#124 - Tatsache.

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„Ferroni?"

Im ersten Moment stockte ich, als ich Leos Stimme hörte. Hatte er etwa nicht gesehen, dass Papas Nummer als Anrufer auf dem Telefon erschienen war?

„Hi Leo", sagte ich kleinlaut und zog die Knie an die Brust, als ob ich mich selber vor der Schimpftirade schützen wollte, die jetzt bestimmt gleich auf mich hinabhageln würde.

In den nächsten Sekunden herrschte eine Totenstille, bis er so laut rief, dass ich total zusammenzuckte: „SAMANTHA MARINA FERRONI!!!!!!!!!!"

„Ja, so heiße ich", ploppte aus mir heraus und ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare, während ich die Augen über New York im Spätnachmittagslicht schweifen ließ.

„WO ZUM TEUFEL STECKST DU?!?! WENN ICH DICH IN DIE FINGER KRIEGE, MACHE ICH HACKFLEISCH AUS DIR!!!!!!"

Schluck.

Da war jemand wohl ein wenig sehr sauer.

Naja, zu Recht...

„Ich .... ähm...", druckste ich herum und zwirbelte eine Haarsträhne zwischen meinen Fingern.

„Hast du nicht aufs Telefon geschaut, als du abgehoben hast?", fragte ich schwach und biss mir auf die Unterlippe.

Er zögerte einen Moment, bis er sagte: „Ne. ...Wieso?"

Dann war kurz einen Augenblick Stille, in dem er wohl das Telefon vom Ohr nahm und auf das Display schaute. Ich biss mir auf meinen Daumennagel und wartete auf den nächsten Ausbruch.

„DU BIST IN NEW YORK!?!?!" (Jep, und da war er.) „SAG MAL, HAST DU EIGENTLICH EINEN KOMPLETTSCHADEN!?!?!"

„Weiß nicht...", gab ich kleinlaut zu.

Dann überlegte ich es mir urplötzlich anders.

Wieso war ich überhaupt so still?

Ich legte den Kopf in den Nacken und sah an die Decke. Ich stöhnte kurz auf und sagte dann: „Ey, ich bin 18 Jahre alt, ich kann wohl machen, was ich wi-"

„Natürlich kannst du machen, was du willst, ABER NICHT OHNE UNS BESCHEID ZU SAGEN!!!!!"

Wenn er so weitermachte, würden ihm demnächst irgendwelche Blutgefäße im Hirn platzen.

„Ja ist ja okay, jetzt schrei mich nicht so an!", fuhr ich ihn ebenfalls an und stand auf und fing an, in Papas Wohnzimmer auf und ab zu tigern.

„Schatz, ich bin gestorben vor Sorge!!", erklang jetzt Moms vorwurfsvolle Stimme.

Leo hatte wohl den Mithörer angemacht.

„Wenn du wieder hier bist, bring ich dich um, ich schwör's dir, Samantha!!!"

„Ich hab dich auch lieb, Carolina", gab ich brummend zurück. Ich wartete noch auf Stimme Nummer vier, dann waren sie vollzählig.

„Ich kann dich verstehen", erklang genau diese Stimme und ich blieb an der Küchenzeile, an der ich gerade vorbeiging, stehen.

„Hm?!", machte ich und runzelte die Stirn.

„Ich kann dich verstehen", wiederholte Jana. „Ich hätte auch das Weite gesucht, wenn ich ehrlich bin."

Es herrschte eine kurze Stille, bis sie alle auf einmal losredeten.

„Ja, kann ja sein-" „Du hättest wenigstens einen Zettel hinlegen können!" „Bist du echt so feige und läufst weg?" „Wahnsinn, so eine Geldverschwendung!"

„Okay, ES REICHT!!!", fuhr ich dazwischen und hätte am liebsten den Telefonhörer gegen die Wand geschmettert. „Ich hab's kapiert, okay, ich hab kapiert, dass ihr es scheiße findet! Aber es ist mein Leben und meine Sache, was ich mache! Ich bin 18, fast 19 Jahre alt! Ich kann machen, was ich will, und wenn ich zu meinem Vater fliegen will, dann tue ich das eben!"

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt