#31 - Teufelskreis

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Okay, das war eindeutig etwas krass.

Ich lag in meinem Bett und grübelte ein wenig herum. Es war der nächste Morgen und ich hatte wirr von den EMAs geträumt. Gott sei Dank konnte ich mich nicht erinnern, denn ich wusste nur noch, dass es absolut krank gewesen ist, was mir in meinem Traum widerfahren war.

Die EMAs.

Ich wusste ehrlich gesagt nicht, was ich von der ganzen Sache halten sollte. Ich meine, ich war einfach nur Feuer und Flamme, dass ich bei den EMAs kellnern durfte – aber ich würde ihm begegnen müssen. Von Angesicht zu Angesicht. Und ich werde mich nicht verstecken können, so viel ist klar. Wahrscheinlich würde ich ihm sogar sein verdammtes Champagner-Glas wieder auffüllen und dabei zuckersüß lächeln müssen, dachte ich verbittert und begrub mein Gesicht in meinem Kissen. Ich wusste nicht, ob mein zerbrochenes Herz das aushalten würde. Caro hat mir gestern Abend am Telefon noch gut zugeredet und alles, aber sie wusste genau, wie es mir ging, und ich wusste, dass sie mir insgeheim natürlich zustimmte. Jana war wie immer wieder was ganz anderes gewesen. Sie ist (mal wieder) total ausgeflippt, als ich ihr davon erzählt habe.

Trotzdem.

Ich habe Angst.

Und zwar verdammt große.

Mit einem Seufzer stand ich auf. Ich wusste, dass Mom heute erst gegen Nachmittag nach München fahren würde, also wollte ich endlich mal wieder gemeinsam mit ihr frühstücken. Ich krabbelte also aus meinem Bett und hievte mich ins Bad.  –  Man muss hinzufügen, ich bin absolut KEIN Morgenmensch.

Im Bad traf ich dann auf meinen Bruder, der sich laut singend die Zähne putzte. Hätte er nicht mit dem Radio mitgesungen, hätte ich den Song echt nicht erkannt. Mit Zahnbürste im Mund singen – ihr versteht schon...

„Guten Morgeeeen!", sagte er fröhlich und drückte mich kurz an sich.

„Mhhh...", gab ich grummelnd zurück und befreite mich aus seiner Umarmung.

Leo war genau das Gegenteil von mir am Morgen.

Ich putzte mir ebenfalls die Zähne, kämmte mir einmal notdürftig durch meine schwarzen Locken und tigerte dann in die Küche. Duschen würde ich nach dem Frühstück, also machte ich mir jetzt keine Umziehmühe, sondern blieb einfach im Schlafanzug.

Mom saß schon auf einem der Barhocker und las Zeitung.

„Guten Morgen, Schatz", sagte sie und lächelte mich an.

„Moaan", gab ich zurück und gähnte. Ich freute mich sehr, dass sie wieder besser gelaunt war. Mir tat es immer in der Seele weh, wenn es Mom schlecht ging und ich aber nichts dagegen machen konnte.

„Wir haben noch vier weitere potenzielle Kellner gefunden", erzählte mir Mom stolz. Sie ließ sie Zeitung sinken und ich setzte mich gegenüber von ihr hin.

„Ehrlich? Ist ja cool!", sagte ich und lächelte.

„Ja, aber wir haben damit also trotzdem ein paar zu wenig", seufzte Mom. „Also, Sam, ich muss dich jetzt mal genauer darüber informieren, okay?"

Ich nickte und sah sie gespannt an. Ich war mir jetzt mit mir selber einig geworden, dass ich das eine Fünftel von One Direction einfach ignorieren würde und fertig. Ich freute mich so wahnsinnig auf Samstag.

„Okay", begann Mom, „heute ist der Einführungstag."

„Heute?!", unterbrach ich sie und sah sie mit großen Augen an. Oh, okay, danke dass ich auch schon davon erfahre!?

„Ja, tut mir leid", entschuldigte sich Mom und sah mich zerknirscht an, „aber es musste halt wirklich schnell gehen."

„Macht nichts", beruhigte ich sie lächelnd und sie fuhr fort: „Es geht um zwei los. Ihr seid in einem Bürohaus direkt bei meinem Büro um die Ecke. Dort wird euch genau gesagt, was ihr machen müsst und so weiter. Dann fahrt ihr in den Saal und schaut euch alles an und müsst dann auch ‚probekellnern'. Es wird nicht schwierig, das kannst du ja eh alle schon."

„Ja, da mache ich mir auch keine Gedanken", sagte ich und grinste. Ich freute mich so sehr darauf!!

„Sammy...", fing Mom an und ich hörte gleich an ihrem Tonfall, in welche Richtung das Gespräch jetzt schlagen wird. „Dir ist schon klar, dass da dann One Direction herumlaufen wird?"

Ich nickte und schluckte. „Ja klar. Aber ich habe mir selber geschworen, dass ich mir von ihm nicht dieses Erlebnis versauen lassen werde!"

Mom lächelte ein wenig traurig, fand ich, strich mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und meinte: „Das finde ich gut. Auch wenn ich ihn an deiner Stelle noch nicht ganz abschreiben würde."

Ich sah sie stirnrunzelnd an. „Hä, wie meinst du das denn jetzt?"

Sie zuckte mit den Schultern und sagte nur schlicht: „Man sollte seine Entscheidungen nicht voreilig treffen."

Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, also sah ich sie nur stumm an und sagte nichts.

Da fiel mir etwas ein.

„Mom, falls er bei dir anrufen sollte oder falls der Manger anrufen sollte und sie fragen irgendwie nach mir – dann sag ihnen bitte, dass ich für sie nicht verfügbar bin. Okay??", fügte ich nachdrücklich hinzu und sah sie erwartungsvoll an.

Mom seufzte und versprach mir: „Okay, geht in Ordnung."

„Ich will einfach wirklich meine Ruhe haben. Wenn er mich weiterquälen will – das kann er vergessen, das mache ich nicht mit. Er hat mir überdeutlich gezeigt, wie viel ich ihm wert bin, also kann er sich verziehen."

Ich wickelte mir eine Haarsträhne um den Finger und betrachtete sie. Ich wusste, dass ich mir selber in die Tasche log. Ich wollte ihn nicht vergessen, auf gar keinen Fall. Ich hatte ihn doch gerade erst gefunden. Aber das Leben war einfach so verdammt unfair.

Ich seufzte und sah wieder zu Mom auf, als ich mir sicher war, dass die Tränen, die mir in die Augen gestiegen waren, wieder verschwunden waren.

Sie sah mich immer noch besorgt an. Ich wusste, dass sie an die Sache mit Nico dachte, und dass das hier wohl noch viel schlimmer enden würde, wenn es hier nicht stoppen würde.

Aber trotzdem tat es ihr wohl weh, dass ich trotzdem so litt, obwohl ich selber dachte, dass ich das Richtige tun würde.

Es war ein verdammter Teufelskreis.

Würde ich mich weiter in die Sache ziehen lassen, würde ich da wahrscheinlich nicht heil herauskommen.

Und würde ich es wirklich schaffen, es zu stoppen, würde ich genauso leiden.

Also war es eigentlich egal, was ich tat. Ich schnaubte innerlich. Das reinste Selbstmord-Kommando.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt