#58 - Klappe, Kleine

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Kaum hatte ich die Klinke auch nur heruntergedrückt, bekam ich schon die Tür in die Seite geknallt und mir fielen alle Schuhe aus den Armen, die ich so mühevoll aufgestapelt hatte.

„Wuhuuu, halloooooo!!", ertönte Janas Stimme laut und sie stapfte hinein und schlug die Tür mit einem Rums hinter sich zu.

„Unsere Haustür hat eine Klinke", informierte ich sie und deutete dann auf die Schuhe, die auf dem Boden verteilt herumlagen.

„Aufheben", ordnete ich ihr an und sie kriegte große Augen. „Schau nicht so, du hast mir die Tür reingerammt, deswegen sind die mir alle runtergefallen, also kannst du sie jetzt auch nach oben tragen!"

Sie grummelte ein wenig und bückte sich aber dann, um ihre eigenen auszuziehen und meine aufzuheben. Ich nahm natürlich die Hälfte der Schuhe, ich war ja nicht komplett fies, auch wenn ich das manchmal gerne wäre, so genervt war ich ehrlich gesagt gerade von ihr.

„Willst du die alle anziehen? Gleichzeitig?", fragte sie und kicherte über ihren eigenen Witz. Ich verdrehte nur die Augen, aber das konnte sie Gott sei Dank nicht sehen, da ich mit dem Rücken zu ihr dastand.

„Was'n mit dir los?", fragte sie muffig, als sie hinter mir die Treppe nach oben lief.

„Du könntest  mir zuliebe 'nen Gang runterschalten, okay", sagte ich reserviert und spürte die Dolche förmlich in meinem Rücken, die sie mir mit ihren Augen hineinbohrte.

Doch Jana interessierte das nicht die Bohne. Sie plapperte und plapperte und plapperte. Dass sie die ganzen EMAs am Laptop schauen würde und dass sie sich extra ein Programm heruntergeladen hatte, mit dem man solche Internetvideos aufnehmen konnte und so weiter und so weiter. Ich hörte ihr gar nicht richtig zu.

Ich ließ die Schuhe neben meinem Bett runterfallen und ging ins Badezimmer. Meine Cousine flatterte mir wie ein Kolibri hinterher und schnatterte immer weiter.

„Halt – mal – die – Luft – an – okay", sagte ich möglichst ruhig durch meine zusammengebissenen Zähne und sie hielt mitten im Wort inne. „Kannst du dir vielleicht vorstellen, dass ich mit aller Kraft versuche, NICHT auszuflippen wegen heute Nachmittag, und dass du meine Nerven gerade überstrapazierst und ich dich am liebsten im hohen Bogen hinauswerfen würde?"

Ihr Mund klappte zu und sie sah mich mit ihren Welpenaugen an.

Tja, so viel zu meinem italienischen Temperament und der Tatsache, dass Caro wie immer Recht behalten hatte, dass ich niemals meine Klappe halten konnte.

„Danke, Schnucki", sagte ich matt und fuhr ihr einmal entschuldigend durch ihre Haare. Sie ließ sich stumm auf dem Toilettendeckel nieder und sah mir schweigen dabei zu, wie ich meine Haare betrachtete und überlegte, was ich mit ihnen machen sollte. Nach vier Komma drei Sekunden war sie nicht mehr sauer und wir überlegten gemeinsam, was wohl das Beste wäre.

Ich entschied mich dann für einen hohen, lockeren, schönen Dutt, in den ich ein paar Glitzerspangen in Form von kleinen (unechten) Diamanten setzte. Nicht zu schick, aber auch nicht alltäglich. Ich wollte die Haare hochmachen, weil es erstens eleganter aussah und zweitens würden sie mir nur im Weg umgehen, wenn ich kellnern musste – ich sprach aus Erfahrung.

Ich begann mich zu schminken und erzählte Jana von Harrys Anrufen bei Leo.

Sie war komplett baff und musste ihren Unterkiefer erst einmal wieder vom Badezimmerteppich sammeln und ihn wieder einrenken, so weit war er ihr nach unten gefallen.

„Abgefahren. Der ist Hals über Kopf in dich verliebt, da verwett ich meine ganze One-Direction-Fansachen-Sammlung drauf – und das ist echt viel!", sagte sie und sah mich ernst an, aber ich musste trotzdem lachen. Ich schob sofort den Gedanken an Harry beiseite. Nicht jetzt. Später würde ich schon genug damit konfrontiert werden.

Ich fuhr fort und erzählte von Papas Anruf. Ihre Augen strahlten, ich wusste, wie sehr sie sich für mich freute, dass ich mit Papa telefoniert hatte. Sie kannte mich schon mein Leben lang und wusste, wie nahe Papa und ich uns standen. Sie vermisste ihren Onkel außerdem ebenfalls.

„Hör auf deinen Papa", sagte sie und zwirbelte sich zum zweihundertsten Mal eine Haarsträhne um den Finger. „Er hat immer Recht, und es ist einfach dein Papa, der das gesagt hat."

„Ich weiß, und ich hab auch vor, das zu tun. Was anderes bleibt mir ja eh nicht übrig", gab ich zurück und steuerte wieder auf meine Zimmertür zu mit Jana im Schlepptau.

Genau als ich mein Zimmer betrat, vibrierte mein Handy auf meinem Bett und ich griff danach, um zu sehen, wer mir geschrieben hatte. Es war eine Facebook-Nachricht.

„Heeey, hab dich gestalkt bzw gesucht in Facebook und auch gefunden :D Gehst du heute auch etwas früher hin? Kann ja nicht schaden, wenn man einen guten Eindruck hinterlässt, oder? ;) Oh maaan ich sterbe bald vor Aufregung! :O Aber ich freu mich so sehr drauf, das wird so megamegageil!! :))) Und ich freu mich, dich wiederzusehen (: Bis später, Kuss Joy "

Ich lächelte. Ach, sie war echt so zuckersüß.

Ich antwortete ihr und wir verabredeten uns für zwanzig vor zwei vor dem Hintereingang. Durch den Haupteingang durften wir natürlich nicht reingehen, schließlich lag dort schon der rote Teppich und die ganzen Kamerateams waren alle schon da.

„So, meine Liebe, die Sprechstundenzeit ist jetzt vorbei. Ich muss mich noch komplett fertig machen und auch noch mit Caro telefonieren, sonst geht die demnächst an die Decke", informierte ich meine Cousine und diese sprang mir sofort in die Arme.

„Oh Gott, ich beneide dich so! Ich wär auch so gerne dabei!" Ich hörte sie leicht schniefen. Es war wirklich ein Stich für mich im Herzen, dass sie das Ganze nur auf dem Monitor anschauen konnte. Sie war total Star-besessen und das wäre einfach das perfekte Event für sie.

„Ich denk ganz fest an dich. Du wirst schon das Richtige machen, ich kenn dich, du bist meine große tolle Cousine und du meisterst immer alles", sagte sie und ich löste mich von ihr.

„Danke, das weiß ich zu schätzen", sagte ich lächelnd und begleitete sie noch hinunter zur Haustür.

Als sie weg war, tigerte ich wieder nach oben, um Caro anzurufen.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt