#121 - Der trübe Teich an Schmerz

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Die nächsten Tage verbrachte ich nur im Bett.

Ich lag da und dachte an nichts. Ich starrte nur an die Decke. Ich wandelte auf einem schmalen Grad zwischen Schlaf und Wachsein.

Ich war niemals richtig anwesend, und wenn mich doch mal irgendetwas an die Oberfläche zerrte, dauerte es nicht mehr lange und ich versank wieder in dem trüben Teich an Schmerz, in dem ich langsam, aber sicher ertrank.

Und wenn es zu viel wurde, schlief ich eben wieder ein...

~~~

„Willst du wirklich nichts essen, Schatz?"

Ich schüttelte nur den Kopf und starrte weiter in meine Teetasse.

Es war inzwischen Donnerstagabend und ich war immer noch blass, lebensleer, wortkarg und eigentlich nur körperlich anwesend.

Ich rührte mit dem Löffel durch meinen schon längst eiskalten Tee und atmete ruhig vor mich hin.

„Bitte, Maus, iss etwas", seufzte Mom und schob mir einen Teller voller Nudeln mit Schinken-Sahnesoße hin, die wirklich unwiderstehlich gut dufteten. „Du hast schon seit über vierundzwanzig Stunden nichts mehr gegessen!"

„Ich mag aber nicht", bekam ich gerade so heraus, zog aber trotzdem den Teller zu mir her. Ich aß ihn komplett leer, ohne irgendetwas zu schmecken.

„Danke", flüsterte Mom, die die ganze Zeit schweigend gegenüber von mir gesessen hatte, und drückte mir einen Kuss auf die Stirn, bevor sie die Küche verließ. Sie spürte genau, dass ich jetzt keine Gesellschaft ertragen konnte.

Ich ließ die Stirn auf die Tischplatte neben den Teller sinken und schloss die Augen.

Dadurch, dass nichts von dem schrecklichen Unfall gestimmt hatte (übrigens war in diesem Jet ein reicher Bänker mit seinen Angestellten ums Leben gekommen, der auf dem Weg von München nach London gewesen ist...), war ich wieder zu dem zurückgekehrt, was vorher war.

Ich musste über Harry hinwegkommen.

Ich hatte mein Handy seit Sonntagmittag ausgeschalten und hatte auch nicht vor, es demnächst irgendwann anzumachen. Ich wollte nicht lesen, was er mir für Lügen auftischte, von wegen er würde mich nicht verarschen, alles war wahr und blablabla. Ich glaubte ihm keine seiner Lügen. Für einen Weltstar gab es nur sich selber. Man selber war das Wichtigste, alles andere zählte nicht. Sie waren eiskalt, skrupellos und einsam. Und genau das ließ sie emotional abstumpfen.

Auch wenn Harry eigentlich nicht alleine war...., schoss mir durch den Kopf, aber ich verbannte diesen Gedanken.

Ich meinte nicht, dass er ja die Gesellschaft von Liam, Zayn, Niall und Louis hatte, sondern dass Weltstars in Sachen Liebe einsam waren.

Und Einsamkeit stumpft ab.

Also war ich nur ein kleines Spielzeug.

Hauptsache, ich musste ihm nie wieder begegnen.

Dann war alles gut.

Ich hob den Kopf von der Tischplatte und ließ den Blick in der Küche umherschweifen.

Eigentlich hatte Mom gar nicht Recht, dass ich jetzt keine Gesellschaft haben wollte.

Okay, es war wahr, dass ich jetzt keine Gesellschaft ertragen konnte... aber ich brauchte ihn.

Ich wollte jetzt einfach in seinen Armen weinen. Er war meine persönliche Medizin gegen Liebeskummer.

Ich musste zu ihm.

Also stand ich schwerfällig auf und schleppte mich die Treppe nach oben. Ohne anzuklopfen betrat ich Leos Zimmer und ließ mich wortlos neben ihn auf seine Couch sinken.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt