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Annalena

Ich musste wohl doch eingeschlafen sein, denn das nächste, was ich mitbekam, war Fritz leises Bellen.
„Pssst", sagte Wincent. „Ich bleib hier, keine Sorge. Ich will nur Marco richtig verabschieden."
Ich versuchte, weiterhin ruhig zu atmen, damit Wincent nicht mitbekam, dass ich wach war. Er machte sich eh schon zu viele Gedanken, da sollte er wenigstens einmal Ruhe haben.
Als Wincent wieder ins Bett zurückkam, zog er mich vorsichtig in seine Arme. Ich genoss es sehr, denn dort fühlte ich mich sofort geborgen.
Die restliche Nacht war sehr ruhig, aber dafür wachte ich morgens alleine im Bett auf.
Hatte ich das alles nur geträumt? Nein, das war real. Meine Panik, Wincents Besuch, die Nähe, das Kuscheln. All das war real.
Leider genauso real wie Marthas Anwesenheit. So langsam ging sie mir ziemlich auf den Wecker mit ihrem Aufmerksamkeitsdefizit.
Doch ich konnte es nicht ändern. Also stand ich schweren Herzens auf und tapste ins Badezimmer, wobei ich fast über Fritz gestolpert wäre, der mitten im Weg lag.
Na, der Tag fing ja super an.
Es konnte nur noch schlimmer kommen heute. Denn als ob ich mit Martha und der ganzen Situation nicht schon genug zu kämpfen hätte, bekam ich ausgerechnet noch meine Tage. Das war ja wohl ein ganz mieser Scherz.
Ich machte mich schnell für den Tag fertig. Außer nachher mit Wincent im Auto sitzen würde ich definitiv nichts mehr machen. Am meisten Angst hatte ich vor dem Alleine sein. Wenn es hier in Hamburg schon nicht ging, wie sollte es in Berlin klappen?

Wincent

Mit einem Tablett beladen, machte ich mich wieder auf den Weg nach oben. Ich hoffte, dass Anna entweder noch nicht wach oder aber ruhig war. Auf keinen Fall wollte ich so früh am Tag Panik auslösen, nur weil ich sie mit Frühstück überraschen wollte.
Ich öffnete leise die Tür zum Zimmer und sah, dass Anna schon wach sein musste. Zumindest war das Bett leer. Ich stellte das Tablett vorsichtig ab und bereitete das Bett so vor, dass es bequem war. Die Kissen standen nun aufrecht am Kopfendes und die Decken lagen zusammengelegt und griffbereit am jeweils äußeren Rand des Bettes.
„Guten Morgen", sagte ich, als Anna aus dem Bad kamy
„Ah, guten Morgen", erwiderte sie.
„Frühstück?"
„Oh ja." Anna klang richtig begeistert.
„Alles okay bei dir?"
„Ja. Im Moment schon, antwortete Anna.
Mich freute es wirklich, dass es noch genügend gute Phasen gab. Und heute sollte einfach ein schöner Tag werden.
„Komm, wir machen es uns bequem", schlug ich vor und klopfe ans Kopfende.
Anna kletterte aufs Bett und als sie saß, stellte ich das Tablett vorsichtig ab. Dann machte ich es mir neben ihr bequem. So konnte jeder Morgen anfangen. Einfach ganz in Ruhe und Zweisamkeit. Ohne Zeitdruck und Termine.
„So, was willst du essen?", fragte ich Anna und erzählte ihr, was ich alles mitgebracht hatte.
„Wer soll das denn alles essen?", fragte sie.
„Na, wir beide. Ich wusste halt nicht, was du essen willst."
„Also hast du von allem etwas mitgebracht."
„Ja."
„Du bist absolut verrückt", kommentierte Anna und nahm sich einfach etwas vom Tablett.
Auch ich griff zu, aber erst nachdem ich mich vergewissert hatte, dass es Anna wirklich besser ging. Zumindest aß sie wieder, was Erleichterung in mir auslöste. Zumindest für heute gab es also ein Problem weniger.
Während des Essens schaltete ich leise Musik ein, aber sonst herrschte Stille zwischen uns. Doch es war absolut angenehm. Manchmal brauchte man gar keinen Smalltalk oder keine tiefgründigen Gespräche. Anna schien ein wenig in Gedanken zu sein und ich ließ sie einfach in Ruhe.
Irgendwann jedoch fiel mir wieder ein, wie viel entspannter sie gestern Abend beim Essen war. Deshalb nahm ich mir etwas Obst, schnitt es in kleine Stücke und begann, Anna zu füttern. Zum Glück entspannte sie sich wirklich langsam und es herrschte eine ähnliche Stimmung wie gestern.
Ich genoss es, mit Anna ein wenig rumzualbern. Ich musste zugeben, ich war manchmal noch ein ganz schöner Kindskopf, aber Anna zog einfach mit. Sie machte es mir leicht, einfach so zu sein, wie ich wirklich war.
„Warte. Du bekommst gleich noch ein Stück Banane. Ich hab eine Idee", sagte ich und nahm die Schokolade vom Tablett.
Dann verteilte ich mit einem Messer die dunkle Creme über dem Obst, bevor ich es Anna gab.
„Mhm, lecker", erwiderte sie, nachdem sie aufgegessen hatte.
„Noch mehr?"
„Ja."
Ich verzierte mir schnell ein Stück Obst mit Schokolade und aß es auf, bevor ich für Anna ein neues Stück vorbereitete.
„Warte mal kurz", sagte Anna nach einer Weile und ich blieb automatisch genau so sitzen.
„Was...?"
Sie beugte sich vor und als nächstes spürte ich ihre sanften Lippen auf meinen. Obwohl die Berührung ganz zaghaft war, spielten meine Hormone verrückt. Das Gefühl war einfach nur unglaublich und Stromstöße flossen durch meinen ganzen Körper. Ganz automatisch vertiefte ich den Kuss und wünschte mir, dass der Moment niemals endet.
„Womit hab ich das verdient?", fragte ich, nachdem Anna dann doch vorsichtig den Kuss beendet hatte.
„Da war Schokolade."
„Kannst du doch gar nicht sehen."
„Muss ich auch nicht. Ich wusste es." Sie hielt grinsend ihren rechten Daumen hoch, an dem tatsächlich noch Reste von Schokolade klebten.
Ohne groß darüber nachzudenken, nahm ich ihren Daumen und leckte die verbliebene Schokolade ab. Anna lachte.
„Bekomme ich jetzt nochmal einen richtigen Kuss?", fragte ich.
„Wofür?"
Ich antwortete gar nicht, sondern küsste Anna einfach.
„Ey!", protestierte Anna nach dem Kuss, aber sie klang nicht wirklich böse.
„Okay, lass mich überlegen...", sagte ich und machte dann eine bedeutungsvolle Pause. Über eine ernsthafte Antwort dachte ich natürlich nicht nach. Ich empfand es noch als zu früh, ihr meine wahren und tiefen Gefühle zu verraten. Damit würde ich sie nämlich ganz sicher überfordern. „Also, ich habe Frühstück gemacht..."
„Mhm..."
„Und den Müll rausgebracht." Gut, das hätte auch die Putzfrau machen können, aber ich wollte ja eh nach unten und raus.
Anna wirkte noch immer noch nicht ganz überzeugt.
„Mit Fritz war ich auch draußen..."
„Okay, okay", unterbrach mich Anna. „Bevor du mir noch erzählst, dass du Zähne geputzt, geduscht und neue Klamotten angezogen hast, bekommst du deinen Kuss."
„Geht doch", erwiderte ich grinsend und küsste Anna ganz sanft.
Zumindest solange, bis uns mal wieder mein Handy unterbrach.
„Ich schalte das ab sofort aus, wenn wir zusammen sind", brummelte ich und tastete nach meinem Telefon.

Bin ich für sie blind? Where stories live. Discover now