#109 - Du kommst mit

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Mein Herz flatterte von Sekunde zu Sekunde mehr. Ich löste mich aus meiner Starre und sprang wie von der Tarantel gestochen vom Bett auf.

Ich griff nach meinem Handy (das mir schon wieder aus der Hand gerutscht und auf dem Bett gelandet war) und tippte eine Antwort an Harry.

‚Ich fahr los! '

...verdammt, es war eine viel zu lange Zeit, bis ich bei ihm sein würde!!

Ich warf mein Handy zurück auf das Bett – heute machte es wirklich einen Flugschein, das arme Ding – und rannte ins Badezimmer.

Ich blickte in den Spiegel und stellte ziemlich überrascht fest, dass ich noch einigermaßen okay aussah. Nur einmal Haare kämmen und ein kleines bisschen nachschminken (obwohl meine Wangen immer noch glühten und leicht rot waren).

Dann hetzte ich wieder zurück in mein Zimmer und überlegte, was ich anziehen könnte.

Ich entschied mich kurzerhand für eine dunkelblaue Röhrenjeans, ein dunkelrotes Top und eine lange, elegant aussehende, schwarze Strickjacke.

Passt schon, Harry würde mich jetzt so ertragen müssen.

Ich griff nach meiner Tasche und warf alles hinein, was ich brauchen würde. Geldbeutel samt Führerschein und Ausweis, Handy und eine Fleecejacke.

Ich hetzt die Treppe nach unten und kam in der Tür des Wohnzimmers schlitternd zum Stehen.

Mom und Leo saßen beide auf der Couch und sahen fern. Als ich um die Ecke gedüst kam, sahen sie beide verwundert auf.

„Ich ... fahr .. nochmal", keuchte ich atemlos und holte einmal tief Luft. „Ich treffe mich mit Harry", bekam ich jetzt schon deutlicher heraus und grinste mal wieder über beide Ohren.

„Okay", sagte Mom milde lächelnd.

„Ich weiß allerdings nicht, wann ich heimkomme", sagte ich und ließ es wie eine kleine Vorwarnung klingen.

„Sam, du bist achtzehn, fast neunzehn", sagte Mom schmunzelnd und stand auf und umarmte mich, „du bist volljährig und kannst machen, was du willst. Habe ich jemals etwas gesagt, wenn du erst morgens um neun nach Hause gekommen bist?"

„Hm, nöö", sagte ich und löste mich von ihr, „ich wollte ja nicht um Erlaubnis bitten, sondern dir nur Bescheid sagen."

Sie grinste mich an und knuffte mich in die Seite.

„Tschöö, Pupsi", kam von Leo, der sich jetzt ebenfalls vom Sofa hievte und mich umarmte. Er hob mich hoch und ich schlang die Arme um seinen Hals.

„Pass auf dich auf", murmelte er in meine Haare. „Und mach nichts, was du nicht machen willst."

„Leo!" Entrüstet zappelte ich, damit er mich runterließ. „Also bitte! Geht's noch?"

Trotz allem musste ich lachen. „Du Depp", antwortete ich und streckte ihm die Zunge raus. Er gab mir noch einen Kuss auf den Kopf, aber dann war es jetzt aber wirklich genug.

„Ich muss los, sonst muss Harry noch länger auf mich warten", mit diesen Worten winkte ich noch einmal und verschwand dann im Trab in Richtung Auto.

Ich schrieb Jana noch schnell eine Nachricht, wo ich jetzt hinfahren würde und dass ich mich mit Caro gestritten hatte. (Nur damit sie Bescheid wusste, falls Caro bei ihr anrufen würde, damit sie endlich an Informationen kam. Diesem Mädchen war alles zuzutrauen.)

Ich düste jetzt also los.

Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott.

Mein Herz klopfte wie verrückt und ich konnte mich gar nicht auf den Verkehr konzentrieren. Zweimal wäre ich demjenigen vor mir an der Ampel beinahe reingefahren, weil ich auf meiner rosaroten Wolke Sieben durch die Gegend schwebte und nicht im ruppigen Nachtverkehr von München war.

Wie heißt es immer so schön in der Fahrschule? Wenn man emotional aufgewühlt ist, soll man nicht Auto fahren.

Ich schnaubte kurz und schüttelte leicht den Kopf.

Pfff, wer hält sich schon daran.

Mein Handy meldete kurz eine Nachricht und spielte dann die Musik weiter, die durch die Boxen von meinem Auto zu hören waren.

Ich schielte nach unten und versuchte zu erkennen, von wem die Nachricht war.

Hoffentlich nicht Caro, schoss mir durch den Kopf. Auf die hatte ich jetzt wirklich keinen Bock. Damit würde ich mich morgen befassen. Oder übermorgen. Oder irgendwann. Zumindest nicht jetzt.

Ich meinte allerdings, dass ich Janas Namen auf die Schnelle entziffern konnte.

Trotzdem riskierte ich es nicht und ließ mein Handy dort, wo es lag, damit ich nicht wirklich einen Unfall bauen würde.

Endlich tauchte das Schild der Ausfahrt zum Olympiagelände auf.

Ich setzte den Blinker und hätte vor lauter Freude am liebsten laut losgeschrien.

Ohgottohgott, dort stand jetzt Harry Styles und wartete auf mich.

Das war so abgefahren. Ich konnte es gar nicht glauben.

Ich fuhr auf den ausgestorbenen Parkplatz und erinnerte mich gleich wieder an den Abend zurück, den ich hier verbracht hatte, als Harry und ich uns schon das letzte Mal treffen wollten und ich aber die Tiefgarage nicht gefunden und Harry den Tweet gelöscht hatte.

Ich schüttelte den Kopf, um die düsteren Gedanken loszuwerden, und stieg aus meinem Auto.

Ich drückte auf den Verriegelungsknopf auf dem Schlüssel und lief los in Richtung Bäume. Ich musste mich wirklich zusammenreißen, dass ich nicht losrannte oder vor mich hin hüpfte.

Mein Grinsen konnte man bestimmt kilometerweit durch München strahlen sehen.

„Sam!"

Ich konnte ihn hören, bevor ich ihn sehen konnte.

Mein Lächeln vertiefte sich und im nächsten Moment schlangen sich zwei Arme um meine Taille und umarmten mich.

„Hey", erwiderte ich leise und drückte mein Gesicht in seinen weichen Pulli (aha, er hatte sich umgezogen).

Er ließ mich los und strich mir ein paar Haarsträhnen aus der Stirn.

„Schön, dass du Zeit hast und wiedergekommen bist", sagte er und die Grübchen zeichneten sich auf seinen Wangen wieder. Ich strich mit dem Zeigefinger über das rechte und erwiderte schulterzuckend: „Joaa, du hattest Glück, ich konnte es gerade noch in meinen Terminkalender schieben..."

Im nächsten Moment quiekte ich auf, weil Harry mich hochhob und im Kreis wirbelte.

„Du bist so frech", sagte er, als er mich wieder runterließ und ich mich an seinem Ärmel festhielt, weil ich erst einmal wieder mein Gleichgewicht finden musste, was ihn laut auflachen ließ.

Ich musste ebenfalls grinsen, aber nicht, weil ich es lustig fand, dass ich wie eine Betrunkene hier herumschwankte, sondern wegen des Geräusches seines Lachens.

Seine grünen Augen strahlten, als er mich wieder anblickte.

„Sam...", jetzt wurde sein Blick ernster, „ich muss dir leider etwas sagen..."

Oh Gott.

Meine Augen weiteten sich und ich starrte ihn ein wenig ängstlich an. Oh mein Gott, was kommt jetzt??... 

„Nein, nein, kein Grund zur Sorge", beschwichtigte er mich gleich, als er meinen Blick sah, und fuhr mit einer Hand über meine Wange, „heute war der letzte Termin in Europa von unserer Tour, und jetzt steigt eine riesige After- ... Tour-Party oder wie auch immer das genannt wird." Er seufzte. „Und da muss ich jetzt hin."

„Oh... okay."

Hm naja, das war ja dann ein kurzes Treffen.

Mühsam schluckte ich und versuchte, meine beißende Enttäuschung, die sich jetzt in meinem Magen festkrallte, zu überspielen.

Ich wollte einen Schritt nach hinten gehen, aber er hielt mich an der Taille fest.

„Und du kommst natürlich mit." Die zwei Grübchen erschienen wieder und sein Grinsen vertiefte sich.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt