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Annalena

Wer wollte unbedingt mit uns reden? Und wieso wusste nur Mats davon?
Diese Fragen beschäftigten mich während des Frühstücks und ich war schon am frühen Morgen überfordert.
„Anna?" Wincents Stimme riss mich aus den kreisenden Gedanken.
„Ja?"
„Willst du noch etwas von der Pizza?"
„Nein, danke", erwiderte ich. Die drei Stücken, die ich mir Wincent zuliebe reingequält hatte, waren mehr als genug.
Ich hörte dem Gespräch von Mats und Wincent nur so halb zu. Doch das schien den beiden glücklicherweise nicht aufzufallen.
Das Klingeln eines Handys unterbrach die Situation.
„Oh, sorry", sagte Mats. „Ich glaube, das ist der besagte Anruf. Bereit?"
„Ja", sagte Wincent und ich nickte nur.
„Hallo", sagte Mats und ich ging davon aus, dass er den Anruf angenommen hatte.
„Hey."
Die Stimme erkannte ich sofort.
„Lara." Wincent klang genauso überracht, wie ich mich fühlte.
„Entschuldigt die Störung, aber ich habe neue Infos, die für euch vielleicht wichtig sind", meinte Lara.
„Schieß los", erwiderte Wincent.
Ich hingegen hatte ein wenig Angst. Was wusste Lara? Und wieso rief sie dafür extra an?
„Anna? Alles okay?", fragte Lara mich besorgt.
Sie war eben noch immer meine beste Freundin.
„Ja", antwortete ich.
Wincent griff dennoch nach meiner Hand und dafür war ich nicht ganz undankbar.
„Also. Erst eimal tut mir dieser ganze Trubel rund um Anna ziemlich leid. Ich brauchte jetzt einige Zeit, um alles in einen Zusammenhang zu bringen. Allerdings kenne ich seit gestern Abend die ganze Story."
Ich schluckte schwer, denn ich war mir nicht sicher, ob ich das wissen wollte. Offenbar war es nicht Lara, was schonmal für Erleichterung sorgte. Das hätte ich ihr bei bestem Willen auch nicht wirklich zugetraut. Es sprach nur leider alles gegen sie.
„Kommt, wir setzen uns mal aufs Sofa dafür", sagte Mats leise und ich hörte Stühle über den Boden rutscht.
Wincent ließ meine Hand allerdings nur kurz los und zog mich dann nach oben. Ich ließ mich von ihm zum Sofa führen. Dort kuschelte ich mich ein wenig an meinen Freund. Seine Nähe war gerade das einzige, was mich beruhigte.
„Ich sag es nur ungern, aber ich weiß, wer die ganzen Infos gestreut hat. Und leider bin ich nicht ganz unschuldig dran. Allerdings hätte ich niemals so weit gedacht." Lara klang wirklich niedergeschlagen.
„Du kannst aber nur bedingt etwas dafür", versuchte Mats meine beste Freundin aufzumuntern.
Was hatte ich verpasst? Und wenn er etwas wusste, warum hielt er bisher die Klappe?
„Anna, du kennst doch bestimmt noch Carla, oder?", fragte Lara mich.
„Ja. Die ist doch auch Fan, oder?", fiel mir nach ein wenig Überlegen ein.
„Genau. Das dachte ich zumindest. Aber ich dachte ja auch, wir wäre befreundet. Allerdings kannte ich bisher nur ihre liebe Seite." Lara machte eine Pause. „Insgeheim war sie wohl die ganze Zeit schon eifersüchtig darauf, dass wir so ein enges Verhältnis haben."
„Aber wir kennen uns doch auch schon länger", warf ich verwirrt ein.
„Das schien Carla aber nicht zu interessieren. Sie hatte das Gefühl, dass du mich ihr wegnimmst. Als ob ich irgendjemandem gehören würde." Lara schnaubte verächtlich.
„Und deshalb...", setzte Wincent an.
„Vermutlich auch. Sie scheint mitbekommen zu haben, wie ich Anna eine Nachricht schickte, als sie in Hamburg war. Zu der Zeit hat Anna wenig geschrieben, weswegen ich mir natürlich Sorgen gemacht habe."
„Sorry", murmelte ich.
„Das haben wir doch schon geklärt. Alles gut."
„Aber wie...?", fragte ich verwirrt.
„Carla dachte offenbar, dass wir Streit hätten und sah ihre Chance gekommen. Sie wollte, dass sie meine beste Freundin war. Auf jeden Fall muss sie dann an meinem Handy gewesen sein, denn die Nachricht hatte ich abgeschickt."
„Aber ich hab sie nicht bekommen", erwiderte ich.
„Korrekt. Weil Carla sie gelöscht haben muss. Normalerweise steht dann da, dass die Nachricht gelöscht wurde, aber das hilft dir ja nicht."
„Wieso macht man so etwas?", sprach Mats aus, was mir auch gerade durch den Kopf ging.
„Keine Ahnung. Auf jeden Fall hat sie zugegeben, dass sie an meinem Handy war. Sie war scheinbar wütend, dass ich ihr auf die Schliche gekommen war und das nicht gut hieß. Auf jeden Fall haben sie irgendwie rausgefunden, dass Wincent wieder in Berlin ist."
Mir fiel etwas ein. „Die Mädels im Park..."
„Carla und irgendeine Freundin."
„Und wieso haben sie das erst zwei Tage später gepostet?", wollte Wincent wissen.
„Weil Carla wusste, dass ich wieder Kontakt zu Anna habe", erklärte Lara.
„Sie wollte, dass Anna dich verdächtigt", vermutete Mats.
„Was ja leider funktioniert hat", warf ich traurig ein. „Ich hätte dir vertrauen sollen."
„Nicht so schlimm", beruhigte mich Lara. „Mats liest ja zum Glück zuverlässig seine Nachrichten auf Instagram."
„Ein Hoch auf Mats", kommentierte Wincent.
„Ohne den wären wir ziemlich aufgeschmissen", stimmte ich ihm zu.
„Das stimmt", erwiderte Wincent.
„Hört doch mal auf jetzt", kam es von Mats und wir mussten alle lachen. Offenbar mochte er keine Komplimente.
„Eine Frage hab ich aber noch", meinte Wincent, nachdem wir uns alle wieder beruhigt hatten.
„Welche?", wollte Lara wissen.
„Woher wusste diese Carla, dass Anna hier ist?"
„Die Frage habe ich mir auch gestellt. Zumal ich auf Carlas Frage, wo Anna ist, nur geantwortet habe, dass sie Urlaub hat."
„Und was ist die Lösung des Rätsels?", hakte Mats nach.
„Deine Instagram-Story", antwortete Lara. „Ich hab lange gebraucht, um es zu checken."
„Was war denn damit?", wollte Mats wissen. Ich hab doch nur ein Selfie aus dem Zug gepostet und dann ein Video vom Dreh mit Wincent."
„Korrekt. Und im Zugfenster sieht man die Spiegelung von Annas Brille auf dem Tisch. Und leider auch ihre unverkennbare Tasche mit Fritz Leckerlis", erzählte Lara.
„Spiegelung im Zugfenster? Da achtet doch kein Mensch drauf", kam es von Wincent.
„Stimmt. Fakt ist aber, dass Carla darauf geachtet hat. So, jetzt seid ihr auf dem aktuellen Stand."
„Danke, Lara", sagte ich.
Das war nämlich absolut nicht selbstverständlich, nachdem ich ihr diese Nachricht geschickt und dann mein Handy ausgeschaltet hatte.
„Du wirkst irgendwie nicht glücklich, Lara. Was ist los?", fragte Mats.
„Ich weiß nicht. Einerseits bin ich froh, dass klar ist, wer hinter den Gerüchten steckte. Und andererseits wünsche ich mir, ich hätte niemals die Nachricht an Anna geschickt."
„Du konntest doch nicht wissen, was danach passierte", beruhigte Wincent sie. „Dich trifft absolut keine Schuld."

Bin ich für sie blind? Where stories live. Discover now