#20 - Babe!

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Ach du heilige Hühnerkacke.

Langsam ging ich auf ihn zu.

Er saß da und grinste mich schief an. Oh Gott, ich konnte an seinem schielenden Blick erkennen, dass er mal wieder gesoffen hatte. Na, das konnte jetzt spaßig werden.

Seine blonden Haare standen in alle Richtungen ab und er sah insgesamt ziemlich armselig aus.

Ich biss die Zähne zusammen und sagte ziemlich unfreundlich: „Wärst du so freundlich und würdest gehen."

Ich ließ es nicht mal wie eine Frage klingen, denn es war auch keine.

„Babe, ich hab dich so vermisst!", lallte er und stand schwankend auf.

Mein Herz sank mir in die Hose.

Ach du Scheiße.

BABE?!

„Ich bin nicht dein Babe, mein Lieber, schon seit einem halben Jahr nicht mehr", informierte ich ihn sachlich und wollte mich an ihm vorbei zur Haustür drücken. Ich wollte keinen Streit anfangen, ich wusste, wie er drauf war, wenn er getrunken hatte. In keinem anderen Zustand wurde er so schnell aggressiv und handgreiflich.

Doch ich kam nicht weit, denn er hielt mich an der Taille fest und drückte mich grob mit einem schmerzhaften Ruck mit dem Rücken gegen die Haustür.

„Aua!", rief ich, aber das interessierte ihn herzlich wenig. Er ließ seine Hände langsam zu meiner Hüfte runterwandern und lehnte sich mit seinem ganzen Körper an mich.

Ich versuchte mich zu wehren, doch versuch mal, gegen einen Footballspieler eine Chance zu haben.

Er atmete schwer und ich konnte nach Tequila stinkenden Atem auf meinem Gesicht riechen und spüren.

Mir wurde schlecht.

Ich versuchte wieder, mich zu befreien.

„Nico, verdammt, lass mich los!", sagte ich laut.

„Oh, die kleine Raubkatze wehrt sich. Wow, so mag ich's, das macht mich echt an", stöhnte er und begann, meine Halsbeuge zu küssen. Er löste eine Hand von meiner Hüfte und griff hart in meine Haare und zog meinen Kopf an meinen Haarwurzeln zur Seite. 

Ich hätte am liebsten vor Schmerz aufgeschrien, aber ich wusste genau, dass ihn das noch mehr angespornt hätte.

Mein Herz fing an, wie verrückt zu pochen. Aber anders als vor einem Jahr.

Vor einem Jahr hat mein Herz jedes Mal angefangen so zu pochen, wenn wir uns so nahe gekommen sind, doch damals war der Grund, dass ich so verliebt in ihn war.

Jetzt pochte es, weil ich stinkwütend war – und Angst hatte. Scheißangst.

Ich hatte nicht die geringste Chance gegen ihn. Er war in dem einen Jahr, das er jetzt weggewesen ist, nochmal um gut zehn Zentimeter gewachsen, jetzt musste er die zwei Meter fast geknackt haben. Ich hatte in Facebook gesehen, dass er in seiner Schule in Texas im Football-Team gewesen ist. Davor hatte er hier auch Football gespielt, aber in den USA Football spielen ist dann doch was ganz anderes.

Das merkte man ihm auch an. Er war zu einem richtigen Schrank geworden.

Seine eine Hand wanderte gerade von meiner Hüfte zu meinem Hintern, als ich immer noch fieberhaft und panisch überlegte, was ich machen konnte.

„Oh, Babe, ich habe dich so vermisst", murmelte er in meine Haare und fing an, an meinem Ohrläppchen zu knabbern.

Ich bekam am ganzen Körper eine Gänsehaut, aber nicht wie früher eine, weil es mir gefiel, sondern weil ich Angst hatte und mich gleichzeitig vor ihm ekelte.

„Ja, du hast mich wahnsinnig vermisst, du bist ja nicht mit einer Cheerleaderin nach der anderen ins Bett gesprungen, stimmt's", zischte ich durch meine zusammengepressten Zähne.

Meine Aussage ließ ihn innehalten und er richtete sich auf, wobei er fast nach hinten umfiel, wenn er sich nicht mit beiden Händen an meinen Hintern geklammert hätte.

Ich hätte kotzen können, so ätzend fand ich seine Hände auf meinem Körper.

Mir traten Tränen in die Augen.

Harry, ich brauche dich...

„Ach, das waren doch nur ein paar Späßchen, jetzt bin ich zurück bei meiner Prinzessin", sagte er lallend und lachte dabei ziemlich dumm.

Jetzt flippte ich aus.

„Deine Prinzessin? Deine PRINZESSIN?!", schrie ich schon fast und schubste ihn mit aller Kraft, die ich aufbrachte, von mir.

Ich hatte ihn kalt erwischt, außerdem war er betrunken, deswegen stolperte er nach hinten und fiel die Stufe runter. Er ruderte mit den Armen und landete dann auf seinem Rücken.

Ich stand immer noch an unserer Haustür, ein paar Meter von ihm entfernt.

„ICH GLAUBE, DU SPINNST!!!! Weißt du, wie ich mir die Augen aus dem Kopf geheult hab, als diese wunderbaren Fotos von dir aufgetaucht sind, wo man deinen Rücken über einem blonden Flittchen in irgendeinem Bett sieht?! Und versuch jetzt nicht, das zu leugnen, man kann genau deine Narbe an der rechten Schulter sehen!!! Oder die Bilder, auf denen du auf sämtlichen Partys immer mit anderen Ischen rumschmierst?!!"

Am liebsten hätte ich ihm ins Gesicht gespuckt.

Meine Wut und Enttäuschung, die ich seit einem halben Jahr zu unterdrücken geschafft hatte, wallte nun in mir hoch wie ein Tsunami.

„Gönnst du mir nicht mal ein bisschen Spaß? Hast du gedacht, ich geh da rüber nach Texas und mach einen auf Mönch und rühr keine von den heißen Ami-Tussen an?", fragte er und sah mich an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank.

„JA, stell dir vor, DAS HABE ICH GEDACHT!! Ich habe gedacht, dass du mich liebst und mir niemals fremdgehen würdest!!", fuhr ich ihn angepisst an.

Plötzlich rappelte er sich auf. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er sich noch so schnell bewegen konnte und wurde vollkommen von ihm überrumpelt. Er war in zwei Schritten bei mir und drückte mich mit voller Wucht gegen unsere Haustür. Mein Kopf knallte gegen die Tür und der Rand meines Blickfeldes wurde bedrohlich schwarz, doch ich kam knapp um eine Ohnmacht herum.

Ich fühlte mich so hilflos wie noch nie.

„Ich habe dich geliebt, Sam, aber kennst du die 400-Kilometer-Regel nicht?", raunte er mir ins Ohr und lachte dabei.

Doch, ich kannte die 400-Kilometer-Regel. Wahnsinnig witzige Regel, die bei Jungs so Gang und Gebe war.

>> Bist du mehr als 400 Kilometer von deiner Freundin entfernt, bist du offiziell Single und kannst tun und lassen, wonach dir gerade ist.<<

Bei jeder Erwähnung dieser beschissenen Regel stellten sich meine Nackenhaare auf und ich bekam Brechreiz..

Er drückte mich noch fester an die Tür und ich bekam keine Luft mehr. Ich versuchte, zu atmen, aber es ging nicht.

Ich fühlte mich so schrecklich. Mir liefen die Tränen über die Wangen.

Was mache ich jetzt nur?!?!

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt