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Wincent

Das Abendessen mit Fabi war ziemlich entspannt, obwohl Fritz anfangs ein wenig skeptisch war. Doch schnell hatte er raus, dass Fabi zu uns gehörte und so legte er sich schlafen und ließ den Süßboi in Ruhe. Der jedoch bombardierte mich in der Küche erst einmal mit Fragen, während Mats und Anna im Wohnzimmer waren.
„Wie konntest du das denn geheim halten?"
„Hab ich nicht. Mats wusste die ganze Zeit Bescheid", antwortete ich.
„Man, man, man. Da sehen wir uns einmal nicht und schon kommst du mit weiblicher Verstärkung. Aber du wirkst ziemlich happy."
„Bin ich auch."
„Glückwunsch, Wince. Wirklich. Du hast das verdient."
„Danke."
Damit war alles geklärt und ich deckte den Tisch, während er das Essen finalisierte. Anschließend ließen wir uns die Lasagne schmecken, die Fabi gezaubert hatte. Nach dem Essen gab es für jeden noch ein Jever und dann verabschiedeten sich unsere Gäste recht schnell. Anna und ich drehten noch eine Runde mit Fritz, dann bekam er Abendessen und danach fielen wir einfach nur noch ins Bett. Immerhin musste Anna morgen ja leider wieder nach Berlin zurück. Allerdings beruhigte es mich, dass Mats mit ihr fuhr. Und auch Fabi wollte sich anschließen, da er eh demnächst dort zum Songwriting war.
So genoss ich die vorerst letzte Nacht mit Anna in meinem Arm nochmal ganz besonders. Sie schien auch ziemlich kuschelbedürftig zu sein, was mich aber absolut nicht störte.
Am nächsten Morgen wachte ich vor Anna auf und beobachtete sie eine Weile. Meine Freundin war einfach so schön. Und noch immer konnte ich nicht glauben, dass sie zu mir gehörte. Womit hatte ich sie eigentlich verdient? Die Hälfte der Frauen, die ich bisher kennengelernt hatte, wäre schon weggelaufen. Spätestens nach den Gerüchten bei meinen Fans. Aber Anna war immer noch hier, bei mir.
Ich ließ sie noch ein wenig schlafen, aber wenn wir noch genug Zeit haben wollten, musste sie langsam aufstehen. Also weckte ich sie schweren Herzens und nach einer ausgiebigen Kuschelrunde, machte ich uns Frühstück. Danach gab es für mich die letzte Gassirunde mit Fritz uns Anna und stellte fest, dass mir das ganz schön fehlen würde. Ich brauchte doch einen Hund. Am besten so einen Kleinen wie Bailey oder Nelly.
Doch meine Pläne musste ich leider auf später verschieben, denn wir mussten pünktlich bei Mats sein. Also suchte Anna ihre Sachen zusammen, während ich Fritz nochmal mit Streicheleinheiten verwöhnte.
Ich brauchte wirklich einen Hund.
„Meinetwegen können wir", verkündete Anna.
„Okay. Dann mal los."
Wir zogen uns an und gingen nach unten. Ich könnte mich fast daran gewöhnen, mit Anna und Fritz Auto zu fahren. Doch das war erst einmal vorbei und ich vermisste es jetzt schon. Wir sammelten noch schnell Mats ein und dann ging es auf direktem Weg zum Bahnhof.
Als ich parkte, überkam mich ein ungutes Gefühl und bei einem Seitenblick zu Anna sah ich, dass es ihr ähnlich ging. Ich musste zugeben, dass ich diesen Part an Beziehungen am meisten hasste. Dieses ständige Abschied nehmen, ohne zu wissen, wann man sich das nächste Mal live treffen konnte.
Mats hatte uns einen kurzen Moment gegeben und war schon ausgestiegen.
„Anna? Meinst du, du kannst nochmal einen Tag frei bekommen und mich zu einem Konzert begleiten?", stellte ich die Frage, die mir seit gestern nicht aus dem Kopf ging.
Ich wollte wissen, wann wir uns sehen konnten.
„Wann sind die denn?"
„Kann ich die schicken. Aber Kassel hab ich mir gemerkt und das ist an einem Samstag." Hoffnungsvoll sah ich sie an.
„Das könnte passen. Sag mir einfach das Datum und dann schauen wir."
„Mach ich. Da fällt mir ein, ich wollte ja unsere Kalender synchronisieren. Darf ich?"
Anna gab mir ihr Handy und ich stellte das schnell ein. Wie es ging, hatte ich mir heute Morgen schon auf YouTube angesehen.
„So, jetzt bist du immer informiert", sagte ich und gab meiner Freundin ihr Handy zurück.
Wir stiegen aus, denn Mats hatte mir mit einer Geste zu verstehen gegeben, dass sie langsam los mussten.
„Danke." Sie steckte es weg und ich zog sie in meine Arme.
„Ich will dich nicht loslassen", flüsterte ich in ihr Haar.
„Ich will auch nicht gehen."

Annalena

Der Abschied von Wincent fiel mir heute besonders schwer. Doch wir hatten keine andere Wahl. Der Alltag sah nun einmal leider so aus, dass wir an verschiedenen Orten waren.
Mats begleitete mich, wie schon auf dem Hinweg, und machte seinen Job mal wieder sehr gut. Mit ihm unterwegs zu sein, ließ mich entspannt aufatmen. Auf dem Weg zum Gleis stieß auch Fabi zu uns, den ich gestern Abend schon kurz kennengelernt hatte. Er schien auch ganz cool zu sein und genau wie Mats, brachte er meine Blindheit nicht zur Sprache. Es wurde einfach angenommen und sowohl Mats als auch Fabi hatten einen Blick für alles, was vor sich ging. Es fühlte sich ein wenig an, als hätte ich plötzlich zwei Bodyguards.
Als wir endlich unsere Plätze gefunden hatten, atmete ich tief durch. Die ganzen Eindrücke auf dem Bahnhof wurden auf Dauer echt anstrengend.
„Alles gut, Anna?", hakte Mats direkt nach.
Jetzt färbte das schon von Wincent ab.
„Ja. Alles in Ordnung."
„Wir haben jetzt wieder einige Stunden Zeit. Wenn du müde bist, ruh dich gerne aus. Wir wecken dich schon rechtzeitig."
„Danke. Gerade geht es."
„Okay."
Ich hörte Mats auf seiner Tastatur tippeln. Was Fabi tat, wusste ich nicht, aber wahrscheinlich hörte er Musik. Zumindest erinnerte ich mich, dass er kurzzeitig seine Kopfhörer gesucht hatte.
Ich nutzte die Gelegenheit, um die letzte Woche Revue passieren zu lassen. Irgendwie war ich ja nie alleine und das hab ich total genossen. Umso mehr Angst bekam ich nun davor, wieder alleine mit Fritz in meiner Wohnung zu sein.
Eine Nachricht von Wincent riss mich aus den Gedanken.
„Hey, alles gut bei euch?" Irgendwie klang seine Stimme ein wenig traurig und das konnte ich absolut nachvollziehen.
„Hier ist alles klar. Meine beiden Bodyguards machen einen guten Job."
„Richtig so. Du bist einfach das wertvollste, was ich zurzeit habe. Und mit keinem Geld der Welt zu bezahlen."
Mir stiegen automatisch Tränen in die Augen. Wie konnte der Mann nur so süß sein? Und warum brachten mich wenige Worte so sehr an den emotionalen Abgrund?

Bin ich für sie blind? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt