#26 - F*cking Twitter

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Scheiße, schon zwölf Minuten.

Panisch sah ich mich um. Es war immer noch alles wie ausgestorben.

Keine Menschenseele zu sehen. Kein Harry zu sehen.

„Was mache ich denn jetzt?", fragte ich mich selber laut und schluchzte einmal auf. Ich setzte mich auf einen großen Stein, der am Wegrand lag. Meine Beine zitterten wie verrückt und ich begann zu frieren.

Es war inzwischen fast ganz dunkel. Ich versuchte mir einzureden, dass ich keine Angst hatte und dass ich auch keine Angst haben musste, schließlich war hier ja eh niemand.

Ich holte mein Handy heraus und tippte wie in Trance auf das Zeichen der Twitter-App. Sie ging auf und ich scrollte einmal mit dem Finger ganz nach oben. Plötzlich machte es plopp und ein ganz neuer Tweet segelte herein.

Ich bekam beinahe einen Herzinfarkt.

Harry.

DER TWEET WAR VON HARRY!!!

‚Wo bist du... ich warte auf dich... ♡'

Mein Herz klopfte wie verrückt und ich bekam fast keine Luft mehr.

Ich tippte den Tweet an und begann zu schreiben:

‚Harry, ich bin's, SAM!! Ich finde nicht hin! Ich sitze hier in der Dunkelheit. SAM'

Ich tippte auf kommentieren. Hoffentlich sah er meinen Kommentar. Ich hatte meinen Namen extra in Großbuchstaben und zweimal geschrieben, damit er ihm vielleicht ins Auge sprang, wenn er auf seine Benachrichtigungen ging, dort herunterscrollte und tausende Kommentare erschienen.

Ich war so froh darüber, dass ich meinen normalen Namen bei Twitter angegeben hatte und auch auf meinem Profilbild konnte man mich gut erkennen.

Ich legte mein Handy auf meinen Schoss, da ich nicht imstande war, es in meinen zitternden Händen festzuhalten. Ich starrte auf mein Display und verkrallte meine Hände unter meinem Kinn ineinander.

Ich atmete hektisch ein und aus.

Oh Gott, oh Gott, bitte lass ihn den Kommentar sehen, bitte!!

Ich zog die Seite immer wieder nach unten, um sie zu aktualisieren, aber nie kam etwas.

Mein Blick sprang zu der kleinen Uhranzeige in der oberen Mitte meines Handys.

18.45 Uhr.

Genau eine Viertelstunde.

Ich aktualisierte abermals, aber es kam immer noch nichts.

Ich tippte, um die Zeit zu überbrücken, die ich warten musste, bis ich wieder nachschauen konnte, ob er geantwortet hatte, damit, dass ich mir die Kommentare der anderen Fans durchlas.

‚Ich bin hier Harry! I LOVEEEE YOU!! Bitte RT!!'

'HARRY ICH LIEBE DICH BITTE BITTE LIES DAS ICH LIEBE DICH UND ICH KOMME ZU DIR WANN IMMER DU WILLST ICH LIEBE DICH'

Nachdem ich circa einhundert weitere Kommentare in dieser Richtung gelesen hatte, hielt ich es nicht mehr aus und aktualisierte Twitter nochmal.

Und mein Herz blieb stehen.

Ich versuchte zu atmen, aber meine Lungen verweigerten die Luftaufnahme. Ich krallte eine Hand in meinen Schal und schnappte panisch nach Luft.

Ich rutschte von dem Stein herunter und landete auf meinen Knien.

Mein Handy lag nun neben mir auf dem Gras. Ich konnte nicht danach greifen.

Ich konnte es nicht glauben.

Er hatte den Tweet gelöscht.

Einfach so.

Er hatte ihn gelöscht.

Er hatte es aufgegeben.

Er hatte mich aufgegeben.

Er hatte uns aufgegeben.

Ich spürte abermals diesen Schmerz in meiner Brust, der sich anfühlte, als würde er mich von innen auffressen.

Ich weiß nicht, wie lange ich noch so dran saß. Ich konnte mich nicht regen.

Irgendwann stand ich verbittert auf. Ich atmete tief durch, um mich zu beruhigen. Ich beugte mich wieder hinunter und hob mein Handy auf. Achtlos stopfte ich es in meine Tasche.

Ich ignorierte die Tränen, die mir die Wangen hinunterliefen. Ich wischte sie nicht einmal weg, denn ich wusste, dass das keinen Sinn hatte, es kamen eh immer wieder neue nach. Pausenlos.

Das Loch in meinem Herzen war wieder geöffnet. Und es blutete mehr als je zuvor.

Scheiß Popstar, dachte ich verbittert. Wieso hatte ich auch gedacht, er wäre nicht so, wie das Klischee einen Weltstar darstellte. Sie waren alle gleich in diesem Business.

Sie waren selbstverliebt, sie waren arrogant und sie dachten nur an sich. Und sie trampelten auf anderen herum.

Oder sie stahlen einem das Herz und gaben es nicht wieder zurück.

Als ich das dachte, weinte ich nur noch mehr.

Ich stand immer noch bei diesem Stein und konnte keinen Muskel rühren.

Plötzlich hörte ich ein Geräusch hinter mir.

Ich erwachte aus meiner Starre und wirbelte panisch herum.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt