#63 - Keep cool, Samantha

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Die ersten Leute kamen herein und Joy und ich waren so abgelenkt, dass wir Nina erst bemerkten, als sie exakt vor uns stand.

„Mädels, wir haben vergessen euch etwas Wichtiges mitzuteilen. Wir haben zwei Fotografen engagiert, die nur für euch zuständig sind. Sie sind nur auf euch Kellner fixiert und sollen euch den ganzen Abend ablichten. Schließlich wollen wir, dass ihr auch eine Erinnerung an diesen Wahnsinnsabend habt und nicht leer ausgeht!" Sie strahlte uns an und wir strahlten zurück. Das war ja mega!, dachte ich begeistert.

„Also ihr dürft ihn auch mal zu euch her pfeifen, wenn ihr ein Foto mit einem Star haben wollt. Zeigt da nur keine falsche Bescheidenheit, später ärgert ihr euch, wenn ihr keine Fotos mit ihnen habt", meinte sie zwinkernd. „Wir schicken euch dann die Fotos per Post auf einer CD zu. Die Fotografen sind die beiden jungen dunkelhaarigen Kerle mit schwarzem Anzug, giftgrüner Krawatte und Nerd-Brille. – Und natürlich mit Kamera bewaffnet."

Mit diesen Worten drehte sie sich lächelnd weg und ging weiter, um die anderen auch noch zu informieren.

„Jetzt dreh ich gleich wirklich am Rad", sagte Joy schweratmend und ich konnte ihr nur zustimmen.

Wir sahen uns an, nickten uns zu und stürzten uns in das Getümmel.

Nach ein paar Minuten wünschte ich mir, dass das immer mein Job war. Die Stars waren alle total nett und gut gelaunt, jeder griff nach einem Glas und bedankte sich. Wir hatten alle Hände voll zu tun, aber mir hatte kellnern noch nie so Spaß gemacht. Der Fotograf war einmal bei mir in der Nähe und er fotografierte mich mit den Black Eyed Peas und Eminem. Ich zitterte so sehr, ich war nämlich ein Riesen-Eminem-Fan. Das Foto würde ich mir als Poster ausdrucken und ins Zimmer hängen, das stand fest. Oh Gott oh Gott, ich konnte es noch gar nicht fassen, wer hier alles herumlief!

Als Joy und ich zufälligerweise einmal gemeinsam an der Theke waren und unsere Tabletts wieder mit Gläsern füllten, fingen die Leute draußen plötzlich an, wie am Spieß zu schreien. Und hörten einfach nicht auf. Sie schrien und schrien, als ob sie jemand abstechen würde.

Joy sah mich an, legte den Kopf schief und meinte: „Also da gibt es jetzt nur zwei Möglichkeiten. Entweder ist Justin Bieber angekommen..."

„... oder One Direction", vollendete ich ihren Satz und fuhr fort: „Das ist ganz sicher One Direction."

„Wieso?", fragte Joy erstaunt.

„Mister Bieber kommt doch immer zu spät, und jetzt ist es noch zu früh für ihn, also ist das One Direction", meinte ich und versuchte, meine Stimme ruhig zu halten. Ich bemühte mich so sehr, dass ich nicht die Fassung verlor, wovon ich nämlich nur Millimeter entfernt war.

Zackbumm, Herzklopfen bis zum Hals. Mein Magen meldete sich auch mal wieder zu Wort und ich atmete zitternd ein. Cool down, Samantha. Cool down.

Wir warfen uns ein letztes Mal einen Blick zu und nahmen dann wieder unsere Tabletts auf, schließlich warteten die Weltstars darauf, mit Champagner versorgt zu werden. Diesmal war mein Tablett schon nach ein paar Augenblicken leer. Also rauschte ich wieder hinüber und begann, neue Gläser draufzustellen, aber plötzlich tauchte Wayne neben mir auf und meinte: „Nein, nein, nicht Gläser, Sam, nimm bitte Fingerfood." Er deutete hinter sich, wo hinter einem kleineren Tresen Tabletts mit den köstlichsten Köstlichkeiten standen.

Na gut, dann eben Essen. Essen war nie verkehrt, dachte ich grinsend.

Als mein Tablett beladen war und ich mich wieder unter die Stars mischte, traute ich meinen Augen nicht. Sie rissen sich alle förmlich um das Essen, was mich zum Lachen brachte. Ständig musste ich mein Tablett neu füllen. Ich hatte schon eine Zeit lang einen der beiden Fotografen an mir hängen, was mich tierisch freute, da ich nun mit ganz vielen Stars Fotos hatte. Ich musste all meine Konzentration bündeln, damit ich das Tablett festhielt und keinen kreischenden Teenie-Schreianfall bekam.

Ich ging erneut zur Theke, um wieder aufzuladen, als die Tür sich öffnete. Mein Kopf fuhr nach oben. Die Tür hatte sich ständig geöffnet, weil dauernd neue Stars hereintrudelten, also war das inzwischen nichts Besonderes mehr – aber ich hatte es gespürt. Er war jetzt hier.

Und dafür hätte ich mich am liebsten geschlagen.

Ich konnte spüren, dass er den Raum betreten hatte. Alles um mich herum verlangsamte sich und trat letztendlich aus meinem Blickfeld. Alles, was ich wahrnehmen konnte, war er. Mein Unterbewusstsein sah natürlich, dass sie alle fünf verboten gut aussahen, aber meine Augen klebten an Harry.

So schnell dieser Moment begonnen hatte, so schnell war er auch wieder vorbei. Ich hatte nur den Bruchteil einer Sekunde hochgeschaut, jetzt widmete ich mich schon wieder dem Essen unter meinen Händen.

Nach ein paar Sekunden (die sich wie eine halbe Ewigkeit anfühlten) riskierte ich einen erneuten Blick – und begegnete dem Blick aus seinen grünen Augen. Sie strahlten. Und trieben damit die Schmetterlinge in meinem Bauch zum Wahnsinn und darüber hinaus.

Hals über Kopf griff ich nach meinem Tablett und verschwand aus seiner Sichtweite, indem ich mich im hinteren Teil der Eingangshalle unter die Leute mischte.

Okay. Beruhig dich, Sam. Er ist jetzt da. Aber dir geht's gut. Beruhig dich.

Oh man. Ich verdrehte die Augen über mich selber und mein Herz. Liebe konnte so ein Arschloch sein.

Plötzlich stand mir meine rothaarige Lieblings-Mitkellnerin gegenüber.

„Ich hab gesehen, wie sie dich angeschaut haben. Alle fünf. Alter. Jetzt glaub ich dir erst recht", sagte sie in einer Affengeschwindigkeit, drehte sich dann wieder um und verschwand blitzschnell.

Ich sammelte mich wieder ein wenig. Die nächsten Minuten verstrichen, ohne dass etwas geschah, außer dass ich mit Jessie J fotografiert wurde. (Weswegen ich vor Freude und Aufregung natürlich wieder fast ausflippte. Das war jetzt Poster Nummer zwei in meinem Zimmer.)

Plötzlich sah ich, wie Louis Liam anstupste und mit dem Kopf in meine Richtung deutete. Liam sah zu mir und dann sofort wieder zu Louis. Sie sagten etwas zu den drei anderen und Harrys Kopf schnellte sofort in meine Richtung und hielt meinen Blick fest. Sie setzten sich in Bewegung und kamen auf mich zu.

Die Panik brach in mir aus.

Ohneinohneinohneinohnein, verdammt, Shit, oh Gott, ich muss hier weg!

Doch bevor ich mich überhaupt regen konnte, nahm ich schon Joy wahr, die einen Fotografen am Ärmel mit sich riss und auf One Direction zusteuerte. Ich konnte nicht hören, was sie sagte, aber sie wurden alle fünf von mir abgelenkt und widmeten jetzt Joy ihre Aufmerksamkeit, die sich jetzt mit jedem der fünf ablichten ließ. Währenddessen unterhielt sie sich mit ihnen und sie lächelten alle.

Ein kleiner Stich der Eifersucht durchzuckte mich, aber ich schüttelte den Kopf, damit er verschwand. Das war stumpfsinnig, ich musste nicht eifersüchtig auf Joy sein, also bitte. Himmel, ich war heute aber auch echt anstrengend, das musste ich selber zugeben.

Nach ein paar Minuten, die ich wieder weitergekellnert hatte, hatte ich keinen blassen Schimmer mehr, wo die fünf jetzt waren. Ich hoffte, dass sie von sämtlichen Reportern und Fotografen in Schwach gehalten wurden und mich inzwischen in dem ganzen Trubel wieder vergessen hatten.

Plötzlich tauchte wieder der Fotograf neben mir auf und zog mich am Ärmel mit sich. Ehe ich überhaupt kapierte, was er tat, ließ er mich auch schon wieder los und ich sah verdutzt von meinem Tablett auf.

Ich stand ihnen gegenüber.

Und sie strahlten mich natürlich alle fünf an.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt