#51 - Nicht mit Harry

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„Sam, verdammt nochmal, mach schneller!!"

Waynes zornige Stimme erklang donnernd hinter mir.

Panisch hetzte ich zurück zur Theke und belud mein Tablett mit neuen Tellern. Ich schlitterte auf meinen High Heels zurück in den Saal und hätte dabei fast jemanden umgerannt, wenn ich nicht im letzten Augenblick ausgewichen wäre. Ich sprintete um die Ecke und stieß mit jemandem zusammen. Mein Tablett segelte davon und landete auf dem Boden.

Ich robbte auf allen vieren hin und versuchte, alles wieder einzusammeln. Ich biss mir auf die Unterlippe, damit mir kein Schluchzer entfuhr. Über mir fing jemand an zu lachen. Es war ein lautes, gehässiges Lachen. Es ließ mich zusammenfahren, ich bekam eine Gänsehaut und mir stiegen nur noch mehr Tränen in die Augen.

„Ganz ehrlich, was kann sie überhaupt?! Die braucht doch eh keiner, sie ist nur eine Last für die gesamte Menschheit!", drang eine vor Ekel triefenden Stimme in meine Ohren und fuhr bis in mein Knochenmark. Ich drehte mich geschockt um und blickte in Harrys gemeine grüne Augen. Sein Lachen, das erneut aus seinem Mund erklang, ließ mir die Knochen gefrieren.

Neben ihm standen noch Joy und Wayne und viele andere, die mich alle auslachten. Der ganze Saal hatte sich uns zugewendet und lachte schallend über mich.

Ich riss mein Tablett an mich und suchte weinend das Weite, aber ihr Lachen wurde nicht leiser, egal, wie weit ich mich von ihnen entfernte, es blieb immer in meinen Ohren und schmerzte in meinem Herzen.

Ich fuhr in die Höhe.

Schnappend holte ich Luft.

Ich sah mich mit aufgerissenen Augen in meinem stockdunklen Zimmer um. Mein Herz pochte bis zum Hals, ich hatte das Gefühl, als würde es gleich zerspringen.

Langsam ließ ich mich wieder rückwärts in mein Kissen fallen. Ich presste die Hände auf die Ohren, weil ich immer noch Harrys Lachen in meinem Kopf hören konnte. Ich setzte mich erneut auf und schälte mich aus meiner Bettdecke. Leise tapste ich ins Bad und spritzte mir ein wenig kaltes Wasser in Gesicht und Nacken. Ich stützte mich auf dem Rand des Waschbeckens ab und starrte mich selber im Spiegel an. Ich sah aus wie ein Gespenst. Oder eher wie ein Zombie, um es nicht zu beschönigen.

Meine schwarzen Haare wallten wild um meinen Kopf herum. Meine Haut war unnatürlich und ungesund weiß. Meine grünen Augen starrten mir groß und entsetzt entgegen. Meine Nasenflügel waren aufgebläht und meine Augen hatten dunkle Schatten.

Ich drehte mir selber schnell den Rücken zu.

Ich konnte nicht fassen, was mir innerhalb einer Woche alles widerfahren war.

Harrys Bekanntschaft, Nicos Rückkehr, der ganze Schmerz und alles andere.

So viel konnte ein Herz alleine doch gar nicht aushalten, oder? Ich durfte eigentlich gar nicht mehr am Leben sein...

Ich drehte mich wieder zum Waschbecken (ohne mir selber einen Blick im Spiegel zuzuwerfen) und wusch mir das Gesicht mit warmem Wasser. Blind griff ich nach meinem Handtuch und verbarg mein Gesicht für mehrere Minuten darin.

Ich weinte nicht. Ich war leer geweint (zumindest momentan).

Als ich das Handtuch wieder aufgehängt hatte, blickte ich mich wieder an. Nun sah ich nicht mehr wie ein Zombie aus, sondern wie ein achtzehnjähriges Mädchen mit Liebeskummer.

Oh Gott, ich war so erbärmlich. Wer verliebt sich auch in einen Popstar?? Ich meine, okay, Fans sind immer in ihre Idole verliebt – aber erstens war ich ja nie ein One-Direction-Fan gewesen und zweitens rede ich hier von der echten Liebe, von echten Gefühlen.

Wer war so blöd? Nur ich natürlich. Und ich konnte nichts daran ändern.

Ich schloss die Augen und seufzte. Ich sah sofort wieder sein Gesicht vor mir. Der Augenblick, als er mir das erste Mal in die Augen gesehen hat. Pure Magie. Es war Liebe auf den ersten Blick, das konnte man nicht leug...-

Ich schüttelte den Kopf, krallte meine Hände in meine Haare und bohrte meine Fingernägel in meine Kopfhaut. Mir knickten die Knie ein und blieb kauernd auf dem Boden sitzen.

Hör auf, Sam, hör auf. Es war vielleicht für dich Liebe auf den ersten Blick, aber nicht für ihn. Für ihn warst du nur ein Mädchen, ein Fan, ein Niemand.

Schlag ihn dir endlich aus dem Kopf. Es bringt nichts.

Aber ich kann nicht, jammerte ich mir selber in meinem Kopf vor. Ich kann nicht. So jemanden und solche Gefühle kann man nicht einfach – zack! – vergessen und abschalten.

Ich musste jetzt damit leben.

Aber was mache ich morgen? Was mache ich, wenn ich ihm gegenüber stehe? Wie reagiere ich?

Ich richtete mich langsam und mühsam wieder auf und sah auf die Digitaluhr. 6:43 Uhr.

Ich stöhnte. Ich hatte gerade einmal anderthalb Stunden geschlafen. Na super. Ich fühlte mich auch wie gerädert.

Ich tigerte zurück in mein Zimmer und legte mich wieder in mein Bett.

Ich wusste es nicht. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Am liebsten würde ich einfach vergessen, dass er den Tweet gelöscht hat und würde einfach mit ihm reden, lachen und flirten. Vielleicht würde er mich nach meiner Handynummer fragen und dann.... – ja was dann, Sam?! Dann wirst du seine Mrs Styles für eine Woche? Und dann fliegt er nach Australien und lässt dich und dein gebrochenes Herz hier zurück?

Ich vergrub mein Gesicht in meinem Kissen und zog die Knie an die Brust.

Ich konnte es drehen und wenden, wie ich wollte – es würde immer so enden, dass ich alleine und auf einem riesigen, schmerzhaften Scherbenhaufen zurückbleiben würde.

Für mich gab es kein Happy End. Nicht mit Harry Styles.

Ein Schauer durchlief meinen Körper und ließ ihn schmerzhaft erbeben.

Kein Happy End . . . . .  nicht mit Harry . . . . . .  Happy End  . . . . . . . kein Happy . . . . . . Harry  . . . . .

Mit diesem einen Satz in meinem Kopf, der von einer kleinen Stimme immer wieder geflüstert wurde, fiel ich in einen unruhigen, tränenreichen Schlaf.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt