#73 - Nur noch ein paar Minuten...und vorbei.

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Ich ließ mich mühsam von Joy weiterziehen. Als wir fast die Schwingtür erreicht hatten, riss ich die Augen auf. Ich entriss ihr meine Hand und blieb stehen. Sofort drehte Joy sich erschrocken und überrascht zu mir um.

„Sam? Was ist los?", fragte sie verwirrt und kam wieder die paar Schritte zu mir zurück, die uns trennten.

Ich steckte meine Hand hastig in die Tasche meiner Schürze und zog das Etwas heraus, das Harry mir dort hineingesteckt hatte.

Ich war so blöd, ich hatte es beinahe wirklich vergessen gehabt!

„Das ist los", sagte ich leise, hielt den zusammengefalteten Zettel hoch und sie sah mich neugierig an. „Hat Harry mir da reingesteckt", erklärte ich und ihre Augen blitzen begeistert auf.

„Los los los, aufmachen!!!", befahl sie mir aufgeregt, doch da hatte ich den Zettel natürlich schon längst hastig auseinander gefaltet.

Es stand nicht viel drauf, aber das, was draufstand, ließ meine Knie weich werden.

‚Sam, ich würde dir niemals etwas vorspielen. Niemals.
Ich habe bei der Garage gewartet. Stunde um Stunde...
Ich würde überall auf dich warten, ich würde alles für dich tun.
Und ich werde niemals zulassen, dass dir je jemand wehtut.
Bitte glaub mir.'

 

Ich las den Zettel ungefähr zehnmal durch und Joy neben mir ebenfalls.

Ich atmete unregelmäßig und mein Herz drohte, stehen zu bleiben. Meine Knie waren wirklich weich wie Wackelpudding und ich hatte das Gefühl, als würde ich ein paar Zentimeter über dem Boden schweben.

„Oh. Wow", machte Joy neben mir, und im nächsten Moment entriss sie mir den Zettel.

„Ey!", beschwerte ich mich entrüstet, als sie ihn mir wieder in die Tasche stopfte und hastig nach meiner Hand griff. Sie riss mich am Arm zur Schwingtür und als wir hindurchtraten, zischte sie mir zu: „Jetzt weißt du, was auf dem Zettel steht und was er über dich denkt. Aber jetzt musst du dich dem Dessert und Biebz wieder widmen, sonst kriegen wir Mega-Anschiss! Hopp hopp!"

Verdammt, sie hatte ja so Recht. Ich musste weiterkellnern, da konnte ich selbst noch weitere 20.000 Zettel kriegen, darum kam ich nicht herum.

Ich atmete tief durch und setzte mich dann wieder in Bewegung. Joy war schon unterwegs, deswegen hatten die Jungs ihr auch schon ihre Aufmerksamkeit gewidmet, als ich vorbeilief, sodass ich ungehindert die Bestellungen an meinen beiden Tischen aufnehmen konnte.

„So, wer möchte denn alles ein Dessert?", fragte ich und wartete lächelnd auf die Antworten der Stars an meinem Tisch.

Usher bestellte eine Riesenportion Vanilleeis mit heißen Himbeeren, Ariana sagte mir schnippisch, dass sie auf diese Kalorien verzichten würde (na, wenn sie meinte, dass sie sich das entgehen lassen musste, bitte, nur zu) und als letztes wandte ich mich Justin zu.

„Wie sieht's jetzt aus mit meinem persönlichen Nachtisch?", fragte er ungeniert und grinste mich verführerisch an. Ach ja, er hatte ja den Wunsch ganz am Anfang geäußert, dass er mich gerne als Nachtisch hätte. Das hatte ich vor lauter Harry natürlich schon wieder vergessen.

Ich lächelte zuckersüß zurück und sagte scheinheilig: „Also du kannst zwischen den drei Desserts auswählen, die auf der Karte stehen."

Er sah mich ein wenig perplex an und raffte aber dann, dass ich ihm gerade einen Korb gegeben hatte.

Ich hörte ein Husten am Nebentisch. Ich drehte mich kurz hin und sah, dass Joy mich amüsiert über den 1D-Tisch hinweg mit funkelnden Augen ansah. Ich kannte diesen Gesichtsausdruck schon bei ihr: sie verkniff sich gerade mühevoll ein schallendes Lachen.

Justin bestellte sein Dessert – ein wenig muffig, musste man zugeben – und ich ging grinsend zurück zur Theke. Zusammen mit Joy, die jetzt lauthals in Gelächter ausbrach, als wir durch die Schwingtür gegangen sind.

„Shit man, sein Gesicht!", bekam sie atemlos heraus und hätte beinahe die Teller auf ihren Händen und Unterarmen fallen lassen.

Ich grinste ebenfalls. Sie hatte Recht, Justins Gesicht war wirklich unbezahlbar gewesen. Auch wenn es von mir nicht so die höfliche Art gewesen ist, wie ich ihn hatte abblitzen lassen. Naja, egal. Ich würde ihm eh nie wieder in meinem Leben begegnen.

Wir brachten die benutzten Teller zum Kücheneingang und ich ging abermals hinaus in den Speisesaal, um an meinem zweiten Tisch die Bestellungen aufzunehmen.

Als ich den Weg zu meinen Tischen ging, sah ich schon von weitem, dass mehrere Augenpaare mir folgten.

Einmal fünf Paar Augen am One-Direction-Tisch und dann noch einmal ein Paar am anderen Tisch.

Ich kam mir vor, als wäre ich die Leinwand im Kino. Jeder starrte mich an. Ich musste daran denken, wie Caro einmal beim Weggehen einen Kerl mit dem Spruch „Ey bin ich Kino oder warum starrst du mich so dumm an?!" angeraunzt hatte, weil er sie den ganzen Abend begafft hatte. Ich hatte mich damals nicht mehr eingekriegt und wäre vor Lachen beinahe erstickt. Caro ist natürlich nicht so amüsiert gewesen, kann man sich ja vorstellen – aber das machte das Ganze für mich noch witziger.

Als ich am Tisch von den fünf Jungs vorbeiging, sank mir wieder das Herz hinunter in die Magengegend. Mir war nur allzu sehr bewusst, dass ich nur noch wenige Minuten hier sein würde. Ich wusste nicht, was ich machen sollte.

Wahrscheinlich würde ich gar nichts machen. Ich würde brav meine Sachen zusammensuchen, in die U-Bahn steigen und nach Hause fahren.

Und damit wäre dann die Sache zwischen Harry Styles und Sam Ferroni gegessen.

Finito, zu Ende, aus, basta, amen.

Fuck.

Fuck fuck fuck.

Ich grübelte immer noch vor mich hin, als ich an Justins Tisch vorbeiging, sodass ich nicht mitbekam, dass er mich immer noch angaffte. Er hatte wirklich Gefallen an mir gefunden und das fand ich langsam irgendwie ziemlich nervig und unangenehm.

Ich nahm die Bestellung des anderen Tisches auf und ging wie in Trance zurück durch die Schwingtür zur Theke. Als ich dort ankam, warteten schon alle Gerichte auf mich. Dank dem Handbestellautomaten hatte die Küche in der Zwischenzeit, während ich hierher zurückgegangen bin, schon alles für mich fertig gemacht.

Also griff ich wie automatisiert nach den beiden Tabletts und brachte sie hinaus.

Als ich wieder zurücklief, wäre ich am liebsten zusammengebrochen.

Die EMAs waren vorbei.

Ich hatte in den letzten paar Minuten extra Harrys Blick gemieden, denn ich wusste, dass es mich nur noch mehr umbringen würde, wenn ich seine wunderschönen grünen Augen jetzt wieder sehen würde.

Das Dinner war vorbei. Die EMAs waren vorbei.

Mein Kopf war leer und ich fühlte gar nichts mehr. Es war vorbei.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt