#118 - ...dafür gibt es keine Worte.

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Ich hatte das Gefühl, dass ich gleich zusammenbrechen würde.

Krampfhaft klammerte ich mich an den Sitz der U-Bahn und ließ mich sanft durchschütteln.

Ich schloss die Augen.

Aber das nützte auch nichts, denn dann erschien nur er wieder vor mir.

Er, wie er im Gang des Hotels stand und mir hinterher sah.

Nächster Halt: Olympiazentrum. Endstation. Bitte alle aussteigen", ertönte die Computerstimme der U-Bahn.

Träge erhob ich mich als allerletzte und schwankte aus der U-Bahn.

Ich dachte gar nichts mehr.

Ich fühlte nichts mehr.

Und ich sah auch nichts mehr.

Ich hatte mich noch nie so schlimm gefühlt wie jetzt. Nicht, als ich die Fotos von Nico mit diesem

Blondchen im Bett gesehen hatte;

nicht, als ich seinen und Taylors Kuss gesehen hatte.

Mein Gehirn hatte alle Emotionen ausgeschalten, weil es wusste, dass ich es nicht ertragen konnte. Ich würde zusammenbrechen und niemals wieder aufstehen.

Mein Unterbewusstsein saß zitternd irgendwo in einer Ecke meines Gehirns und fürchtete sich vor dem Moment, in dem ich aufwachen würde und mit der Realität konfrontiert wurde.

Ich machte mir darüber keine Gedanken.

Ich machte mir überhaupt keine Gedanken mehr.

Meine Füße liefen von alleine durch den Irrgarten an Schotterwegen, der durch das Olympiagelände führte. Erst, als ich etwas Großes, Rotes vor mir sah, klarte sich mein Blick wieder und ich stieg in mein Auto.

Wo ich erst einmal eine Ewigkeit sitzen blieb. Reglos. Gefühlslos. Lebensleer.

Ich lehnte die Stirn gegen das Lenkrad und kauerte mich zusammen.

Irgendwann fing ich an, vor Kälte zu zittern.

„Komm schon, Sammy, fahr nach Hause", befahl ich mir selber murmelnd und startete den Motor. Ich zuckte zusammen, weil er in meinen Ohren so erschreckend laut dröhnte, und fuhr langsam los.

Wie in Trance lenkten sich meine Hände durch den ruppigen Münchner Sonntagmorgen-Verkehr. Meine Intelligenz - oder nennt es mein Fahrkönnen - fuhr alleine, während sich mein Hirn in einer Art Winterschlaf befand.

Oder eher Liebeskummerschlaf.

Totenschlaf.

Ich kam auf meinem Stammparkplatz an und stieg aus.

Ich schloss mein Auto ab. Und weinte immer noch. War ich eigentlich nie leer geweint? Ich hatte keine Ahnung. Es kamen immer wieder neue Harry-Tränen nach.

Mir war es egal.

Mir war alles egal.

Ich schloss die Haustür auf und ging in mein Zimmer. In unserem Haus herrschte eine Totenstille, die mich doch irgendwie verwunderte. Als ich auf die Uhr sah und bemerkte, dass es erst kurz nach acht war, wunderte es mich doch nicht mehr und ich verfiel zurück in mein Delirium.

Ich schloss meine Zimmertür hinter mir ab, weil ich keine ungebetenen Gäste haben wollte.
Ich schälte meine tauben Arme aus meiner Fleecejacke und ließ sie neben mir auf den Boden sinken.

Erst jetzt sah ich, was ich noch trug.

Sein T-Shirt.

Im Eifer des Gefechts hatte ich einfach meine Fleecejacke über sein T-Shirt, das ich zum Schlafen angehabt hatte, angezogen.

HeartbeatWhere stories live. Discover now