#36 - Nudeln alias mein Leben

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Sie stockte kurz, als würde sie sich nicht trauen, ihren nächsten Satz laut auszusprechen.

Okay, jetzt klingelten die Alarmglocken noch lauter in meinem Kopf. Verdammt, wohin würde sie mich mitschleppen?!??

„Auf Renés Geburtstag."

Patsch.

Mir rutschte die Packung Spaghetti aus der Hand, die ich gerade aus dem Vorratsschrank geholt hatte. Ich war in eine Starre verfallen und konnte meinem Gehör nicht glauben, was ich sie gerade sagen hören habe.

„Vergiss es", gab ich dumpf zurück. Ich tat Caro immer liebend gerne jeden Gefallen, das wusste sie auch, aber diesen würde ich ihr nicht tun. Nie im Leben. Das konnte sie vergessen. Da hörte sogar unsere Freundschaft auf.

„Bitte, Sammy", jammerte sie sofort los, aber ich unterbrach sie: „Spar's dir, ich komm nicht mit!"

Ich sah hinunter auf die Nudeln – und konnte mich gerade im Moment sehr gut mit ihnen identifizieren. Ich war genauso am Boden wie sie. Komischer Vergleich, ich weiß, aber ich lag momentan genauso hilflos am Boden und kam alleine nicht hoch. Wahrscheinlich würde ich nie wieder richtig aufrecht stehen können.

Wenigstens konnten die Nudeln wieder hoch, denn ich bückte mich, hob sie auf und pfefferte sie mit einem lauten Knall auf die Küchenablage. Wenigstens war die Packung nicht aufgeplatzt, als ich sie fallen ließ, sonst würde ich jetzt auf den Knien herumrutschen und sie einsammeln müssen. Gut, dass mir das erspart blieb.

„Sammy, du hast es mir versprochen! Du schuldest es mir! Bitteeee!"

„Du brauchst mir jetzt nicht mit Erpressung kommen", knurrte ich, während ich mir das Handy zwischen Ohr und Schulter einklemmte, damit ich die Spaghetti in den Topf schütten konnte.

Das ging wirklich zu weit.

Ich würde NICHT auf den Geburtstag von Nicos bestem Freund gehen.

Nein.

Nicht mal für meine beste Freundin.

Sie schwieg am anderen Ende. Wahrscheinlich kämpfte sie gerade mit sich selber. Ich wusste, dass sie unbedingt hingehen wollte, aber ich wusste auch, dass sie nicht ohne mich gehen wollte. Und ich wusste auch, dass sie wirklich unbedingt gehen wollte.

„Vergiss den Kerl doch einfach, der ist keinen Deut besser als Nico oder René", rutschte es mir auch schon heraus.

Sie schwieg immer noch. Caro stand schon seit einem dreiviertel Jahr auf Carlos, der dritte im Bunde bei den unangefochten dümmsten Kerlen der Stadt neben Nico und René. Ich hatte Caro immer aufgezogen, dass Carlos und Caro doch namentlich super zusammen passen würden, aber inzwischen war ich alles andere als begeistert davon, dass sie total in ihn verknallt war. Ich war erleichtert gewesen, als sie ihn fast vergessen hatte – bis er kurz danach einen auf Dirty Dancing mit ihr auf einer Party gemacht hat. Eng umschlungen hatten sie getanzt, bis ich sie von ihm weggezerrt habe.

Seitdem hat er ihr noch mehr den Kopf verdreht.

Das Problem ist nur, er interessiert sich nicht für sie. Meistens kriegt er nicht einmal ein Hallo raus, wenn wir ihm begegnen. Aber Caro ist natürlich blind vor Liebe.

Und ich hatte keine Ahnung mehr, was ich noch machen sollte, um ihr den Kerl aus dem Kopf zu schlagen.

„Ich kann ihn aber nicht vergessen, und außerdem weißt du gar nicht, wie er ist, schließlich warst du nie mit ihm zusammen", gab sie schnippisch zurück.

„Ich war aber mit seinem Busenfreund zusammen, falls du dich erinnerst", sagte ich und rührte meine Nudeln um, „und da hab ich Carlos ständig um mich gehabt und ich kann dir noch dreihundertmal sagen, dass der Kerl fast noch schlimmer mit Mädels umgeht als Nico! Der benutzt die alle nur! Mädchen sind für ihn nur Spaßgegenstände", sagte ich angewidert und verließ die Küche, um mich in meinem Zimmer tanztauglich anzuziehen.

Ich nahm das Handy vom Ohr, tippte auf Lautsprecher an und schmiss es auf mein Bett.

Ich hörte, dass Caro laut ausatmete. Wie oft wir dieses Thema schon gehabt haben.

„Okay", sagte ich und biss die Kiefer fest aufeinander. „Oooookay, ich komme mit. Aber ich sage dir gleich, wenn er dir wehtut oder dich enttäuscht, dann werde ich dir leider ins Gesicht sagen: ‚Ich hab's dir gleich gesagt!' Und dann will ich keinen Ton, kein Gejammer, nichts von dir hören!"

Ich verdrehte genervt die Augen. Gott sei Dank konnte sie mich nicht sehen.

„Achja", fügte ich hinzu, während ich mir meine weite Jogginghose anzog, „und wenn mein Exspasti mich heute Abend umbringt, wovon ich ziemlich stark ausgehe, dann möchte ich, dass auf meinem Grabstein steht: ‚Hier ruht Samantha Ferroni. Gestorben, weil ihre beste Freundin, Carolina Schuster, sie rücksichtslos in den Tod zwang'."

Caro schnaubte amüsiert. „Geht klar, auch wenn ich dann für die Gravur auf dem Grabstein ganz schön viel hinblättern werden muss."

„Vielleicht zahlen meine Eltern ja einen Teil, kannst du dann ja ganz lieb fragen", schlug ich sarkastisch vor und zog eine Grimasse.

Inzwischen war ich fertig umgezogen, nahm mein Handy wieder ans Ohr und tigerte zurück in die Küche.

„So, Ca, ich muss auflegen, sonst schaff ich's nicht pünktlich ins Studio. Wir telefonieren später nochmal", sagte ich und wir verabschiedeten uns. Ich ließ mein Handy auf den Tisch sinken und aß in Rekordschnelle meine Nudeln.

Als ich fertig war, warf ich mir meine Sporttasche über die Schulter, rief „ciao, Mom, ich bin tanzen!" und ließ die Haustür hinter mir zuschnappen.

Als ich am Gartentor war und gerade auf mein Auto zuging, kam mir Leo entgegen, der wohl vom Training kam.

„Hey", sagte er, grinste mich an und wuschelte mir durch die Haare, „alles klar bei dir?"

Ich zuckte mit den Schultern. „Joa, schon. Bei dir?"

„Klar." Er kratzte sich am Kopf. „Wir müssen später mal ein Pläuschchen halten, meine Kleine."

Ich zog eine Augenbraue nach oben. „Achja? Müssen wir das?"

„Jap", gab er nickend zurück. „Ich wurde heute nämlich im Büro ein paar Mal von Mister Harry Styles angerufen."

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt