#21 - Teufelsplan

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Er drückte mich noch fester an die Tür und ich bekam keine Luft mehr.

Ich versuchte, zu atmen, aber es ging nicht.

Ich fühlte mich so schrecklich.

Mir liefen die Tränen über die Wangen.

Was mache ich jetzt nur?!?!

Plötzlich verschwand der Druck und ich konnte wieder atmen.

Keuchend atmete ich ein. Doch zu früh gefreut.

Ich riss die Augen weit auf und unterdrückte einen Schrei.

Urplötzlich hob er mich leichthändig hoch – klar, für einen Zweimeterschrank war es nicht schwer, ein zierliches 1,65m-großes Mädchen mal eben hochzuheben – , schlang meine Beine um seine Hüfte und drückte meinen Rücken wieder gegen die Tür.

„Lass mich runter, verdammt, du Arschloch!!", fuhr ich ihn an, doch es juckte ihn nicht. Ich hatte irgendwie das Gefühl, als würde er mich nicht mal mehr hören.

Er legte seine Hände unter meine Achseln und fuhr langsam  mit ihnen an meinem Körper herunter. Er kam meinen Brüsten gefährlich nahe, doch ich drückte schnell die Ellbogen nach unten, sodass er mit seinen Händen auf meine Hüfte ausweichen musste.

Als er anfing, mein Dekolleté mit seinen nassen, betrunkenen Küssen vollzuschlabbern, riss mir der Geduldsfaden und mein Unterbewusstsein begrub die Angst irgendwo im Jenseits, keine Ahnung wo genau, auf jeden Fall war sie von jetzt auf gleich plötzlich weg.

Sie war wirklich einfach verschwunden.

Ich atmete tief ein und genoss das Gefühl kurz, wieder Herr meiner Sinne und Muskeln zu sein.

Und jetzt würde ich mich auch zum Herrn der Situation machen.

Innerhalb einer Sekunde wusste ich, was ich machen musste.

Ich spielte einfach mit, bis der Zeitpunkt kam, an dem ich die Regie übernehmen würde.

Als er mich hochgehoben hatte, hatte ich mich vor Schreck an seinen Schultern festgeklammert, weil ich Angst hatte, dass er mich einfach so fallen lassen würde, wenn ihm danach war, oder er mich fallen ließ, weil er zu betrunken war, um mich festzuhalten.

Jetzt wanderten meine Hände an seinem Hals nach oben in seine Haare. Ich vergrub meine Hände in seinen Haaren, die ich immer so geliebt hatte, und zog ein wenig an ihnen. Ich hörte ihn stöhnen und er wanderte mit seinem Mund wieder zu meinem Hals.

Ich war im Prinzip jetzt schon Herr der Lage.

Ein betrunkener Mann war einer Frau grundsätzlich IMMER unterlegen.

Mein Herz klopfte wie verrückt.

Aber nicht vor Angst. Es war das Adrenalin, das durch meine Adern schoss.

Ich musste es schaffen, mein Plan musste aufgehen.

Ich schloss für eine Millisekunde die Augen und musste mich innerlich so stark überwinden, den nächsten Schritt meines Teufelsplans umzusetzen.

Ich fuhr mit meinen Fingern zu seinem Nacken hinunter und ließ meine Hände dort kurz liegen.

Ich legte den Kopf ein wenig schräger, um ihm seine ekelhafte Küsserei an meinem Hals zu vereinfachen.

Hauptsache, er hinterließ keinen Knutschfleck.

Aber darüber machte ich mir keine Sorgen, so etwas würde er im betrunkenen Zustand eh nicht richtig hinkriegen. Leider wusste ich diese Sachen alle aus Erfahrung. Wieso hatte ich mich damals nur mit diesem Kerl eingelassen...

Was ich als nächstes vorhatte, würde ihn um den Verstand bringen, das wusste ich zu gut.

Meine Hände lagen mit den Handflächen an seinem Kopf kurz über seinem Nacken und ich fuhr ganz langsam mit meinen Fingern an seinem Hinterkopf wieder hoch und fuhr dabei ein wenig meine Fingernägel aus.

Ich spürte, wie er stöhnend gegen meinen Hals ausatmete und sein Atem sanft an meinem Nacken herunterstrich.

Die nächste Gänsehaut, die mir bis zum kleinen Zeh hinunterlief.

Oh Gott, Sammy. Jetzt komm schon, bring's hinter dich.

Er drückte mich immer fester gegen die Haustür und ich konnte wieder kaum noch atmen. Seine Hände lagen immer noch auf meinen Hüften, Gott sei Dank kam er an meinen Po nicht ran, da er mich ja mit voller Wucht rückwärts gegen die Tür drückte.

Ich zog wieder an seinen Haaren und er löste sich widerwillig von meinem Hals. Ich zog an seinen Haaren und dirigierte seinen Kopf auf meine Höhe, sodass wir uns in die Augen sahen.

Seine graublauen Augen, die gerade im Moment extrem dunkel waren, trafen auf meine grünen und er starrte mich für einen Augenblick nur an.

Dann fing ich ganz langsam an, seinen Kopf zu mir herzuziehen. Viel Platz war zwischen unseren Gesichtern eh nicht.

Ich hatte meine Augen weit aufgerissen. Als unsere Lippen nur noch einen Zentimeter voneinander entfernt waren, legte er automatisch den Kopf schief und schloss die Augen.

Als seine Lippen auf meine trafen... - ich konnte gar nicht beschreiben, was ich fühlte. Es explodierte in mir. Einerseits kochte wieder die Liebe in mir auf, die ich für diesen Idioten empfunden hatte. Dann waren da noch die altbekannte Wut und Enttäuschung – aber auch Angst.

Angst, dass ich ihm wieder hoffnungslos verfallen würde nach diesem Kuss.

Doch dann sah ich auf einmal die schönsten grünen Augen vor meinem inneren Auge, die ich je gesehen hatte.

Harry.

Mein Herz fing noch heftiger an zu pochen und die Gefühle, die ich für diesen braunhaarigen Kerl empfand, durchströmten mich wie ein Stromschlag und ließen keinen Platz für irgendeine andere Emotion.

Nico küsste mich, als wäre das unser erster Kuss.

Erst war er ganz vorsichtig die ersten paar Sekunden, aber dann vertiefte er den Kuss.

Ich wehrte mich gegen den Reflex, die Augen zu schließen. Ich musste die Kontrolle über die Situation behalten.

Außerdem würde ich mir in dem Moment, in dem ich die Augen schloss, vorstellen, dass Harry mich küsste. Und dann war ich diesem Kuss hoffnungslos ausgeliefert, was auf keinen Fall passieren durfte.

Als seine Zunge über meine Unterlippe fuhr und damit um Einlass bat, wusste ich, dass mein Augenblick gleich da war.

Ich zog noch mehr an seinen Haaren, öffnete den Mund einen Spalt und ich hörte und spürte ihn in meinen Mund stöhnen.

Als ich das panische Gefühl hatte, dass er mich gleich auffressen würde, hörte ich in meinem Kopf eine Filmklappe schlagen und eine imaginäre Stimme „Action!!" rufen.

Mit aller Kraft biss ich ihn in die Zunge.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt