#57 - Vorbereitungen

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Ich holte tief Luft und begann, die letzte Woche chronologisch geordnet zu erzählen. Papa hörte schweigend zu und unterbrach mich kein einziges Mal. Als ich zu Janas und meinem Hoteleinbruch kam, hörte ich ihn ein wenig lachen.

„Ihr seid mir schon so zwei, ihr habt schon immer jeden Blödsinn zusammen gemacht! Ich glaube, jeder wünscht sich so eine tolle große Cousine, wie Jana sie hat!", sagte er und ich konnte sein Lächeln förmlich vor mir sehen.

Ich erzählte weiter und schloss meine Erzählung mit den Worten ab: „Ja, und jetzt sitze ich hier und weiß nicht, wo mir der Kopf steht."

Ich seufzte und ließ die Stirn auf die Tischplatte sinken.

„Hm..", machte Papa nachdenklich, „das ist echt Wahnsinn, was du in der einen Woche durchgemacht hast."

Ja, das kann man wohl sagen.

„Falls ich Nico irgendwann in die Finger kriege, werde ich ein Hühnchen mit ihm rupfen müssen. Nein, nicht nur ein Hühnchen, sondern einen ganzen Hühnerstall!"

„Das wird wohl nicht so schnell passieren, schließlich hat er, soweit ich weiß, nicht vor, nach New York zu fliegen", gab ich sarkastisch zu bedenken.

„Ja aber Papa, was mache ich denn jetzt?", fragte ich verzweifelt.

„Lass es auf dich zukommen", meinte er. „Warte ab, was er macht. Ich meine, er muss ja irgendeine Reaktion zeigen, wenn er dich sieht. Erst dann kannst du entscheiden, wie du handelst. Du kannst nicht vorher festlegen, was du tust – er könnte dir ja auch einen Strich durch die Rechnung machen!"

„Hä, wie meinst du das?", fragte ich verwirrt.

„Naja, du könntest jetzt entscheiden, dass du ganz nett zu ihm bist, und dann zeigt er dir aber die kalte Schulter – womit ich aber nicht rechne. – Oder: du könntest sagen, du redest nicht mit ihm und dann rennt er dir aber den halben Abend hinterher und möchte das zwischen euch klären. Du kannst also nicht vorher entscheiden, was du machst, Schatz, das musst du auf dich zukommen lassen", erklärte er mir und ich musste zugeben, dass das in meinen Ohren ziemlich logisch klang.

„Aber dann weiß ich ja gar nicht, was auf mich zukommt! Dann kann ich mich ja gar nicht auf irgendetwas einstellen!", jammerte ich und fuhr mir frustriert durch meine Haare, riss die Hand aber sofort wieder hinaus, weil ich sonst meine schönen, extra gleichmäßig geföhnten Locken zerstören würde.

„Das wärst du so oder so nicht, Sam. Du weißt ja nicht, was auf dich zukommt."

„Okaaay, du hast schon wieder Recht", gab ich seufzend zu.

„Aber eins möchte ich klarstellen", sage Papa und ich runzelte misstrauisch die Stirn. Was kam jetzt??

„Und zwar?", hakte ich neugierig nach.

„Wenn ich schon Harry Styles als Schwiegersohn kriege, möchte ich bitte auch Mila Kunis als Schwiegertochter haben!", sagte er und wir brachen beide in Lachen aus. Ich bekam mich gar nicht wieder ein. Papa war so ein Vogel!

Wir lachten immer noch, als Mom und Leo ein paar Augenblicke später durch die Küchentür traten.

Ohne sie irgendwie zu begrüßen, sagte ich atemlos vor Lachen: „Leeooo, du musst Mila Kunis heiraten!!!"

Die beiden sahen mich an, als hätte ich ihnen gerade erzählt, dass ich von Obama schwanger sei. Papa und ich kriegten uns nicht mehr ein.

„Mit wem telefonierst du da?", fragte Mom vorsichtig und gleichzeitig auch ziemlich neugierig.

„Mit meinem lieben Papi", antwortete ich immer noch glucksend und beobachtete zufrieden, wie auf den Gesichtern der beiden sofort ein breites Lächeln entstand und Moms Augen anfingen zu strahlen.

Ich drückte sofort auf die Taste des Mithörers und legte das Telefon auf die Mitte des Tisches.

Dieses Frühstück war das schönste, das wir seit langer Zeit hatten. Es fühlte sich an, als ob wir wirklich alle vier in unserer Küche saßen und gemeinsam frühstückten.

Papa fing irgendwann an, am laufenden Band zu gähnen, und wir schickten ihn dann einstimmig ins Bett. Mom verkrümelte sich auch wieder in ihr Arbeitszimmer, schließlich musste sie noch die letzten Sachen organisieren. Beziehungsweise sie stand über Skype mit Wayne in Verbindung, der momentan alles in der Halle und dem Speisesaal fertig aufbauen ließ. (Tische mussten wir später decken.) Alles war minutiös getaktet. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, unter was für einer Spannung die Nerven meiner Mom standen.

Leo und ich räumten gemeinsam die Küche auf. Wir unterhielten uns ein über dieses und jenes und lachten viel dabei. Wir mieden extra die EMAs, ich wusste, dass Leo spürte, dass ich nicht darüber reden wollte. Dafür liebte ich meinen Bruder, dass er so etwas immer respektierte und mich einfach blind verstand.

Als wir fertig waren, ging ich zurück in mein Zimmer, schaltete meine Stereoanlage mit den riesigen Boxen an und mir fiel ein, dass ich heute ja noch gar nicht auf mein Handy geschaut hatte.

Seufzend griff ich danach und löste die Displaysperre. Die erste Nachricht, die mir ins Auge sprang, war natürlich von Jana. Sie hatte sich für viertel nach elf angekündigt.

Mein Blick sprang zu der Uhrzeitangabe von meinem Handy. 11.09 Uhr. Sie würde also gleich auftauchen und hier alles mit ihrer Aufregung auf den Kopf stellen. Na super.

Caro hatte geschrieben, dass ich mich melden soll, wenn ich Zeit hatte. Tja, das wurde schwer, Caro, ich hatte nämlich eigentlich gar keine Zeit.

Ich warf mein Handy auf mein Bett und fing an, die Sachen für den heutigen Tag in aller Ruhe zusammenzusuchen.

Wayne hatte gesagt, er bevorzugte es, wenn man eher in Leggings und Rock kam und nicht in Jeans. War kein Problem für mich, im Gegenteil, ich war eh ein Leggings-und-Strumpfhosen-Suchti. Ich trug nur ganz selten eine Jeans oder so.

Also legte ich eine schwarze blickdichte Leggings aus Strumpfhosenmaterial aufs Bett und meinen schwarzen H&M-Rock daneben. Als ich meine schwarze Bluse aus dem Schrank holte, grinste ich zufrieden. Ich hatte sie erst vor ein paar Monaten gekauft, sie war wirklich noch wie neu, schließlich hatte ich sie nur ein paar Mal beim Arbeiten getragen, bevor ich wegen des Abistress aufhören musste.

Ich legte sie ebenfalls aufs Bett und sprang dann die Treppe hinunter zum Schuhschrank bei der Haustür. Es kamen drei Paar Schuhe in Frage – meine hohen schwarzen Ankle-Boots mit ein paar Nieten; schwarze, vorne geschlossene High Heels, die ungefähr acht Zentimeter hoch waren, oder meine schwarzen Sandaletten mit kleinen silbernen Strasssteinen, die samt Plateau stolze 14 Zentimeter hoch waren.

Ich packte sie mir alle unter die Arme und wollte gerade wieder nach oben gehen, als es hinter mir an der Haustür klingelte. Ich drehte mich um und öffnete mühsam mit dem Ellbogen die Haustür und wappnete mich innerlich auf meinen Cousinen-Wirbelsturm, der hier gleich hineinschneien würde.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt