#62 - Showtime

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Joys Mund klappte auf – aber sie sagte nichts. Sie sah mich immer noch erstaunt an.

Ich holte Luft, um irgendetwas zu sagen – ich wusste noch nicht einmal, was – da hörte ich Waynes Stimme von vorne: „Also, meine Lieben, ihr habt jetzt noch eine gute halbe Stunde Zeit, dann müsst ihr alle wieder hier sein!"

Ich drehte mich wieder zu Joy. Sie hatte ihren Blick nicht von mir abgewandt, aber immerhin war ihr Mund jetzt geschlossen. Trotzdem sah sie mich an, als würde sie gleich vor Neugierde platzen.

„Komm, wir gehen irgendwo hin und ich erzähl dir davon... vorausgesetzt du willst es hören und glaubst mir", fügte ich zweifelnd hinzu. Schließlich hörte sich das, was ich in der letzten Woche erlebt hatte, eher wie ein schlechter Kinofilm an.

„Klar, aber sowas von!", bestätigte sie sofort und griff nach meiner Hand. Bevor ich mich versah, hatte sie mich auch schon durch die Tür hinausgezogen und steuerte auf die Veranstaltungshalle zu. Wir gingen hinein und setzten uns oben in den Rängen in eine dunkle Ecke, wo uns niemand sah und wo wir niemandem im Weg umgingen.

„Jetzt erzähl", forderte mich Joy auf und sah mich wieder aus ihren großen Augen an. Irgendetwas an meinem Tonfall vorhin hatte sie an dem Wahrheitsanteil meines Satzes nicht zweifeln lassen.

Ich lehnte mich in dem unbequemen Stuhl zurück, atmete tief durch und erzählte ihr alles. Umso weiter ich in meiner elenden Geschichte kam, umso größer wurden ihre Augen und sie starrte mich an ohne zu blinzeln.

„Und jetzt sitze ich hier. Und hab Angst. Verdammte Scheißangst", schloss ich und ließ mich nach vorne sinken, sodass mein Gesicht in meinen Händen landete.

Nach ein paar Augenblicken des Schweigens drehte ich meinen Kopf zu ihr und sagte durch meine Hände gedämpft: „Wahrscheinlich glaubst du mir nicht..." Ich nahm meine Hände weg und richtete mich auf. Ich sah sie an und meinte schulterzuckend: „Macht nichts, ich würde so eine haarsträubende Geschichte auch nicht glauben."

„Ich glaub dir", antwortete Joy ernst. „Ich hab die Tweets gesehen."

Ich seufzte.

Alle Tweets."

Mein Blick sprang wieder zu ihr herüber und ich sah sie fragend an. Sie sah mich bedeutsam an und meinte: „Auch den, den er gleich gelöscht hat. Den hab ich auch gesehen."

Mein Herz machte einen schmerzhaften Stolperer und ich schluckte. Ich wollte nicht an diesen Tweet denken, er fühlte sich wie ein Messer an, das man mir ins Herz gestoßen hatte und das bis heute noch nicht rausgezogen wurde.

„Tja, jetzt weißt du, wieso ich froh bin, dass du den Tisch hast", seufzte ich. „Trotzdem muss ich die ganze Zeit dran vorbeilaufen."

„Verdammt, das tut mir Leid. Und ich hab mich eigentlich gefreut, dass wir direkt nebeneinander sind", meinte Joy niedergeschlagen.

Ich sah auf die Uhr. „Wir müssen wieder rüber."

Ich drehte mich wieder zu ihr und im nächsten Moment erwischte sie mich eiskalt. Sie schlug mir plötzlich mit der flachen Hand auf den Oberschenkel und schenkte mir ein breites Grinsen.

„Au!", rief ich (auf einer Leggings tut das nämlich besonders weh), aber sie unterbrach mich: „Ich werde sie beim Empfang ablenken, okay? Immer wenn eine der fünf Pappnasen auf dich zukommen will, geh ich hin und mach einen auf Megafan und so. Wird mir nicht so schwer fallen." Grinsend sah sie mich an und wartete auf meine Reaktion.

Meine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Wir standen auf und ich zog sie zu mir her und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

„Was wäre ich hier ohne dich, Joy!", sagte ich und wir schlenderten zurück zum Backroom. Es tat gut, dass Joy jetzt Bescheid wusste und ich da nicht alleine durchmusste. Ich konnte ein wenig Unterstützung gebrauchen.

Als wir im Backroom waren, klärte uns Wayne über eine ganz neue Sache auf: „Wir werden jetzt die Champagnergläser füllen. Was ich euch noch nicht gesagt habe, ist: Es werden nicht alle beim Empfang kellnern."

Ein erstauntes Raunen ging durch die Reihen.

„Ich lese jetzt 20 Namen vor. Das sind diejenigen, die dann sofort anschließend mit mir mitkommen. Der Rest hat noch ein wenig Pause."

Als er die Liste vorgelesen hatte, rutschten Joy und ich von unseren Plätzen und gingen nach vorne. Wir waren natürlich ausgewählt.

Während wir nach vorne gingen, beugte sich Joy zu meinem Ohr und wisperte: „Ich glaube, er hat nur die optisch Ansprechenden für den Empfang ausgewählt."

„Optisch ansprechend?", fragte ich amüsiert zurück. Sie schenkte mir ein freches Grinsen und ich schmunzelte.

Als wir die Champagnergläser füllten, spürte ich, wie sich mein Magen vor Aufregung und Angst verknotete.

„Oh Gott, am liebsten würd ich jetzt selber so ein Glas auf Ex wegkippen! Vielleich wäre ich dann danach ruhiger", stöhnte Joy, als hätte sie meine Gedanken gelesen.

Himmel, ich war so nervös. Ich wusste nicht, was mich erwartete. Und ich wusste nicht, wie er zu mir sein wird. Wird er mich ignorieren? Wird er herkommen? Wird er eine Riesenszene veranstalten?

Ich ließ beinahe das Glas fallen, das ich gerade füllte, als mir dieser Gedanke kam. Oh Gott, bitte nicht. Das wäre dann wirklich die Hölle auf Erden.

Als wir fast fertig waren und nur noch ein paar Gläser gefüllt werden mussten, horchten wir alle auf, als von draußen ein ohrenbetäubender Lärm in Form von Schreien und Jubel zu hören war.

„Das sind die ersten Stars, die jetzt am roten Teppich angekommen sind", informierte uns Wayne und lächelte, als er in unsere aufgeregten Gesichter blickte.

„So aufgeregt ihr jetzt auch seid – lasst euch da draußen nichts anmerken. Stellt euch einfach vor, das sind irgendwelche Kunden, die ihr bedient. Das hilft", meinte er augenzwinkernd. Na, deine Worte in Gottes Ohren. Amen.

Wir wurden von ihm herausgescheucht und ein paar Jungs schoben die hohen Stehtische samt Rollen hinter uns her, auf denen hunderte von Champagnergläsern standen. Wir nahmen jeder ein Tablett auf und stellten uns in dem großen runden Raum an den Wänden auf.

„Alter, ist dir klar, wer da gleich alles durch die Tür kommen wird?", sagte Joy und starrte auf die gläserne Schiebetür, als wäre es das Tor zum Himmel. „Nirgends gibt es so viele Stars auf einem Haufen! Justin Bieber, Will.i.am, One Direction, Miley Cyrus, Katy Perry, Lady Gaga, Rihanna, Selena Gomez, Ariana Grande, Eminem, Nicki Minaj,..."

„Halt die Klappe oder ich flipp gleich aus und kipp dir mein gesamtes Tablett ins Gesicht!", platzte ich heraus und atmete tief durch. Wir mussten beide ein wenig kichern, aber fingen uns sofort wieder.

Als sich die Tür das erste Mal öffnete, schoss mir nur eins durch den Kopf:

 S h o w t i m e .

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt