#105 - Ähm... Ja?

70.2K 3.4K 175
                                    

Im nächsten Augenblick stand er mir direkt gegenüber.

Keiner hinter mir nahm wahr, dass Harry hier stand.

Wir waren wie zwei Gefangene. Ich konnte nicht zu ihm zurück, weil der Kerl mit der Nerdbrille mich sonst wahrscheinlich an den Haaren nach draußen zerren würde, und er konnte nicht zu mir, weil ihn sonst um die achtzig kreischenden Mädchen überfallen würden.

Also trennte uns jetzt eine beschissene, perfekt polierte Glasscheibe.

Ich sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an und hatte den Mund leicht geöffnet.

Er stützte sich mit beiden Händen an der Glasscheibe ab und legte die eine Hand an die Stelle, an der meine Hand auch lag. Unsere Handflächen würden genau aufeinanderliegen – wenn da nicht diese blöde, blöde, BLÖDE Scheibe wäre.

Er erwiderte meinen Blick und in ihm spiegelte sich der ganze Schmerz wider, den er fühlte, weil er dachte, dass das Missverständnis mit Swifties Überfall immer noch zwischen uns stand.

Tut es nicht, Harry!, versuchte ich ihm telepathisch zu senden, aber er schien wohl auf einer anderen Wellenlänge zu funken, denn sein Gesichtsausdruck veränderte sich kein bisschen.

Plötzlich kam mir der Gedankenblitz schlechthin.

Ich richtete mich ein wenig auf und Harry reagierte sofort mit einem erstaunten Blinzeln auf meine plötzliche Bewegung. Ich zog hastig mein Handy aus meiner hinteren Hosentasche, drückte unten auf den Home-Button und hielt es ihm direkt vor die Nase.

Genau so, dass ihm das Bild von uns beiden von den EMAs, das ja immer noch meinen Hintergrund schmückte, perfekt präsentiert wurde.

Er musste es jetzt verstehen, er musste kapieren, dass ich Bescheid wusste!

Ich beobachtete sein Gesicht. Als er das Bild sah, blinzelte er noch einmal verwundert, aber dann machte es Klick in seinem Kopf und zogen sich seine Mundwinkel leicht nach oben. Er lenkte den Blick von meinem Handy zurück zu meinen Augen.

Das Lächeln hatte nicht seine schönen grünen Augen erreicht und auch die Grübchen waren noch nicht erschienen.

Verdammt, er hatte es wohl eher als traurige Reaktion aufgefasst und nicht als ‚ICH-WEISS-BESCHEID'-Message! Mist!

Händeringend überlegte ich, was ich sonst noch machen konnte.

Blitzschnell öffnete ich die Notizen-App, tippte kurz und hielt ihm zehn Sekunden später wieder mein Handy vor die Nase.

‚Ich weiß, dass Taylor dich überfallen hat! Ich habe das Video und Nialls Kommentar gesehen!',

hatte ich geschrieben und ich sah zu, wie Harrys Augen mehrmals von links nach rechts wanderten und meine Worte lasen.

Danach sah er zu mir auf –  und endlich breitete sich das Lächeln in seinem gesamten Gesicht aus und die Grübchen bohrten sich weich in seine Wangen.

Doch im nächsten Moment war er verschwunden.

Ich hätte beinahe laut geflucht, als ich den Nerdbrillen-Typi sah, der Harry am Ärmel zurück zur Fotowand zog, wo ja schließlich die nächsten fünfzig Fans aufgeregt auf ihre Fotos warteten.

Nach ein paar Augenblicken löste ich mich aus meiner Starre und drehte mich um. Ich lehnte mich mit dem Rücken an die Glasscheibe und sah direkt in Janas blaue Augen, die ein paar Meter von mir entfernt stand und die ganze Szenerie wohl mitangesehen hatte.

Sie kam auf mich zu und nahm mir mein Handy aus der Hand, damit sie lesen konnte, was ich ihm geschrieben hatte.

Seufzend lehnte sie sich neben mich und steckte mir mein Handy zurück in die Hosentasche.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt