#37 - Move your body

89.8K 3.6K 196
                                    

Mir fiel die Kinnlade herunter und ich starrte ihn an.

Das war jetzt aber ein Scherz, oder?!

„Ohne Witz?!", japste ich.

Mein Herz fing schon wieder an, schmerzhaft zu bumpern, und erinnerte mich dadurch daran, wie sehr ich seinetwegen momentan litt.

Als müsste ich daran erinnert werden. Ich schnaubte innerlich.

„Ohne Witz", bestätigte Leo und ich glaubte ihm sogar ausnahmsweise mal sofort.

„Du hast ihm aber nichts über mich gesagt, oder???", fragte ich panisch und krallte meine Finger in seinen Unterarm. Wehe, er würde jetzt sagen...

„Nein, steht auf meiner Stirn AUSKUNFT oder was! Der Kerl soll zu dir kommen und nicht anrufen, aber selber schuld, wenn er keine Eier in der Hose hat."

Ich wusste nicht, was ich antworten sollte.

Leo sah mich an und legte den Kopf schief. „Was ist da zwischen euch?", fragte er sanft.

Ich sah ihn nur an.

„Mom ist ja heute früher heimgegangen", fuhr er fort, ohne darauf einzugehen, dass ich ihm nicht geantwortet habe, „und da hat sie mir ganz schön heftig eingebläut, dass ich auf keinen Fall irgendwem etwas über dich erzählen darf, wenn jemand am Telefon nach dir fragt. Ich konnte nicht mal mehr antworten, da ist sie schon aus dem Büro gerauscht und hat mich ziemlich verwirrt zurückgelassen. Mann, ich hab mir so Sorgen um dich gemacht! Ich dachte, es sei irgendein Stalker oder Perverser oder so hinter dir her! Aber Gott sei Dank ist es nur Styles. ...Sammy, was ist los??"

„Ach... ist eine lange Geschichte.... Und 'ne absolut beschissene noch dazu..." Ich ließ seinen Arm los. „Leo, ich muss jetzt echt los zum Tanzen, wir reden heute Abend, okay?"

Ich ließ ihm auch keine Gelegenheit zu antworten und sprang in mein Auto und düste zum Studio. Die ganze Fahrt über platzte ich fast vor Neugierde und ich hatte meine Gedanken natürlich bei Harry und nicht im Straßenverkehr, wo sie eigentlich hinsollten. Ich war schon kurz davor, meinen Bruder anzurufen, damit er mir alles über Harrys Anrufe erzählen konnte, aber ich rief mir immer wieder streng ins Gedächtnis, dass ich ihn ja vergessen wollte.

.. Aber ich wollte es trotzdem wissen!

.. Aber ich durfte nicht.

.. aber...!!!

Ach verdammte Scheiße.

Als ich auf dem Parkplatz ankam, war es zwei Minuten vor halb sechs.

Ich grinste stolz in mich hinein, Gott sei Dank war ich pünktlich, ich wollte mir gar nicht ausmalen, was Ilona sonst für Kommentare von sich gegeben hätte, diese freche Ratte.

Mit beschwingtem Schritt stieg ich die Treppe in den ersten Stock und betrat unseren Übungsraum. Es waren natürlich alle schon da.

„Das Beste kommt zum Schluss", ertönte sofort Ilonas spöttischer Kommentar.

„Gut erfasst!", schoss ich zurück und drehte mich einmal um die eigene Achse, „jetzt ist das Beste da, also können wir anfangen!"

Ich ging zur Anlage und schloss mein Handy an.

Mir kribbelte es jetzt schon im ganzen Körper wie jedes Mal kurz vor dem Tanzen. Ich hatte den Rhythmus und die Leidenschaft fürs Tanzen einfach im Blut.

Ich stellte Boomerang von Akon ein und sofort bumperte der Bass aus den Boxen und ließ den Boden vibrieren. Ich atmete tief ein und spürte, wie sich die Ruhe in mir ausbreitete. Nichts beruhigte mich so sehr wie Tanzen.

Ich ging rüber zu Ilona, die ganz vorne vor den anderen stand, und stellte mich neben sie. Wir begannen mit dem Warm Up und ich merkte das erste Mal seit ein paar Tagen, dass das Leben in mich zurückkehrte.

Ich spürte den Bass in meinen Adern vibrieren und mein Puls beschleunigte sich. Mein Herz fühlte sich endlich wieder lebendig an. Ich lebte fürs Tanzen. Die Musik durchströmte mich, ich schaltete mein Hirn aus und gab mich ganz den Bewegungen hin, die mich irgendwie von innen zu heilen schienen.

Nach zehn Minuten Warm Up waren wir gut ins Schwitzen gekommen und wir tanzten anschließend ein paar Choreos, die alle von Ilona und mir stammten, und feilten an ihnen.

Wir waren echt gut, das stellte ich zufrieden fest.

Am Ende der anderthalb Stunden grinste mich Ilona plötzlich breit an und sagte: „Ich hab was Neues."

„Ehrlich??", fragte ich und lächelte zurück. Wie cool!

Sie nickte. „Ja, ich hab gestern dran gearbeitet und es taugt mir echt sehr!"

„Zeig! Sofort!", forderte ich sie auf.

Sie ging zur Anlage und wir setzten uns mit dem Rücken gegen den Spiegel, sodass sie genau vor uns tanzen würde.

Ilona machte sich an meinem Handy zu schaffen. Sie machte wohl YouTube auf, um den Song abzuspielen. Klar, bedien dich nur, dachte ich lachend und hätte ihr am liebsten die Zunge rausgestreckt. War ja mein Datenvolumen, das dabei flöten ging.

Sie tippte auf Play und das Intro eines ziemlich coolen Songs war zu hören. Meine geschulten Ohren erkannten natürlich sofort, dass es sich sicher um einen Remix handelte. Ilona und ich hatten beide eine Schwäche für Remixe. Wir nahmen eigentlich fast nur neu gemischte Sachen für unsere Choreos, das war irgendwie cooler.

Sie ging zurück in die Mitte des Studios, während das Intro weiterlief und ich immer mehr Gefallen an dem Song fand.

Dann begann sie zu tanzen – zeitgleich, als der Gesang anfing.

Und ich hätte am liebsten aufgestöhnt.

Es war ein Remix von Best Song Ever.

Meine Fresse, ich kam echt nicht um diesen Typen herum! Diese Band war einfach ÜBERALL!!! Ich verlange echt bald Schmerzensgeld von denen!!

Während ich zusah, wie Ilona tanzte und ihre blonden Haare dabei herumwirbelten, musste ich echt sagen – es war der Hammer. Sowohl ihre Choreo als auch der Remix.

Als sie fertig war und in ihrer Endpose stehen blieb, applaudierten wir alle wie verrückt und pfiffen. Sie strahlte uns an. Ich stand auf, umarmte sie und rief, sodass es alle hören konnten: „Das wird unsere nächste Choreo!!"

Alle johlten und wir lösten uns nach ein paar Minuten auf.

Breit grinsend ging ich zu meinem Auto, nachdem ich mich von jedem einzeln verabschiedet hatte. Ich fühlte mich so gut wie schon lange nicht mehr. Tanzen war einfach mein Leben.

Ich fuhr nach Hause und sang dabei die Songs laut mit, die mein Handy abspielte. Ich parkte mein Auto auf meinem Stammplatz und ging tanzend zu unserer Haustür, schloss sie auf und sang immer noch vor mich hin.

Ich sprang unter die Dusche, föhnte mir die Haare danach halb trocken, wurschtelte sie zu einem unordentlichen, hohen Dutt zusammen, zog mir Sweatshirt und eine frische Jogginghose an und ging Richtung Wohnzimmer.

Dort lag auf der Couch mein Bruder und sah fern. Als ich das Wohnzimmer betrat, schaltete er sofort den Ton aus. Ich sah ihn ein bisschen verwirrt an. Dann fiel mir erst alles wieder ein.

Oh.

Ach ja.

Harry.

Schluck.

Und mein Herz fing wieder an durchzudrehen.

„Also", fing Leo an und sah mich aus seinen großen Augen erwartungsvoll an.

(In der Kapitelinfo ist der Remix zu finden, zu dem Ilona ihre Choreo gemacht hat! :) Ach ja, Ilona stelle ich mir als Taylor Momsen vor --> ebenfalls ein Bild zu sehen (: Dicker Kuuuuss! ♡ )

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt