#45 - Saufnasen

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Ich konnte nicht anders und musste laut auflachen. Caro neben mir ebenfalls. Ich kriegte mich nicht mehr ein. Ich lachte so sehr, dass die anderen Leute, die sich hier aufhielten, bestimmt dachten, dass ich verrückt wäre. Aber ich konnte nicht anders, ich fand es irgendwie viel zu witzig.

„Yeeey, er fährt auch total auf dich ab, Josephinchen!", sagte ich lachend und versuchte, wieder richtig Luft zu bekommen. Caro neben mir lachte auch noch. Ich hatte das Gefühl, dass sie sich jetzt einredete, dass Carlos nur Josephines Opfer war und er sie ihn Wirklichkeit gar nicht küssen würde, wenn er nüchtern wäre. In diesem Punkt musste ich ihr zustimmen, da ich wusste, was die Jungs von Josephine hielten, aber das änderte trotzdem nichts daran, dass er keine Gefühle für Caro hatte. Wahrscheinlich kannte er nicht einmal ihren Namen.

 Ich sah unsere kleine blöde blonde Schlampe an. Sie brach jetzt in Tränen aus und schubste Nico von sich. Er kippte seitlich weg und ich fing ihn instinktiv auf, ohne dass ich überhaupt kapierte, was ich gerade tat.

Urplötzlich durchfuhr mich Mitleid. Ich ließ Nico vorsichtig neben Carlos auf den Boden sinken und drehte mich wieder zu Josephine um.

„Verzieh dich einfach. Merkst du nicht, dass du überflüssig bist?", sagte ich schlicht und doch ziemlich bissig und sah sie dabei intensiv an. Meine grünen Augen schienen wohl ziemlich zu funkeln, denn sie bewegte sich sofort roboterhaft auf die Treppe zu und verschwand schwankend nach unten.

„Heiliger...", sagte Caro neben mir und ich schnaubte nur als Antwort.

„Was ist hier passiert???", hörte ich eine dröhnende, tiefe und ziemlich aggressiv klingende Stimme so laut neben mir, dass ich zusammenzuckte.

Fuck, das war einer der Türsteher, die immer Kontrolle durch den Club liefen und die Leute, die zu betrunken waren, rausschmissen.

„Keine Ahnung, wir sind auch gerade erst gekommen", log ich glatt und sah den Security-Mann an, ohne mit der Wimper zu zucken.

„Dann werde ich die beiden jetzt rauswerfen und die Polizei rufen."

„Nein nein, das ist nicht nötig, wir kümmern uns um die beiden und ich fahre sie nach Hause", rutschte mir heraus. Shit. Aber jetzt war es zu spät, dass ich das zurücknahm.

Der Türsteher sah mich zweifelnd und ganz schön finster an, als Renés Stimme hinter mir erklang: „Wir machen das schon, wirklich!"

Der Türsteher nickte René zu (er wusste natürlich, dass René der Veranstalter heute war) und verzog sich nach unten.

„Danke, das war echt knapp", sagte ich zu René und sah hinunter auf die zwei Saufnasen, die beide mit hängendem Kopf, geschlossenen Augen und ziemlich schief an der Wand lehnten. Nico hingen ein paar blonde Strähnen in die Stirn und beinahe hätte ich mich hinuntergebeugt und sie ihm weggestrichen.

„Ja, da stimme ich dir zu, aber wieso hilfst du ihm?" Er sah mich fragend aus seinen dunkelbraunen Augen an. Ich schluckte und zuckte mit den Schultern.

„Ich hab keine Ahnung .... Gewohnheit?", antwortete ich matt und ließ es aber eher wie eine Frage klingen, oder ein Antwortvorschlag. Er sah mich mitfühlend an und widmete sich dann den beiden auf dem Boden.

„Ey, steht auf, ihr müsst hier raus, sonst gibt's end Stress!", sagte er laut und haute beiden ein paar Mal vorsichtig gegen die Wangen.

Nico rührte sich als erster und sah zu uns nach oben. Als er mich erblickte, wurde sein Blick ein bisschen klarer und er versuchte aufzustehen. Er wäre beinahe wieder umgefallen, wenn René ihn nicht gestützt hätte. Caro und ich standen extra mit einem Sicherheitsabstand von einem Meter von den Jungs entfernt. René lehnte Nico an die Wand und versuchte, Carlos zum Aufstehen zu bringen. Ich lief schnell zur Bar. Ich kannte die Barkeeperin, sie war ein paar Jahre in Caros und meiner Klasse gewesen. Sie lächelte mich zur Begrüßung an und ich erklärte ihr die Sachlage. Sie verdrehte grinsend die Augen und reichte mir wortlos ein Glas Leitungswasser. Ich ging zurück zu den Jungs und Caro und kippte erst Carlos das halbe Glas ins Gesicht. Dann drehte ich mich zu Nico und schüttete ihm den Rest ins Gesicht.

Beide prusteten und fluchten lallend vor sich hin.

„Du bist so hart, Sam", lachte René und schüttelte den Kopf. Ich zuckte nur mit den Schultern und meinte nur: „Frau muss sich nur zu helfen wissen."

Ich brachte das Glas zurück zur Theke. Als ich wieder zurückkehrte, war Carlos endlich auf den Beinen, aber Caro und René hatten Nico jetzt den Rücken zugedreht, sodass keiner von ihnen sah, dass er langsam aber sicher seitlich wegknickte. Ich beschleunigte meine Schritte und konnte Nico im letzten Moment festhalten, sodass er mit dem Kopf auf meiner Schulter landete und nicht auf dem harten Parkettboden.

René drehte sich blitzartig um und stöhnte erleichtert auf. „Gott sei Dank..."

Ich sah ihn nur genervt an, weswegen er sofort den Mund schloss und nichts mehr sagte. Er wusste genau, wie sehr mir das hier alles gegen den Strich ging.

Mit Nico halb auf mir liegend schleppte ich mich hinter Caro und René, der Carlos halb trug, zur Treppe und wir schafften es, die beiden ein Stockwerk tiefer zu bringen. Mein Blickfeld wurde bedrohlich schwarz an den Rändern. Nico hing wie ein nasser Sack über mir und es kostete mich alle Kraft, ihn zentimeterweise weiterzuziehen.

Ich sah vor mich und hätte beinahe aufgestöhnt. Wir waren jetzt im Erdgeschoss, aber der Ausgang lag auf der anderen Seite des Raumes, also musste ich Nico noch eine Treppe nach unten und noch eine nach oben schleppen, weil es von hier aus keine direkte Verbindung zum Ausgang gab.

Shit, das schaffe ich nicht.

Die Treppe runter ging noch einigermaßen, aber als ich vor der ersten Stufe stand, die nach oben führte, wäre ich beinahe wirklich zusammengebrochen.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt