#48 - Kapier's endlich, Nico!!

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Ich blieb ein paar Mal an den heiligen Büschen seiner Mom hängen. Die Frau war die geborene Gärtnerin, ich hatte noch nie einen Menschen so emsig in eiskalter Frühlingserde graben sehen.

Als ich es endlich bis zur Haustür geschafft hatte, wollte ich ihn loslassen und alleine stehen lassen, aber ich bekam seine Stahlarme nicht von meinen Schultern.

Okay, cool bleiben. Bloß keinen Streit herausprovozieren, das würde nur bitterböse enden.

Ich biss mir also auf die Zunge und schluckte, um meine Wut wieder runterzukriegen.

„Nico, wir sind an der Haustür, bitte lass mich los, damit du reingehen kannst und ich heimfahren kann", sagte ich ruhig und zog weiter an seinem Arm.

In einer fließenden Bewegung ging er direkt auf die Haustür zu, zog mich dabei erstaunlich fest mit und drückte mich mit dem Rücken gegen die Haustür.

Oh neeeein, nicht schon wieder!!, stöhnte ich innerlich.

„Nico, lass mich bitte los", sagte ich immer noch sehr ruhig. Ich schob seine Hände weg, die von meiner Hüfte hinauf zu meiner Taille wanderten. Er fing an, meinen Hals zu küssen, aber ich drückte ihn sofort weg von mir und er sah mir endlich in die Augen und nahm mich überhaupt mal richtig wahr.

„Ich bin nicht Josephine, ich bin Sam, deine Exfreundin. Kein kleines Flittchen, das geil auf alles ist, was bei drei nicht auf dem Baum ist", stellte ich klar und hätte am liebsten die Augen verdreht. Wie dumm konnte man sein.

„Du bist nicht meine Exfreundin", murmelte er, während er das Gesicht in meinen Haaren vergrub, die ich aus ihrem Dutt befreit hatte.

Okay, mir riss der Geduldsfaden.

Grob packte ich mit beiden Händen sein Gesicht und schob es eine Armlänge von mir weg. Er sah mich ziemlich bedröppelt an. Wenigstens konnte er mich wieder einigermaßen gerade ansehen, auch wenn noch genug Alkohol in seinen Adern floss.

„Nico. Jetzt hör mir mal zu. Wir sind nicht mehr zusammen. Ich bin deine Exfreundin, du bist mein Exfreund. Unsere Beziehung ist seit dem Moment zu Ende, als du in Texas das erste Mal ein anderes Mädchen geküsst hast. Und als du dich dann noch durch sämtliche texanische Betten gevögelt hast, war sie schon dreimal vorbei. Wir. Sind. Getrennt. Kapierst du das? Geht das in dein Erbsenhirn rein??"

Ich sah ihn durchdringend an und hoffe, dass damit meine Worte in sein Hirn sickerten und bei den wenigen Gehirnzellen landeten, die noch intakt waren und noch nicht durch Saufen, Rauchen und Kiffen abgetötet worden sind.

Er sah mich immer noch ganz schön dumm an, aber trotzdem hatte ich das Gefühl, meine Nachricht ist bei ihm angekommen.

Er öffnete den Mund, dann schloss er ihn wieder. Er ließ seine Hände von meiner Taille sinken, sodass sie leblos neben seinem Körper baumelten. Vorsichtig ließ ich sein Gesicht los. Deshalb vorsichtig, weil ich nicht wollte, dass er sich sofort wieder wie ein Aasgeier auf mich stürzte.

„Aber...", fing er an und ich dachte schon, jetzt kommt irgendein Geschwafel von wegen er hätte mich doch gar nicht betrogen blaaa bla.

„Aber ich liebe dich doch immer noch", vollendete er seinen Satz leise und sah kurz zur Seite, aber nach einer Sekunde trafen seine Augen wieder auf meine.

Eigentlich wollte ich die Augen verdrehen und ihm sagen, dass er erst einmal nüchtern werden sollte, aber ich konnte in seinem Blick sehen, dass er es ernst meinte. – wieder etwas, was ich wahrscheinlich immer sagen werden könnte. Ob er log oder ob er die Wahrheit sagte. Ich konnte es immer an seinen Augen erkennen. Und diesmal sagte er die Wahrheit.

„Tust du nicht", widersprach ich trotzdem. „Du liebst mich nicht. Sonst hättest du mich nicht so skrupellos unendlich oft betrogen."

Das machte Sinn. Sehr viel Sinn sogar. Ich meinte, wer betrügt seine Freundin, wenn er sie wirklich liebt?!

„Doch, tu ich, Sammy, tu ich wirklich!", sagte er jetzt ein wenig weinerlich und ich wäre am liebsten schreiend davon gelaufen. Ich hasste Betrunkene! Sie waren unberechenbar und außerdem waren sie nicht sie selbst. Sie taten Sachen, die sie sonst nie tun würden.

Wie zum Beispiel der Exfreundin mit weinerlicher Stimme seine ungebrochene Liebe gestehen.

„Ach komm, lüg nicht", schnitt ich ihm hart das Wort ab. „Du weißt genau, dass du lügst!! Du hast dich, seit dein Bett-Foto mit der Blondine aufgetaucht ist, kein einziges Mal bei mir gemeldet! Davor wurde der Kontakt auch immer weniger, aber ab da hast du nicht ein einziges Mal geschrieben oder angerufen! Nichts! Also lüg mir nicht so krass ins Gesicht! Oh Gott, wieso hab ich mich eigentlich jemals auf dich eingelassen?! Wie konnte ich nur so blöd sein! Du warst schon immer ein Arschloch, und du wirst dich auch nie ändern! Fuck man!" Ich raufte mir die Haare und ging ein paar Schritte auf dem Gartenweg an ihm vorbei und blieb mit dem Rücken zu ihm stehen. Ich wäre am liebsten zusammengebrochen. Wieso musste ich mich jetzt auch noch mit ihm rumschlagen? Mir reichte schon mein Liebeskummer wegen Harry, jetzt musste er auch noch alte, endlich verheilte Wunden wieder aufreißen oder was?!?

Ich drehte mich wieder um und mein ganzer Kummer, den ich wegen ihm empfunden hatte, spiegelte sich in meinem Gesicht wider.

„Weißt du eigentlich, wie weh du mir getan hast? Weißt du eigentlich, wie sehr ich gelitten habe? Ich habe eh schon gelitten, weil du weg warst, und weil du dich nie gemeldet hast – und dann kommen erst die Knutschbilder und dann auch noch dieses Bett-Bild!! Ich war am Boden! Ich hab tagelang nichts gegessen, ich hab tagelang das Haus nicht verlassen, ich hab mich stundenlang nicht mal bewegt! Ich hab dich geliebt, verdammt noch mal, und ich dachte, du liebst mich auch, und dann tust du mir sowas an?! Ich versteh's einfach nicht!!"

Ich musste mich so sehr beherrschen, dass ich ihn nicht anschrie, aber ich dachte daran, dass wir mitten in seinem Garten standen und außenrum alle Nachbarn plus Nicos Eltern gerade schliefen.

Zögernd ging er einen Schritt auf mich zu, aber ich wich nach hinten zurück. Wie gesagt, Betrunkene sind unberechenbar.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt