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Annalena

Der Restaurantbesuch war eine gewisse Herausforderung. Fritz konnte das mit dem Vorbild sein eigentlich ganz gut. Lou hingegen wollte lieber ihr eigenes Ding machen. Allerdings hatte ich mit meinem Vater und Wincent zwei Männer, die auf meinen kleinen Hund aufpassten. Einmal wurde nach Jever gefragt und da war Fritz dann nicht mehr vorbildlich. Lou hingegen war in diesem Moment ein kleiner Engel. Dafür schien sie auf das Wort ‚Kaffee' allergisch zu reagieren, was es nicht unbedingt leichter machte. Warum hatten alle meine Hunde einen Knall?
„Sag mal, hast du ihr das beigebracht?", fragte ich Wincent, als Lou mal wieder zu bellen anfing.
„Ne. Das Wort fiel nie, wenn ich mit ihr unterwegs war", antwortete er. „Aber vielleicht kann man das noch abtrainieren."
„Hat bei Fritz nicht geklappt", gab ich zu.
„Na ja, dann werden wir uns wohl eine Alternative überlegen, damit das magische Wort nicht genannt wird."
Nachdem wir das Essen irgendwie überstanden hatten, gingen wir weiter durch den Wald. Wincent verriet, dass es dort eine Hundewiese gab, wo sich Lou einmal austoben konnte. Und für Training mit anderen Hunden war es auch gut. Fritz lief inzwischen ganz ruhig zwischen Wincent und mir. Er wusste noch immer ganz genau, was sein Job war, obwohl Lou dabei war. Sie war immerhin noch am Anfang des Trainings. Vor allem aber war Lou verspielt ohne Ende. Kaum hatte ich auf dem eingezäunten Platz die Leine gelöst, rannte sie los und kam dann Sekunden später zurück. Sie sprang um uns herum und am liebsten zwischen uns durch.
„Lou!", rief Wincent. „Sitz!"

Wincent

Sie sah mich vorwurfsvoll von unten an, aber schließlich gehorchte sie. Sogar Fritz, der noch immer nicht viel von Annas Seite gewichen war, setzte sich hin.
„So ist gut", lobte ich beide.
Dann holte ich einen Ball aus der Tasche, woraufhin Lou sofort aufsprang. Doch ein klares Handzeichen von mir sorgte dafür, dass sie sich wieder hinsetzte. Wenn auch nicht ohne Brummeln. Sie wollte nicht nach meinen Regeln spielen. Ich warf den Ball und ich hatte das „Hol" gerade so ausgesprochen, da sprintete sie schon los. Wir wiederholten das ganze Spiel eine Weile, wobei ich irgendwann Anna die Befehle und das Werfen überließ. Immerhin war Lou ja nicht mein Hund. Ich verriet Anna lediglich, wenn die Kleine versuchte, sie an der Nase herumzuführen. Nach fast zwei Stunden wurde Lou langsam müde und wir machten uns auf den Rückweg. Fritz hatte schon die letzte halbe Stunde vor der Bank gelegen, auf der Tim und Steffi saßen und zusahen. Ab und zu warf mir Annas Vater noch Tipps zu, immerhin hatte er ja Fritz erzogen, weshalb ich alle dankbar annahm.
„Was machen wir jetzt eigentlich mit Lou?", fragte Anna auf dem Rückweg.
„Wieso?", hakte ich nach.
„Na ja, meine Wohnung ist nicht welpensicher. Da muss noch ein bisschen was gemacht werden."
Daran hatte ich ehrlicherweise nicht gedacht, aber natürlich hatte Anna Recht.
„Ich könnte Amelie fragen", schlug ich vor. „Dann könnte Lou solange bei ihr bleiben."
Anna schien nicht ganz so überzeugt zu sein.
„Ich hatte neulich erst Besuch von meiner Schwester. Aktuell ist die Wohnung kleinkindsicher. Reicht für den kleinen Wirbelwind bestimmt", sagte Steffi.
„Würdest du denn drei Tage auf sie aufpassen?", fragte Anna.
„Natürlich. Macht das ganz in Ruhe und dann kommt ihr einfach nach Hamburg und holt die kleine Maus ab. Solange kommen wir schon zurecht."
Anna umarmte Steffi und wenn man die beiden ansah, war Steffi definitiv Annas Mutter. Wenn auch nicht biologisch, so doch aber ganz eindeutig von Herzen.
„Was sagst du denn zu unseren drei wunderbaren Frauen?", fragte Tim mich.
„Wir sind Glückspilze", antwortete ich.
„Auf jeden Fall", stimmte er zu. „Ich bin sehr froh, dass du an Annas Seite bist. Nicht nur wegen dem leicht verrückten vierbeinigen Geschenk."
„Das war mehr als nötig. Anna war mindestens genauso verrückt bei meinem Geschenk", erwiderte ich.
„Ja?"
„Sie hat meinen Song auf dem Klavier gelernt und dazu gesungen", verriet ich ihm.
„Was?" Tim sah mich baff an.
„Ja, so hab ich auch geschaut. Gäbe es kein Beweisvideo, würde ich es bis heute nicht glauben."
„Du musst mir das Video schicken", sagte Tim sofort.
„Natürlich. Wir können das aber auch gerne gemeinsam anschauen, wenn wir Lou abholen", schlug ich vor.
„Das ist auch eine gute Idee. Dann schick das mal und wir heben es uns auf."

Annalena

Der Abschied von Lou fiel mir sehr schwer, obwohl ich wusste, dass es nur wenige Tagen waren. Steffi würde gut auf meine Kleine aufpassen, das wusste ich. Und mein Vater war auch da, um zu helfen. Ich musste mir also absolut keine Gedanken machen. Allerdings wollte ich sie ungern hergeben. Ich hatte mich sofort in den kleinen Wirbelwind verliebt und es fühlte sich ein wenig so an, als würde ich mein Kind weggeben.
„Tschüss, kleine Maus. Wir sehen uns ganz schnell wieder und so lange bist du lieb, okay?" Ich kraulte Lou noch einmal ausgiebig und sie schleckte mir über die Hand.
Wincent hockte sich neben mich. „Bis ganz bald. Dieses Mal sehen wir uns in weniger als einer Woche und dann geht es ganz nach Hause."
Lou bellte kurz und das wertete ich als Freude.
„Na, Fritz? Willst du dich auch verabschieden?", fragte Wincent meinen Hund. „Genieß die nächsten drei Tage die Ruhe Zuhause."
Wir verabschiedeten uns ausgiebig von meinem Vater und Steffi, bevor wir dann in meine Wohnung in Berlin fuhren. Ich hatte noch immer nicht realisiert, dass Wincent mir wirklich einen Hund geschenkt hatte. In meiner Wohnung schmissen wir erst einmal alle Klamotten in die Waschmaschine und schalteten sie an. Da wir beide noch ganz euphorisch waren, setzten wir uns an den Tisch und überlegten, was wir alles machen mussten. Wincent schrieb eine Liste und dann zogen wir los, um einkaufen zu gehen. Wieder zurück, stellten wir alles ins Wohnzimmer und fielen ein wenig fertig auf die Couch. Ich wusste gar nicht, dass auch positive Emotionen so müde machen konnten.
„Wollen wir uns noch einen Film anschauen?", fragte Wincent mich und ich nickte.
Wir entschieden uns für ‚Vaiana' und das war auch gut, denn als ich wieder aufwachte, schlief Wincent noch. Wirklich viel mitbekommen hatten wir beide nicht. Ich bereitete uns ein schnelles Abendessen zu und weckte dann meinen Freund.
„Schatz?", fragte er, als ich mich gerade fertig gemacht hatte.
„Ja?"
„Johannes hat gefragt, ob wir uns morgen treffen können."
„Klar, kannst du."
„Und was ist mit den Vorbereitungen für Lou?"
Ich ging zu Wincent und nahm seine Hände. „Ich schaff das auch alleine. Mach du dir ruhig einen schönen Tag mit Johannes. Er ist dein Freund und ihr seht euch doch eh schon so selten."
„Okay", gab er nach und gab mir einen Kuss.

Bin ich für sie blind? Where stories live. Discover now