#69 - What now ... I hate Voicemails

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Ich rang mühsam nach Luft, als ich mich mit der einen Hand in die Arbeitsplatte krallte und mit der anderen hinter mir an der Wand abstützte. Mir wurde es schwarz vor Augen, also gab ich nach und schloss sie.

Langsam wurde es zu viel.

Ich konnte das nicht mehr aushalten.

Ich hatte innerhalb einer Woche zu viel erlebt, ich konnte es psychisch kaum noch ertragen.

Was sollte ich denn jetzt denken? Was war das gerade? Ich meine, es war mehr als überdeutlich, dass er mich küssen wollte. Aber wieso? Weil er meine Gefühle erwiderte oder weil das ein Spielchen für ihn war? Ich hatte ihm genau das schließlich unmittelbar davor ins Gesicht geschleudert. Vielleicht hatte ihn das noch mehr angespornt und er wollte sein Spiel vollenden?

Oder erwiderte er meine Gefühle doch?

Langsam setzte ich mich auf den Boden und streckte die Beine vor mir aus.

Okay, Sam. Stell dir vor, was Caro sagen würde.

Ich grübelte und konnte schon ihre Stimme in meinem Kopf hören:

‚Sam, ohne Witz, langsam kannst du nicht mehr behaupten, dass er deine Gefühle nicht erwidert. Er ist dir gefolgt und so weiter. Warum sollte er sich so viel Mühe machen? Außerdem, vielleicht hat er den Tweet einfach wirklich nur deswegen gelöscht, weil er dachte, dass so ein Tweet eh nichts bringt, weil du bestimmt nicht auf dein Handy schaust in dem Moment, wenn du eigentlich gerade auf den Weg zu ihm warst. Das ist ihm aber erst eingefallen, als er es schon gepostet hatte, und dann hat er es eben wieder gelöscht. Und er hat die Massenhysterie angehalten, die man in den Kommentaren ja schon ansatzweise lesen konnte. Mach dir nichts mehr vor, Sammy. Ich bin zwar auch nicht allwissend, aber ich glaube nicht, dass er dich verarscht.'

Ich öffnete die Augen wieder und starrte vor mir auf den dunklen Boden.

Ja gut. Und jetzt? Jetzt war ich zwar der Ansicht, dass er meine Gefühle erwiderte, aber was mache ich jetzt?

Wieder tauchte Caros Stimme in meinem Kopf auf und kicherte: ‚Geh doch einfach rein und küss ihn stürmisch vor versammelter Mannschaft.'

Haha, wie witzig. Ich verdrehte die Augen.

Ne, im Ernst jetzt?... Ich war jetzt genauso schlau wie vorher. Allerdings war ich jetzt noch aufgeregter als vorher. Meine Mundwinkel bogen sich nach oben. Ich konnte nicht aufhören zu grinsen.

Aber erwiderte er meine Gefühle wirklich?

Oh man, SAM, jetzt halt mal die Luft an und hör auf zu grübeln!!, schalt ich mich selber und verdrehte die Augen.

Ich richtete mich auf und stand wieder auf.

Ich kramte in meiner Tasche nach meinem Handy. Ich musste Caro Bescheid sagen.

Ich sah auf die Uhr und fluchte. Verdammt, ich hatte nur noch drei Minuten Pause, dann würde Nina kommen und mich wieder holen. In drei Minuten würde ich es niemals schaffen, Caro zu schreiben, was alles passiert war.

Kurzerhand wählte ich ihre Nummer, aber sie ging nicht an ihr Handy! Ich war erstaunt und gleichzeitig auch ein wenig sauer.

Na gut, dann muss eben eine Whatsapp-Voice-Mail herhalten. Ich hasste diese bescheuerten Sprachnachrichten eigentlich wie die Pest, aber gerade ging es nicht anders.

Ich tippte auf Caros Chat und hielt den Finger auf dem kleinen Mikrofon, damit mein Handy mich aufnahm.

„Hey Caro", fing ich an, in mein Handy zu sprechen, „ich hab grad zwanzig Minuten Pause, naja also eigentlich hab ich nur noch zweidreiviertel Minuten, deswegen schick ich dir das alles hier jetzt per Voicemail, weil ich das niemals mit Tippen in drei Minuten schaffen würde. Also. Ich hab dir ja schon vorhin geschrieben, dass ich nicht One Direction an meinem Tisch habe, aber dafür Justin Bieber – der ganz schön auf mich abfährt, muss man hinzufügen." Ich kicherte. „Joy hat ja One Direction exakt am Nebentisch, und laut ihr ist Harry ja anscheinend sooo eifersüchtig, weil Justin auf Teufel komm raus mit mir flirtet und ich natürlich zurückflirte. Bisschen provozieren wird ja wohl drinnen sein."

Ich ließ die Taste los und die erste Sprachnachricht wurde geschickt. Ich wollte es aufteilen, da ich mein Handy zu gut kannte und wusste, dass es manchmal einfach so sagte: ‚Nö, diese Sprachnachricht kann nicht geschickt werden.' Ich wollte lieber auf Nummer sicher gehen.

„Joa, also anscheinend ist Harry total eifersüchtig. Einmal hat er meine Hand berührt, als ich an ihm vorbeigegangen bin... Himmel, Caro, so hoffnungslos verliebt war, glaube ich, noch niemand..." Ich seufzte. „Und jetzt gerade habe ich eben zwanzig Minuten Pause gehabt. Jeder, der zwei Tische bedienen muss, kriegt diese Pause, hat Nina mir erklärt. Sie übernimmt dann nämlich die Tische in der Zeit. Ich war also vollkommen durch den Wind, als ich hier in den Raum gekommen bin, hab mich hingesetzt und den Kopf mit geschlossenen Augen gegen die Wand gelehnt, als mit einem Knall die Tür aufging. Krabumm, Harry. Wer sonst. Er kam auf mich zu, aber ich bin ausgewichen. Er meinte dann: ‚Hier bist du endlich... Sam.', aber ich habe ihn unterbrochen und gefragt, was er will, und dann hat er gefragt, wieso ich nicht zur Tiefgarage gekommen ist."

Ich schickte die Nachricht wieder ab und startete die dritte: „Ich hab dann geantwortet, dass es doch eh keine Rolle spielt, Superstars spielen doch eh immer nur Spielchen mit einem. Woah und dann ist er auf mich zugekommen und hat mich rückwärts gegen die Wand gedrückt. Irgendwie hat mich das in einer ziemlich negativen Art an Nico erinnert, aber egal. Er hat sich komplett an mich gelehnt und du kannst dir ja vorstellen, wie es in mir abging. Ich bin fast gestorben. Ich tu's eigentlich immer noch. Dann hat er seine Hand an meine Wange gelegt und ich irgendwie auch an seine – und dann ist Wayne reingekommen. Ohne Witz. Er hat Harry dann hinausbegleitet – und jetzt stehe ich hier. Und irgendwie glaube ich jetzt nicht mehr, dass er mich verarscht. Und ich hasse dich dafür, dass du nicht an dein Handy gehst, maan. ... Da hat echt kein Zentimeter mehr zwischen uns Platz gehabt .. und dann kommt Wayne rein, wie in einem schlechten Kinofilm, Caro! Ich pack's nicht! Was ist mit meinem Schicksal los?! Ist das auf Drogen oder was, dass es sich die ganze Zeit so 'nen gemeinen Bullshit ausdenkt?!?!... Naja, ich muss jetzt wieder weiterarbeiten, wünsch mir Glück und denk an mich. Ich hab keine Ahnung, was ich jetzt machen soll. Puh. Okay, bis später, Ca, ich hab dich lieb."

Ich schickte die letzte Nachricht ab und genau in dem Moment, als ich mein Handy wieder in meine Tasche stopfte, ging die Tür hinter mir auf und Nina lächelte mich an.

„So, Sie sind wieder dran, Madame!", sagte sie und deutete mit einer einladenden Geste in Richtung Speisesaal.

Ich schmunzelte und sagte im Vorbeigehen „danke für die Pause, Nina!" und machte mich wieder auf in Richtung Theke.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt