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Wincent

Auf dem Weg in den Flur wurde ich von Fritz verfolgt, aber wahrscheinlich war er einfach nur neugierig. Ich sah kurz auf meine Uhr und war umso verwirrter, wer denn etwas von uns wollte.
„Fritz, du bleibst sitzen", wies ich den Hund an, bevor ich die Tür öffnete.
Ich konnte meine Überraschung nicht verbergen, als ich die Person erkannte, die durchnässt vor der Tür stand.
„Was ist denn mit dir passiert? Hast du dich verlaufen?", fragte ich.
„Ne. Aber mich wundert, dass du es hierher geschafft hast", konterte er direkt.
„Wieso?"
„Darf ich erstmal reinkommen?"
„Klar." Ich trat einen Schritt zur Seite. „Brauchst du eine heiße Dusche, trockene Sachen und einen Tee?", fragte ich ihn, während er sich aus seiner tropfenden Jacke quälte.
„Sehr gerne."
„Okay." Ich erklärte ihm, wo er das Bad fand und wo dort noch saubere Handtücher lagen.
Während er in diese Richtung verschwand, ging ich zu Anna ins Wohnzimmer.
„Und?", wollte sie auch direkt wissen.
„Es ist Fabi", erklärte ich. „Scheinbar regnet es inzwischen, der ist komplett durchnässt."
„Oh. Was macht er hier?"
„Das klären wir gleich. Erst einmal wollte ich wissen, ob du vielleicht Klamotten entbehren kannst. So wie ich ihn kenne, bekommst du die dann gewaschen zurück. In meine Sachen passt er eher weniger rein und bis seine trocken sind..."
„Ist okay. Ich klau sonst einfach bei dir", erwiderte sie grinsend.
„Tust du doch sowieso."
„Ab und zu vielleicht."
Grinsend lief ich ins Schlafzimmer, suchte aus Annas Klamotten ein Shirt, Socken und eine Hose heraus und brachte sie ins Badezimmer.
„Danke", sagte Fabi und nahm alles entgegen.
„Nicht dafür. Wenn du fertig bist, einfach hier raus und dann geradezu. Da ist das Wohnzimmer, ich stell dir den Tee dort hin und wir sind auch da."
„Alles klar."
Er schloss sich im Badezimmer ein und ich ging ihm schnell einen Tee kochen. Mit der Tasse lief ich vorsichtig ins Wohnzimmer zurück.
„Achtung Schatz, auf dem Tisch steht eine Tasse mit heißem Tee für Fabi", sagte ich, bevor ich mich wieder neben meine Freundin auf die Couch kuschelte.
Ich startete den Film wieder und sah zu, wie Fritz sich auf meine Füße legte. Anna hatte ihre auf dem Sofa, sonst läge er da wahrscheinlich auch drauf. Als Fabi ins Wohnzimmer kam, sah Fritz hoch und knurrte leise.
„Psst, der darf hier sein", sagte ich. „Benimm dich."
Fabi setzte sich vorsichtig neben mich auf die Couch, was Fritz nicht wirklich gut fand. Ich sah ihn streng an und betonte noch einmal, dass Fabi hier sein durfte.
„Dabei dürfte ich nicht mal Katzenhaare irgendwo haben", meinte Fabi.
„Er mag generell keine Männer", erklärte ich. „Also nimm es nicht persönlich."
„Ehrlich? Aber dich scheint er zu mögen."
„Tut er auch."
„Ich verstehe es auch nicht", warf Anna ein.
„Ey!", protestierte ich.
Anna und Fabi fingen gleichzeitig an zu lachen. Schön, dass die zwei sich gut verstanden.
Fritz sah mich verwirrt von unten an und ich streichelte ihm über den Kopf.
„Keine Sorge, die bekommen sich gleich wieder ein. Die ärgern nur ein bisschen deinen Papa", erklärte ich ihm.
Er bellte kurz auf, was dafür sorgte, dass Anna und Fabi noch mehr lachen mussten. Gerade als ich dachte, sie hätten sich wieder beruhigt, kam die nächste Spitze.
„Wenn du der Papa bist, ist mein Vater dann Opa?", wollte meine Freundin von mir wissen.
Fabi fing schon wieder an zu lachen, während ich nach einer passenden Antwort suchte. Leider fand ich keine.
„Lass ihn das bloß nicht hören", lachte Anna.
„Wie gut, dass dein Vater mich mag", murmelte ich.
„Danach dann nicht mehr", warf Fabi immer noch lachend ein.
„Ich gehe davon aus, dass Anna ihren Humor von ihm geerbt hat, also mache ich mir da wenig Gedanken", verteidigte ich mich direkt.

Annalena

Ich musste sagen, Fabi war mir jetzt schon sehr sympathisch. Gut, er hatte meine Sachen an, aber auch sonst so. Allein, dass ich mit ihn nach gerade mal einer Minute schon so Spaß haben konnte, wenn auch auf Wincents Kosten, war richtig gut.
„Anna, liegt er richtig?", wollte Fabi wissen.
„Sehr wahrscheinlich", gab ich zu. „Ich würde es trotzdem nicht ausprobieren wollen."
„Ich würde die Reaktion gerne sehen", warf Fabi ein. „Stellt euch doch mal vor, da steht Wincent vor Annas Vater und erklärt Fritz, dass er Opa begrüßen soll."
„Okay, okay. Themenwechsel", sagte Wincent sofort.
„Schade", erwiderten Fabi und ich gleichzeitig.
„Ihr könnt ja heute Nachmittag auf der Wanderung weiter lästern, wenn ihr unbedingt wollt", erwiderte Wincent.
„Fabi, willst du denn mitkommen?", wandte ich mich an unseren Gast.
„Wenn ihr mich mitnehmt, gerne."
„Natürlich darfst du mit", sagte Wincent. „Aber vorher mal kurz noch. Was machst du eigentlich hier?"
„Bin auf Besuch bei meiner Familie", erklärte Fabi.
„Und woher weißt du, dass wir hier sind?", wollte ich neugierig wissen.
„Das ist eine etwas kompliziertere Geschichte", antwortete er und irgendwie löste der Tonfall ein ungutes Gefühl in mir aus.
Ich setzte mich aufrechter hin und Wincent griff nach meiner Hand. Scheinbar war ihm die Situation auch nicht ganz geheuer. Wieso tauchte Fabi hier auf? Wincent hatte doch gar nichts gepostet. Ja, es wussten einige Leute Bescheid, aber warum störte uns jemand im Urlaub?
„Fabi? Stimmt etwas nicht?", hakte Wincent nach.
„Na ja", begann dieser.
„Zwerg, jetzt spuck schon aus." Mein Freund wurde langsam ungeduldig.
„Ihr ward gestern in einem Konzert, oder? Mit verbundenen Augen", sagte Fabi und ich bekam sofort eine Gänsehaut.
„Woher...?", setzte ich an, aber brach sofort wieder ab.
„Bitte nicht", murmelte Wincent neben mir.
„Was?", fragte ich, denn nun verstand ich absolut nichts mehr.
„Sorry", sagte Fabi. „Wir dachten, ihr solltet das vorher erfahren und leider ging niemand von euch ans Handy."
„Die sind im Flugmodus", erklärte Wincent.
„Euer Glück, würde ich mal sagen."
„Wieso?", hakte ich nach.
„Wie schlimm ist es?", wollte mein Freund von Fabi wissen.
Fabi schwieg kurz. „Willst du das wirklich sehen?"
„Bitte. Ich... ich muss es wissen."
„Wince, wir können sowieso nichts tun. Es wäre bescheuert, wenn du dich dazu äußerst, weil sich die Lage dann nicht unbedingt beruhigt. Und sobald du aus Versehen auf eine dieser Storys kommst, wo das geteilt wird, dann nimmt das Ausmaße an, die wir nicht haben wollen."
Ich verstand gar nicht von dem, worüber die beiden sprachen. Also ich ging davon aus, dass es irgendwie um Wincents Fans ging, aber mehr wusste ich nicht.
„Zeig es mir bitte einfach, Fabi. Ich meine, ich bin ganz privat im Urlaub, von dem niemand wusste. Ich muss das sehen." Wincent nahm die ganze Sache ziemlich mit, das merkte ich.
Allerdings konnte ich ihm absolut nicht helfen. Ich kannte mich absolut nicht damit aus und das letzte Mal war Wincent selbst viel ruhiger.
„Okay. Scroll einfach durch die Fotos hier", hörte ich Fabi sagen.
„Was ist da?", wollte ich von Wincent wissen, der sich sofort angespannt hatte.
Ich hatte ziemlich mit Übelkeit zu kämpfen, aber ich konnte und wollte Wincent nicht damit alleine lassen. Egal, worum es ging, es betraf ganz sicher irgendwie uns beide.
„Bitte sag es mir."
Er atmete hörbar tief durch. Dann drückte er meine Hand etwas fester und räusperte sich. Allerdings brach er direkt wieder ab, was mein ungutes Gefühl nur noch verstärkte.
„Fabi?", fragte er.
„Ja?"
„Kannst du...?"

Bin ich für sie blind? Waar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu