gleich erledigt und wir konnten gemeinsam essen. Ich wusste, dass Anna fertiges Essen im Tiefkühler hatte und das würde ich mir jetzt schmecken lassen. Leise machten Fritz und ich uns also auf den Weg nach oben. Ich schloss auf und stellte fest, dass meine Freundin noch gar nicht Zuhause war. Mein Handy schien aus zu sein, wie ich aus einem kurzen Blick auf das schwarze Display schloss. Ich hängte es schnell an den Strom und zog dann Schuhe und Jacke aus. In der Küche nahm ich eine Portion Lasagne heraus und stellte sie in die Mikrowelle. Während es auftaute, gab ich Fritz sein Abendbrot und setzte mich dann auf die Couch. Mein Handy war inzwischen wieder zum Leben erwacht und ich checkte die Benachrichtigungen. Allerdings hatte ich noch keine Nachricht von Anna. Nur eine von Mats, was mich stutzig machte. Hatte ich irgendwas vergessen? Wir hatten doch keine Verabredung und alles andere war doch geklärt. Verwirrt sah ich auf das Display und suchte im WhatsApp nach dem Chat mit meinem Fotografen.
»Hey Wince, ähm... ich glaub, ich brauch mal deinen Rat.«
Ich schloss kurz die Augen und sah dann wieder auf mein Display. Die Nachricht war immer noch da und ich kam nicht klar. Seit wann wollte jemand meinen Rat? Ich ahnte, dass es um Lara ging und war noch verwirrter. Ich war noch nie der Experte für Liebesbeziehungen.
»Was ist los?«
Während ich auf eine Antwort von Mats wartete, ging ich nach dem Essen schauen. Allerdings taute das noch vor sich hin und so ging ich wieder ins Wohnzimmer.
»Können wir kurz quatschen?«
»Willst du rumkommen? Anna ist noch bei Lara.«
Mats tippte, dann war er offline. Dann wieder das gleiche. Das Piepen der Mikrowelle riss mich aus der Betrachtung und ich checkte die Temperatur der Lasagne. Aufgetaut war sie, aber zwei Minuten konnte sie noch vertragen. Ich startete die Mikrowelle noch einmal und ging solange nach meinem Telefon schauen.
»Bin in zehn Minuten da, okay?«
»Alles klar. Hast du Hunger?«
»Ne, danke. Aber hast du Bier da?«
Ich checkte kurz den Kühlschrank und schickte Mats noch einen Daumen nach oben.

Annalena

Was für ein Nachmittag und Abend. Es fing damit an, dass ich plötzlich der Beziehungsratgeber schlechthin war und endete damit, dass Lara und ich beide heulend auf ihrer Couch saßen und Schnaps tranken. Sie hatte mir in der Zwischenzeit tatsächlich Mats Nachrichten vorgelesen und wir hatten auch eine Antwort geschrieben. Allerdings war ich mir nicht ganz sicher, ob sie wirklich verständlich war, denn Lara brauchte mindestens fünf Schnaps, bis ich sie davon überzeugen konnte, die Nachricht wirklich abzuschicken.
„Wann hat sich unser Leben bitte so gedreht?", fragte Lara irgendwann.
„Was meinst du? So schnell oder so bunt?"
Sie prustete los. „Ich meinte eher, dass wir hier liegen und besoffen Nachrichten an Stars verschicken."
„Wieso Plural?", wollte ich wissen.
„Hast du Wincent nicht geschrieben?"
„Nö. Wie spät ist es denn?"
„Irgendwas zwischen zwölf und eins, glaub ich."
„Echt?" Ich setzte mich auf und legte mich direkt wieder hin. „Wo ist denn mein Handy überhaupt?"
„Ich glaub, in der Küche."
Ich setzte mich wieder auf, dieses Mal langsamer und das ging ganz gut. Langsam wankte ich in die Küche und tatsächlich fand ich mein Handy dort. Ich ließ den Chat mit Wincent öffnen und schickte ihm eine Sprachnachricht, dass ich noch bei Lara war und wahrscheinlich nicht nach Hause kam. Zumindest nicht alleine. Eventuell erwähnte ich auch, dass ich Lara nicht alleine lassen wollte. Zehn Minuten später klingelte es an der Tür, aber weder meine beste Freundin noch ich wollten aufstehen. Als es wieder klingelte, stand Lara auf und schleppte sich zur Tür. Ich war schon fast am Einschlafen, aber das überraschte Aufatmen ließ mich wieder hochfahren.
„Lara?", fragte ich. „Alles gut?"
„Er... ist... hier", antwortete meine beste Freundin, die scheinbar wieder im Wohnzimmer stand.
„Und er meint jetzt wen?"

Bin ich für sie blind? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt