#68 - Frontalkonfrontation

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Ich rutschte vor Schreck von der Arbeitsplatte und wäre beinahe auf meinen hohen Absätzen umgeknickt, wenn ich mich nicht im letzten Moment auf der Platte abgefangen hätte.

Meine Augen brauchten einen Moment, bis sie sich scharf stellten, und ich erkennen konnte, wer vor mir stand. Ich hatte das Licht hier im Backroom nicht angemacht, deswegen war es ziemlich dunkel.

Aber ich hätte diese Person überall erkannt, die dort in der Tür stand und sich nicht regte.

Seine Locken zeichneten sich gegen das Licht draußen auf dem Gang ab und seine Statur kannte ich auch zu gut.

Er war hier.

Harry.

Er war wirklich genau hier.

Er stand vor mir.

Meine Augen waren weit aufgerissen und ich hätte mich beinahe zusammengekrümmt, so viele Emotionen durchfluteten mich gerade wie ein Tsunami.

Einerseits pochte mein Herz so schnell, dass ich kaum noch atmen konnte. Aber andererseits tat es so sehr weh, ihn zu sehen und zu wissen, dass er mir nie gehören würde.

Ich konnte nicht sagen, was mehr schmerzte.

Aber darüber würde ich mir später Gedanken machen müssen, denn jetzt stand er hier.

Und starrte mich an.

Ich war wohl ziemlich gut zu erkennen, dadurch, dass das Licht vom Gang auf mich fiel und mir direkt ins Gesicht schien.

Er ließ die Türklinke langsam los und kam auf mich zu. Als er beinahe bei mir angekommen war, schaltete sich mein Hirn wieder selber ein und mir kam der Satz in den Kopf, der hier schon allseits bekannt war:

Er ist Harry Styles. Vergiss ihn, es wird niemals funktionieren.

Und er hat den Tweet gelöscht, flüsterte eine kleine Stimme in meinem Kopf hinterher und alles in mir gefror zu Eis.

Als er nur noch einen Meter entfernt war und seine Hand schon nach mir ausstreckte, wich ich einen Schritt zur Seite aus.

Verwirrt sah er mich an und ich erwiderte seinen Blick.

Plötzlich legte sich in mir ein Schalter um und ich verschloss all meine Emotionen in mir. Ich schob einen Riegel davor, sodass keine Regung an die Oberfläche kommen konnte.

Ich sah ihn nur ausdruckslos an und er schien – laut seinem Gesichtsausdruck – nichts mehr zu verstehen.

Trotzdem sagte er leise: „Hier bist du endlich... Sam..."

Ich unterbrach ihn unwirsch und fragte: „Was willst du, Harry?"

Er ließ seine Hand sinken, die er noch nach mir ausgestreckt hatte, öffnete den Mund und schloss ihn dann aber wieder, weil er keine Ahnung hatte, was er antworten sollte. Er sah mich nur aus seinen grünen Augen an und sein Blick hätte beinahe den Riegel, den ich vor meine Gefühle geschoben hatte, gesprengt, aber ich konnte meinen Blick gerade noch losreißen, bevor das geschehen konnte.

Er kam nochmal einen Schritt auf mich zu, und ich wich synchron nach hinten zurück. Mein Blick sprang kurz zu seinen Händen, die schlaff neben seinem Körper hingen.

Gut, dass ich meine Emotionen verschlossen hatte. Ich wusste, dass mein Herz und mein Kopf sonst wieder einen riesigen Kampf hätten, ob ich zulassen sollte, dass er mich berührte oder nicht.

Ich sehnte mich danach, das Feuer wieder auf meiner Haut zu spüren, das ich spürte, wenn er mich berührte, aber ich ignorierte meine eigenen Gedanken. Ich redete mir ein, dass das nur zu meinem Besten war.

Harry schien wohl seine Stimme wiedergefunden zu haben, denn er fragte jetzt: „Wieso warst du nicht da? An der Tiefgarage? Ich habe auf dich gewartet..." Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und verzog ein wenig den Mund. „Ich dachte, du würdest kommen..."

Ich verschränkte die Arme und zuckte mit den Schultern. Ich sah ihn an und sagte gleichgültig: „Als ob das eine Rolle gespielt hätte. Ihr Superstars brecht einem doch eh nur das Herz, für euch ist das alles doch nur ein Spiel."

Ich spuckte ihm diesen Satz schon regelrecht ins Gesicht. Den Riegel vor meinen Gefühlen schüttelte es ziemlich und er drohte, sich zu lösen, aber ich konnte es gerade noch verhindern, indem ich tief durchatmete und mich einigermaßen beruhigte.

Auf das Nächste, das jetzt geschah, war ich nicht im Geringsten vorbereitet.

Plötzlich ging Harry den letzten Schritt, der uns trennte, auf mich zu, packte mein linkes Handgelenk und drängte mich einen Schritt nach hinten, sodass ich mit einem Ruck mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Er drückte mein Handgelenk neben meinen Kopf an die Wand und legte seine andere Hand an meine Taille, während er sich komplett von den Knien bis hinauf zum Oberkörper an mich lehnte. Unsere Gesichter waren nur ein paar Zentimeter voneinander entfernt, unsere Nasen stießen beinahe aneinander, so nahe waren wir uns.

Er hielt mich fest, als würde er damit rechnen, dass ich mich jeden Moment wehren und versuchen würde, ihn abzuschütteln und aus seinem Griff loszukommen.

Aber da brauchte er sich keine Sorgen machen. Ich war ihm vollkommen ausgeliefert.

Egal ob mit oder ohne Riegel.

Mein Körper reagierte so auf ihn, wie er es schon am allerersten Tag getan hatte. Ich konnte nichts dagegen machen.

Wir starrten uns in die Augen und ich spürte, wie er seinen Griff an meinem Handgelenk lockerte und seine Finger jetzt mit meinen verflocht. Seine Hand wanderte sanft und langsam von meiner Taille nach oben zu meiner Wange. Er strich leicht über mein Gesicht und ich spürte, wie mein Herz immer heftiger und schmerzhafter pochte.

Eine Stimme in meinem Kopf wollte mir panisch zurufen, dass ich flüchten sollte, dass das hier alles nur noch schlimmer machen würde, aber das Flattern der ganzen Schmetterlinge in meinem Bauch übertönte die Stimme. Davon abgesehen konnte ich mich auch überhaupt nicht mehr bewegen. Nicht nur, weil Harry mich regelrecht gegen die Wand nagelte, sondern weil ich keinen Muskel mehr rühren konnte.

Mein Mund öffnete sich leicht. Ich drohte, an Sauerstoffmangel zu sterben, weil ich vergaß zu atmen. Meine freie Hand wanderte langsam und benommen an seinem Arm hoch, bis ich mit der Handfläche über seine warme Wange strich.

Harry lehnte sich immer näher zu mir und unsere Lippen waren nur noch Millimeter voneinander entfernt... - als die Tür mit einem erneuten lauten Knall aufging.

Wir erschraken beide so heftig. Harry sprang einen Schritt nach hinten und im selben Moment ging das Licht an.

„Sam...", begann Wayne, der gerade den Raum betreten hatte, und stockte dann, als er Harry sah.

„Oh, Mister Styles, suchen Sie die Toiletten? Da sind Sie zu früh abgebogen. Kommen Sie, ich zeige Ihnen, wo sie sind."

Harry setzte sich benommen und wie ferngesteuert in Bewegung und ging hinter Wayne aus dem Raum. Er griff nach der Klinke, um die Tür hinter sich zu schließen, und drehte sich zu mir um. Ich lehnte immer noch an der Wand.

Seinen Blick konnte ich nicht deuten. Sah er verletzt aus? Sehnsüchtig? Genervt? Peinlich berührt?

Ich konnte es nicht einschätzen.

Das, was mir noch am ehesten in den Sinn kam, war, dass er es genauso beschissen fand wie ich, dass Wayne uns unterbrochen hatte.

Und genau in dem Moment, als er nach einer gefühlten Ewigkeit die Tür dann hinter sich ins Schloss zog, explodierte der Riegel und ich wurde von allen möglichen Emotionen durchflutet und überwältigt, die mich in die Knie zwangen und ich an der Wand hinunter kraftlos auf den Boden sank.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt