#24 - Schmolli

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Endlich.

Ich fuhr langsam aus unserer Einfahrt, als mein Handy, das ich wie immer an die Anlage angeschlossen hatte, seine Musik unterbrach und stattdessen anfing zu klingeln. Ich sah kurz runter, um herauszufinden, wer mich anrief.

Ich stöhnte zwei Sekunden später auf und hätte beinahe eine Vollbremsung hingelegt.

Shit.

Jana.

Ich hatte ihr gar nicht vom heutigen Tag erzählt.

Ich fuhr im Schritttempo aus unserer Straße und fuhr währenddessen mit dem Finger über Abheben. Kaum hatte ich das getan, tippte ich mit dem Finger auf Lautsprecher aktivieren und legte mir das Handy auf den Schoß, damit es, wenn ich Kurven fuhr, nicht in den Fußraum segelte. So machte ich das immer, wenn ich während dem Autofahren telefonieren musste oder angerufen wurde. Ich würde niemals mit Handy am Ohr Auto fahren. – Wahrscheinlich würde ich das nicht mal auf die Reihe kriegen, wie sollte man so denn auch bitte schalten?!

Mich wunderte es eigentlich schon fast, dass Jana mich erst so spät anrief. Wenn ich es mir jetzt so überlegte, war das sogar echt ziemlich komisch. Sie hatte seinen HeuteHalbSiebenSelberOrt-Tweet bestimmt gelesen.

Wahrscheinlich hatte sie die Message nicht gerafft, was mich gerade echt zum Lachen brachte.

„Hey Kleine", begrüßte ich sie fröhlich.

„Ich bin nicht klein okay, ich bin 4,7 Zentimeter größer als du", kam postwendend von der anderen Seite der Leitung.

Ich verdrehte die Augen. Gut, dass sie das nicht sehen konnte.

„Sag mal, Sammy...", fing sie langsam an. Ich hörte sie tief einatmen.

Okay, gleich würde sie explodieren und ihre Wörter würden in einem Schwall aus ihr herausbrechen.

„IstdieserTweetaufdichbezogenwennjadannschreiichgleichlosweildaseinfachnurderoberhammerist!!"

Na, siehste, sag ich doch.

Mein Handylautsprecher vibrierte so stark, dass ich den letzten Teil ihres Bandwurmsatzes nur erraten konnte, so sehr schrie sie in ihr Handy.

„Sam??", quiekte sie, als ich nicht sofort in der nächsten Sekunde antwortete. Himmel, wie konnte man so hysterisch sein. Doch sie brachte mich damit zum Lachen.

„Okay, Schätzchen, beruhige dich erst einmal", sagte ich und wartete circa fünf Sekunden, bis ich weitersprach: „Ja, er war auf mich bezogen. Also davon gehe ich mal aus, denn ich sitze gerade in meinem Auto und fahre zur Olympiahalle."

Uff. Geduldig wartete ich die nächsten zwei Minuten schweigend, dass sie sich am anderen Ende beruhigte.

„Geht's wieder?", fragte ich irgendwann etwas genervt, aber trotzdem lachend.

„Nein", kam die schlichte Antwort.

„Willst du denn wissen, was heute passiert ist?" Ich zog die Schultern hoch und sah alarmiert hinunter auf mein Handy.

Gleich würde der nächste Anfall kommen.

„WAAAAAAAAAAAAAAAS, hast du ihn heute wieder gesehen? UND DAS ERZÄHLST DU MIR JETZT ERST?!?!?!?"

Ups, jetzt war sie wohl sauer.

„Woah, das ist so unfair, ich bin deine Cousine, ich dachte, du hast mich lieb?! Und dann erzählst du mir nicht mal, dass du ihn gesehen hast? Ich war dabei, als du ihn das erste Mal getroffen hast, eigentlich warst du ja nur wegen MIR bei der Olympiahalle! Ich bin mit dir ins Hotel eingebrochen und ich bin mit dir vor diesen Anzugfutzis weggelaufen und ICH war verdammt nochmal bei jedem Mal dabei, wenn du ihn gesehen hast!!"

Oh Shit, sie war jetzt ernsthaft sauer. Ich hatte auch ein wahnsinnig schlechtes Gewissen. Ich biss mir auf die Unterlippe, ich wusste nicht, was ich antworten sollte.

Vom anderen Ende ertönte ein leiser Schluchzer.

„Weinst du??", fragte ich schockiert. Oh Gott, nein, Mist, ich war so blöd!...

„Maus, es tut mir Leid... willst du denn wissen, was passiert ist?..."

Es kam keine Antwort.

Ich startete einen neuen Versuch.

„Wenn ich dir erzähle, was war, dann wirst du mich vielleicht ein bisschen verstehen, wieso ich dich nicht angerufen habe. Ich hatte echt keinen Kopf dazu, es tut mir Leid, nachdem ich mit Nico zusammengeprallt bin..."

„Du bist WAS???"

Ich lächelte leicht, na endlich.

„Ja... Ziemlich unschöne Geschichte. Auch wenn Caro hellauf begeistert ist von meiner Aktion", sagte ich und verdrehte wieder die Augen.

„Ach du Kacke, du hast mal wieder eine Sam-Aktion gebracht??", kam es ungläubig aus meinem Handy.

Okay, sie hatte mir wohl halbwegs verziehen.

„Hm jaaa, schon... Also von vorne..."

Während ich also zur Olympiahalle fuhr, erzählte ich ihr alles. Ich musste sie ungefähr zwanzigtausendmal ermahnen, dass sie ihren Schnabel halten soll, damit ich weitererzählen konnte. Als ich dann bei Nicos und meinem .. Erlebnis ankam, unterbrach sie mich kein einziges Mal mehr. Ihr hatte es wirklich die Sprache verschlagen.

„Heiliger...", war das einzige, was sie herausbrachte.

„Joa. So war das", schloss ich und setzte den Blinker, um von der Autobahn zur Halle abzufahren.

„Krass. Und jetzt bist du bestimmt schon fast da?", fragte sie. Sie war nicht mehr sauer auf mich, das hatte ich genau gemerkt. Sie konnte eh nicht lange auf mich böse sein, genauso wenig wie ich auf sie. Wir waren wie Geschwister. Eigentlich war sie wirklich meine kleine Schwester und nicht meine Cousine.

„Ja, ich bin gleich da. Also, ich muss jetzt auflegen."

Ich hörte, wie sie Luft holte und etwas sagen wollte, aber ich unterbrach sie geschickt: „Ja ja ja, ich rufe dich an, wenn ich wieder heimfahre, versprochen. Aber du musst leider warten, bis ich mit Caro telefoniert habe."

Sie schmollte ein wenig, aber sie wusste, dass Caro die Nummer eins war in dieser Beziehung.

Ich lächelte. „Aber danach ruf ich dich gleich an."

„Kannst du mir nicht kurz schreiben, bevor du Caro anrufst? Nur ganz ganz kurz! Irgendwie sowas wie ‚Es war der Hammer!' oder so! Biiiitte, Sammybammy!", bettelte sie und ich gab ich natürlich gleich das Versprechen.

Ich legte auf, nachdem wir uns verabschiedet hatten und war genau jetzt beim Parkplatz vom Olympiagelände angekommen. Ich fuhr langsam drauf und überlegte. Am besten suchte ich nach dem Parkplatz, wo ich das letzte Mal geparkt hatte. Dann musste ich nämlich einen ganz guten Plan in meinem Kopf von diesem Gelände hier haben.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt