#7 - Ich werde dich finden. Egal, was es kostet.

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Ich schob diesen Gedanken kopfschüttelnd beiseite.

Bestimmt nicht. Er war sicher mit irgendetwas Wichtigem beschäftigt.

Ich tigerte wieder zurück in mein Zimmer und begann, die verschiedenen Apps abzuarbeiten, um zu sehen, ob ich etwas Weltbewegendes in der Zeit verpasst hatte, die ich nicht online war.

Facebook. – Hm, nichts Interessantes. (Diese blöde Veranstaltungserinnerung ignorierte ich geflissentlich.)

Instagram. – ein paar neue Follower, ziemlich viele Likes. Ich scrollte die Hauptseite herunter und überflog die Bilder. Bei einem Post von @niallhoran blieb ich hängen. Es zeigte ein Bild von zwei Jungs, die auf zwei Stühlen gegen eine Wand gelehnt saßen, beide geradeaus starrten und von der Seite fotografiert wurden.

Es waren Liam....und Harry.

Darunter stand:

„Es tut uns so wahnsinnig leid, München! Aber wir holen das Konzert natürlich nach! Wir lieben euch und sind in Gedanken bei euch! xx"

Mir zog es das Herz zusammen. Wie schrecklich musste es für sie sein, dass sie ihr Konzert heute Abend nicht spielen konnten... Tausende Fans waren nun am Boden zerstört – und die Jungs konnten ja nicht einmal was dafür!

Ich strich mit dem Daumen über Harrys Abbild auf dem Foto und seufzte leise.

Nachdem ich in Instagram nichts Interessantes mehr gefunden hatte, loggte ich mich aus und tippte auf die Twitter-App.

Ich scrollte nach oben und las ein paar Sachen, die Rihanna, Jessie J und Co. getwittert hatten.

Plötzlich stolperte ich über einen Tweet.

Mein Handy rutschte mir aus der Hand und landete mit einem plumpsenden Geräusch auf meinem Bett.

Ich griff mit zitternder Hand danach und las den Tweet noch einmal. Er bestand nur aus einem Buchstaben.

S.

Mein Handy rutschte mir beinahe nochmal aus der Hand.

Harry hatte ein „S." getwittert.

Ich wollte nicht egoistisch oder eingebildet klingen, aber ich bezog dieses „S." auf mich.

Er hatte es vor einer Stunde getwittert.

Ich klickte auf sein Profil – und schnappte nach Luft.

Es gab noch einen zweiten Beitrag. Er war 20 Minuten alt.

Ich werde dich finden.

Egal, was es kostet.

Eigentlich sollte mich dieser Tweet glücklich machen – doch er machte mich nur noch verzweifelter.

Na super, jetzt fingen meine Tränen wieder an zu laufen.

Plötzlich klingelte mein Handy. Als Klingelton kam „Best Song Ever". Ich fuhr mit dem Finger über „Abheben" ohne auf den Namen zu schauen, denn ich wusste, wer am anderen Ende aufgeregt auf mich wartete, schließlich hatte ich diesen Klingelton nur bei einer Person eingestellt.

„Warst du schon auf Twitter?", begrüßte ich meine Cousine mit heiserer Stimme.

„Ja! Oh Gott! Oh Gott, Sammy!! Und jetzt??" Sie war wieder einmal total aufgeregt.

Ich zuckte die Schultern, schüttelte mir die Haare aus dem Gesicht und antwortete langsam: „Es gibt kein ‚und jetzt'. ‚Und jetzt' ist: Sam wird Harry vergessen und Harry wird Sam vergessen. Ende der Geschichte."

Das letzte Wort war kaum noch zu hören, so sehr versuchte ich, die Tränen und das Schluchzen zu unterdrücken.

Doch meine Cousine war ganz anderer Meinung. „Spinnst du, nein, das darf nicht sein!! Ich werde jedes verdammte Hotel in München abklappern, bis ich ihn finde und dann werde ich seinen süßen Hintern zu dir schleifen!"

Ich musste widerwillig bei ihrer Wortwahl schmunzeln. Doch nach einer Sekunde wurde ich wieder schlagartig ernst: „Bis du alle Hotels durch hast, sind die schon längst wieder in England oder in Amerika oder wohin sie anschließend auch fliegen."

„Australien. Sie fliegen anschließend nach Australien und machen dort mit ihrer Tour weiter. Und außerdem: Quatsch, ich leg den Turbogang ein und dann geht das schon!", rief sie übermütig so laut ins Handy, dass ich dies erst einmal 30 Zentimeter von meinem Ohr weghalten musste.

„Gut, mach das, wenn es dich glücklich macht", gab ich lahm zurück. Jana merkte, dass mir nicht so sonderlich nach reden zumute war.

„Okay, ruf mich einfach an, wenn was ist! Bitte mach das wirklich!", fügte sie nachdrücklich hinzu. Ich versprach es ihr und wir legten auf.

Ich merkte, dass ich Hunger hatte. Ich hatte seit heute Morgen nichts mehr gegessen. Also ging ich in die Küche und begann mir nach Omas Geheimrezept Spaghetti Carbonara zu kochen. Während die Nudeln in ihrem Wasser köchelten, holte ich mein Handy aus meinem Zimmer und setzte mich auf einen Barhocker an dem Bartisch, der neben unserem Herd stand.

Mein Finger tippte von ganz alleine auf Twitter. Ich wollte die Tweets nochmal lesen.

Ich werde dich finden. – wie willst du das denn anstellen? Ach, Harry...

Ich wurde aus meinen Trübsal blasenden Gedanken gerissen, als mein Handy abermals klingelte.

Himmel, was war ich denn heute so beliebt, dass ich ständig angerufen wurde?!

Ich sah auf mein Display – und verzog den Mund. Nicht, wegen der Person, die anrief, sondern wegen des Grunds, weswegen sie anrief.

Es war meine beste Freundin Caro.

Und sie rief wegen Nicos Party an.

Ich stöhnte auf und begrub meinen Kopf unter meinen Armen. Ich gab ein paar jammernde Töne von mir und fragte mich, wieso mein Leben grad eigentlich so beschissen war?!

Ich lehnte mich zurück, legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen.

Eigentlich war es viel schöner, wenn sie anrief und ich nicht hinging. Ich begann, den Refrain von Rihannas Diamonds mitzusummen.

Ups, so lange klingelte mein Handy schon, dass schon der Refrain kam?

Schweren Herzens versuchte ich, mich innerlich auf den kommenden Abend vorzubereiten. Wobei ich kläglich scheiterte, das brauchte ich ja kaum hinzufügen.

Ich nahm ab und begrüßte sie. „Naaa, Caro?"

„Hallöööchen! Du musst unbedingt einen anderen Klingelton einstellen, meine Liebe, ich dachte, du hebst gar nicht mehr ab! Ich weiß ja, dass Diamonds dein Lieblingslied ist, aber Mitsingen und den anderen warten lassen ist nicht so die feine, englische Art", ertönte ihr fröhliches Geplapper durch den Lautsprecher. Wie gut sie mich einfach kannte und wusste, wieso sie so lange warten musste, bis ich abgehoben hatte.

Einzig und allein ihre Stimme zu hören beruhigte meinen Herzschlag und meine Atmung schon ziemlich.

„Sag mal, bist du inzwischen wieder zu Hause?"

„Ja", antwortete ich, während ich meine Spaghetti umrührte. Mist, irgendwie hatte ich echt zu viele reingehauen, das würde ich ja nicht schaffen, die zu essen.

„Wieso, was ist los?", setzte ich noch hinterher.

„Ooooch, ich steh grad vor so einem wunderschönen, hellorangefarbenen Haus mit einem roten Mini davor..."

„Okay, ich mach dir auf", sagte ich lachend, legte auf und lief in Richtung Haustür.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt