#43 - Paaaam, (endlich) der große Auftritt

79.3K 3.6K 69
                                    

Hör auf, Samantha!, sagte ich mir selber, kniff die Augen zusammen und schüttelte leicht den Kopf, damit dieser Gedanke aus meinem Gehirn verschwand.

„Ihr wart so toll. Ich brauch dieses Video unbedingt", sagte Caro, während sie mir mein iPhone und meine anderen Sachen zurückgab.

Ich steckte mein Handy gerade ein, als mir jemand auf den Rücken sprang und in mein Ohr schrie: „WIR SIND DIE GEILSTEEEEEN!!!!"

Ilona rutschte von meinem Rücken runter und sah mich mit einem megabreiten Lächeln an. „Das war super, Saaaaaam!!!"

„Das kannst du laut sagen", antwortete ich ihr grinsend und umarmte sie.

Nach einer weiteren Viertelstunde wurde ich endlich in Ruhe gelassen und ich konnte mir an der Bar einen neuen Eistee kaufen. Ich war am verdursten.

„Puh, ich brauch frische Luft", informierte ich Caro und wir schlugen den Weg in Richtung Ausgang ein.

Als wir dort ankamen, gingen wir hinaus und lehnten uns an die Hauswand.

Wir waren gerade in ein Gespräch vertieft, als ich zwei Hände an meiner Taille spürte und sofort zusammenzuckte. Ich kannte diese Berührung zu gut.

„Verpiss dich, Nico", sagte ich, ohne mich umzudrehen.

„Du warst der Hammer, Babe", brummte er in mein Ohr und küsste meinen Hals. Genervt schob ich sein Gesicht weg von mir. „Als ich dich da vorne so geil tanzen sehen hab, hätte ich am liebste...."

„Spar's dir", fuhr ich energisch dazwischen. Ich wollte nichts von seinen schmutzigen Fantasien wissen. Schlimm genug, dass ich in ihnen anscheinend die Hauptrolle spielte. Angewidert schüttelte ich mich innerlich.

Plötzlich drückte er mich rückwärts gegen die Wand. „Was ist, wehrst du dich immer noch gegen mich?", sagte er und ich spürte seinen nach Bier stinkenden Atem auf meinem Gesicht. Ich hasste Bier über alles. Was hatte Nico schon alles getan, wenn er Bier getrunken hatte. Wie oft hatte ich deswegen geweint und ihm aber jedes verdammte Mal wieder verziehen.

Aber damit war Schluss. Aber sowas von.

Ich sah ihn nur an und antwortete ihm nicht. Ich wusste, dass es eh keinen Sinn hatte, weil er mir nur die Worte im Mund umdrehen würde und mich damit nur noch mehr in die Scheiße reiten würde.

„Gut", sagte er grinsend, als er merkte, dass ich nichts machen würde. Ich sah zu Caro und verdrehte die Augen. Sie hatte ihre Kiefer fest aufeinandergebissen und ich sah ihr an, dass sie ihm am liebsten auf den Rücken gesprungen und ihm die Augen ausgekratzt hätte.

Plötzlich schubste ich Nico mit aller Kraft von mir, sodass er mich erschrocken und überrascht losließ. Da er seinen Gleichgewichtssinn schon weitgehend durch den Alkohol betäubt hatte, stolperte er und fiel rückwärts auf seinen Allerwertesten.

Ich drehte mich auf dem Absatz um und griff dabei gleichzeitig nach Caros Hand. Ich steuerte auf den Eingang zu und drehte mich kein einziges Mal mehr um. Wir beeilten uns und mischten uns unten auf der Tanzfläche wieder unter die Leute.

Ich wusste, dass er lange brauchen würde, bis er mich finden würde.

Ich seufzte. Okay, das war gelogen. Ich wusste, dass er nicht lange brauchen würde, selbst in seinem Zustand nicht. Das war bei uns ziemlich unheimlich... Wenn wir irgendwo waren, sahen wir den anderen sofort. Es war, als würde der andere den eigenen Blick magnetisch anziehen. Es konnten noch so viele Leute auf einer Tanzfläche stehen – ich würde Nico immer sofort entdecken. Und er mich eben auch, egal ob er sternhagelvoll war oder nicht.

Früher war das super gewesen, als wir zusammen waren. Nico hatte mich schon so aus mancher heiklen Situation gerettet, wenn ich einen Kerl nicht loswurde und in mir die Panik ausbrach.

Aber leider hatte diese Gabe, den anderen zu finden, nicht aufgehört, obwohl wir nicht mehr zusammen waren. Das hieß dann wohl, dass er mich finden würde, wenn wir weiterhin so weit am Rand tanzen würden. Zwar war hier die Luft besser, aber ich wollte eigentlich meine Ruhe haben.

Also zog ich Caro weiter in die Mitte der Tanzfläche, damit man uns von der Seite nicht sehen konnte. Wir tanzten noch lange und ziemlich ausgelassen mit den anderen aus meiner Crew, bis wir beide so fertig waren, dass wir nach Hause wollten.

Ilona hing sich bei uns an und fragte mich mit klimpernden Wimpern und zuckersüßer Stimme, ob ich sie heimfahren könnte. Ich lachte. So war sie immer, aber das war kein Problem, da sie genau auf der Strecke meines Heimweges wohnte.

Wir gingen nun noch mal kurz zur Bar, weil Ilona ihre Pfandflasche zurückgeben wollte.

Ich stand gerade neben Caro an der Theke und wir warteten auf Ilona, als mich jemand grob packte und rückwärts gegen die Theke drückte. Die Kante drückte mir von hinten scharf in den Rücken, sodass mir die Luft wegblieb. Ich öffnete den Mund, um schnappend einzuatmen, aber da legten sich schon zwei raue Lippen über meine und begannen, mich wild zu küssen. Im ersten Moment war ich total geschockt, sodass ich mich nicht rühren konnte.

Dann kehrten meine Kräfte wieder zurück und ich schubste den Übeltäter von mir.

Dreimal dürft ihr raten, wer es natürlich war. Hm, gaaaanz schwierig.

Bevor ich überhaupt überlegen konnte, was ich tat, holte ich aus und scheuerte ihm eine.

„Verpiss dich, du Schwein, und lass mich endlich in Ruhe!!!!!", schrie ich und drehte mich auf dem Absatz um. Mit erhobenem Haupt ging ich davon und wartete draußen vor meinem Auto auf Caro und Ilona.

Ich stand Gott sei Dank ziemlich weit hinten auf dem Parkplatz, sodass ich im Dunklen war und niemand mitbekam, wie ich laut fluchend vor meinem Auto auf- und abstapfte und mich über meinen vermaledeiten Exfreund aufregte.

War er wirklich so blöd, dass er das nicht kapierte?! Oder tat er nur so und dachte, ich würde ihm wieder verfallen, wenn er mich oft genug küssen und volllabern würde?!

Endlich kamen Caro und Ilona.

„Sam, das war der große Auftritt!!", strahlte mich Caro schon von weitem an.

Verwirrt sah ich sie an. Hä?! Wieso sah sie so gutgelaunt aus?

„Sammy, du wolltest doch deinen großen Ohrfeig-Auftritt eigentlich letztes Wochenende auf Nicos Willkommensparty bringen – tja, jetzt hast du es eben hier gemacht", erklärte mir Caro lachend und wartete darauf, dass ich das Auto aufsperrte.

Benommen drückte ich auf meinem Schlüssel auf die Taste mit dem geöffneten Schloss und wir stiegen ein.

„Aber das hat doch gar niemand mitgekriegt?", fragte ich verwirrt. Ich verstand gar nichts mehr.

„Hahaha, von wegen!", ertönte es von der Rückbank und ich sah durch den Rückspiegel in Ilonas feixendes Gesicht. „Es hat sich ungefähr jeder umgedreht, als er dich überfallen hat und dann haben sich noch mehr Leute umgedreht, als du ihm eine geschmiert hast uuuund als du ihn angeschrien hast, haben dann so ungefähr alle hergeschaut."

„Ouh", war alles, was ich herausbrachte.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt