#132 - Hindernislauf und andere Probleme

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Mit einem riesengroßen Lächeln im Gesicht kam ich unten im Erdgeschoss an und stieß die Tür auf.

Ich nahm mir fest vor, Papa nach der Familie von Jason zu fragen. Ich hoffe sehr, dass er sie kannte und ich vielleicht mal bei ihnen babysitten konnte, wenn ich das nächste Mal in New York war.

Das Lächeln hatte sich jetzt auf mein Gesicht gebrannt, als ich zur U-Bahn rannte. Ich nahm nichts mehr um mich herum wahr. Ich war wieder auf meiner wunderbaren Wolke Sieben angekommen und nichts und niemand würde mich jetzt je wieder davon herunterschubsen.

Ich atmete einmal tief die New Yorker Luft ein, die mir immer Kraft gab, und stürzte mich dann in die Menschenmenge. Es war der Wahnsinn, wie viele Menschen hier unterwegs waren. Ich liebte New York so sehr.

Der Weg bis zur U-Bahn war wie ein Hindernislauf. Ich wich unzähligen Leuten aus, während ich halb rannte, halb joggte, sprang über Koffer, die herumstanden, fegte um Straßenecken, bis ich endlich da war.

Schwer atmend kam ich unten in der U-Bahn-Station an.

...war ja klar, dass die nächste erst in sechs Minuten kommen würde.

Maaaan, das konnte doch nicht wahr sein! Jetzt hatte ich eh schon einiges an Zeit durch meinen Hustenanfall im Treppenhaus verloren, jetzt musste die U-Bahn mich auch noch ärgern! Es war doch wie verhext! Wehe, ich schaffte es nicht pünktlich, dann würde ich echt Amok laufen!!!

Ich stützte meine Hände in die Seiten und versuchte, nach Atem zu ringen. Ich konnte wieder kaum atmen, meine Lungen fühlten sich an, als würden sie jeden Moment explodieren.

Ungeduldig wartete ich, bis das blöde, ratternde Ding um die Ecke kam.

Ich schwör's euch, das waren die längsten sechs Minuten meines Lebens.

Den Weg von der U-Bahn-Station bis zum Empire State Building rannte ich wieder wie eine Verrückte und setzte meinen Hindernislauf von vorhin fort.

Ich blickte im Rennen nach oben, aber konnte logischerweise nichts erkennen, schließlich war die Plattform irgendwo in 320 Meter Höhe oder so.

Plötzlich hörte ich etwas laut quietschen und hupen. Ich riss meinen Blick von dem hohen Gebäude los und war gerade noch so geistesgegenwärtig und sprang einen großen Satz zur Seite. Im gleichen Moment krallte sich eine Hand in meinen Oberarm und riss mich noch weiter zur Seite.

„Bist du verrückt geworden, Mädchen??!?"

Ich war wie erstarrt.

Mein Herz drohte zu hyperventilieren.

Mit glasigem Blick sah ich den Taxifahrer an, der mir einen Vogel zeigte und dann davon brauste. Ich atmete schnaufend ein und aus, während ich überhaupt die Situation jetzt endlich mal wahrnahm.

Ich stand am Rand einer vierspurigen, sehr befahrenen Straße.

Oh, Kacke.

Ich war ihm gerade einfach so vors Auto zu gelaufen.

Himmel, ich konnte froh sein, dass er mich gerade noch rechtzeitig gesehen hatte!

...und dass die Person mich zurückgerissen hatte!

Ich sah zu meinem Retter auf und sah in das faltige Gesicht eines grauhaarigen, nett aussehenden Rentners, der meinen Oberarm immer noch umfasst hatte, als hätte er Angst, dass ich gleich wieder losstürzen und auf die Straße rennen würde.

„Ist alles okay, Miss?", fragte er mich in einem gepflegten, etwas nasalen Englisch und sah mich besorgt aus seinen wasserblauen Augen an.

Ich nickte nur, da ich kein Wort herausbrachte, und atmete einmal tief durch.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt