#30 - The EMAs-Job

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Sie zuckte heftig zusammen und ließ ihre Teetasse fallen, die mit einem lauten Klirren auf dem Boden zerschellte.

„Ach Mensch, auch das noch!"

„Wieso, Scherben bringen Glück!", sagte ich, um sie aufzumuntern. Sie wollte schon aufstehen und die Scherben wegmachen, aber ich drückte sie wieder auf den Barhocker und holte sofort Schaufel und Besen hinter der Tür hervor.

Mom sah wirklich schlecht aus.

„Alles okay bei dir?", fragte ich sie, während ich die Scherben zusammenkehrte. Ich sah zu ihr auf und sie schüttelte den Kopf.

„Es geht gerade alles drunter und drüber", seufzte sie niedergeschlagen. „Leo hat sich vorhin beim Fußball einen Muskelfaserriss geholt, mein Kollege fliegt nach Madrid, weil seine Freundin jetzt in den Wehen liegt – hätte das Kind nicht eine Woche warten können? Nein, es muss ja genau jetzt sein, wenn wir in der anstrengendsten Vorbereitungsphase der EMAs stecken!" Sie ließ ihren Kopf in ihre Hände sinken.

„Und dann haben wir auch noch zu wenig Kellner. Gerade läuft alles schief, was nur schief laufen kann."

Ich runzelte die Stirn. Okay, jetzt kam ich nicht mehr mit.

„Kellner?"

Mom nickte. „Ja, die EMAs laufen doch dieses Jahr anders ab als sonst."

„Achso?", fragte ich, „davon weiß ich gar nichts und ich bin eigentlich deine persönliche Assistentin? Sollte ich über sowas nicht informiert sein oder so?"

Mom zuckte nur mit den Schultern. „Ja, aber du hast den tollen, aufregenden Bereich gekriegt. Du musst dich um die Organisation der Verleihung selber kümmern."

„Aha", antwortete ich, warf die Scherben in den Müll und drehte mich wieder zu Mom. „Und wie laufen die EMAs denn dieses Jahr ab?"

Ich ließ mich gegenüber von ihr auf den Barhocker sinken. Ich war dankbar über dieses Gespräch, es lenkte mich von meinem Liebeskummer ab, in dem ich bis zum Hals eigentlich stand.

„Also", begann Mom, „wir starten wie immer natürlich auf dem roten Teppich. Allerdings schon spätnachmittags! Danach gibt es den Sektempfang – oder eher Champagner-Empfang. Anschließend findet die Verleihung statt, was ja einige Zeit dauert. Wenn das dann alles rum ist, gibt es ein riesiges Abendessen."

„Wow", entfuhr mir leise. Wie geil!

„Wenn das Abendessen vorbei ist", fuhr Mom fort und fuhr sich mit der Hand müde über die Stirn, „dann haben wir in der Zwischenzeit den Saal, in dem die Verleihung stattgefunden hat, zu einer riesigen Partystätte umgebaut, wo dann also die After-EMAs-Party stattfindet. Nur haben wir gerade ein richtiges Problem. Und zwar sind viele Kellner verhindert, die wir uns eigentlich ausgesucht haben. Die Post hat es irgendwie geschafft, die Briefe, in denen die Einladungen für diesen Job drinnen waren, zu verschlampen. Also sind die Bescheide nicht rechtzeitig angekommen und die Leute haben jetzt schon was anderes vor oder müssen eben ganz einfach normal arbeiten. Aber wir können auf die nicht verzichten, schließlich müssen sie sich um den Sektempfang, am allermeisten um das Abendessen und um die Partygetränke kümmern!"

Okay, ohne Kellner würde man da echt alt aussehen, da musste ich ihr zustimmen.

Mom holte Luft und nagelte meinen Blick fest.

„Jetzt kommt deine große Stunde, mein Schatz", sagte sie und ein Lächeln stahl sich auf ihr müdes und angespanntes Gesicht.

„Wie bitte?", fragte ich perplex.

Ich? Was sollte ich denn jetzt machen?!

„Du musst einspringen, bitte. – Ich biete dir hiermit offiziell einen Kellnerjob bei den EMAs 2013 in München an."

„Das ist doch 'n Witz, oder?", fragte ich sie und ich starrte sie mit offenem Mund an.

Sie grinste verschmitzt, schüttelte den Kopf und meinte: „Wir suchen dringend nach geeigneten Leuten. Und du bist geeignet, schließlich hast du zwei Jahre lang schon gekellnert."

Das stimmte, ich hatte bis kurz vor dem Abi in einem bekannten italienischen Restaurant gekellnert, musste dann aber leider wegen des Abistresses aufhören.

„Meinst du das ganz ernst, Mom? Ich soll bei den EMAs als Kellnerin arbeiten? Jetzt ohne Witz?"

„Ohne Witz", gab sie zurück und nickte einmal.

Ich konnte es nicht fassen.

Oooohhh mein Gott, ich würde die WELTSTARS bedienen! Ich werde mitten drinnen dabei sein! Bei den EMAs!

Ich sprang auf und fiel meiner Mom um den Hals.

„Wie cool, wie cool, wie cool! Danke!!"

Sie lachte und löste sich von mir.

Plötzlich wurden ihre Augen ganz groß. Sie sah mich wohl zum ersten Mal richtig an, seit ich hier war.

„Sam, wie siehst du denn aus?? Hast du geweint?"

Sie strich mir über die Wange und ich antwortete nichts.

„Oh Gott, jetzt fällt mir erst ein – wie war dein Treffen mit Harry?", fragte sie aufgeregt.

Ich ließ mich zurück auf den Barhocker sinken.

Mir lief eine einzelne Träne die Wange herunter.

Ich erzählte Mom die ganze Geschichte und sie sah mich bestürzt an. Als ich fertig war, nahm sie mich fest in den Arm. Ich fühlte mich geborgen, aber nichts konnte mein gebrochenes Herz heilen.

Nach einiger Zeit verzog ich mich dann in mein Zimmer und rief Caro an. Ich erzählte ihr von dem Job als Kellnerin und sie war sofort Feuer und Flamme.

„Oh, wie krass! Geil! Waaahnsinn!" Sie bekam sich gar nicht mehr ein. „Warum hab ich nur keine Erfahrungen als Kellnerin, sonst könnte ich da auch hin", jammerte sie und ich hatte wirklich ein schlechtes Gewissen. Aber Caro hasste kellnern, sie meinte immer, es gäbe für sie keinen schlimmeren Job – aber ich wusste insgeheim, dass sie mich doch für meinen Job immer beneidet hatte. Und sie hatte es immer geliebt, wenn sie bei uns im Restaurant war und ich für ihren Tisch zuständig gewesen war.

„Ja, stimmt, das ist schade", stimmte ich ihr zu.

„Sam, weißt du eigentlich, was das heißt?", fragte sie plötzlich und klang ganz anders.

„Wie, was was heißt?", fragte ich und grübelte, was sie meinen könnte.

„Naja, du wirst ihm dann wohl oder übel begegnen."

„Hä, wem?", fragte ich ziemlich dümmlich.

„Ja, wem, du Pappnase", kam als Antwort.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt