#66 - Bisschen provozieren ist ja wohl erlaubt

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Ich straffte die Schultern und setzte mein strahlendstes Lächeln auf. Ich drückte den Rücken durch und fuhr mir noch einmal mit der flachen Hand über den Kopf, um zu prüfen, ob meine Haare noch saßen.

Dann setzte ich den ersten Fuß vor den anderen in meinen Mega-High-Heels und ging los.

Auf in die Höhle des Löwen. – oder was mich auch immer hier erwarten würde.

Wir liefen hintereinander aus dem Backroom, dann durch den Gang bis in den Speisesaal.

Mein Herz klopfte wie verrückt. Okay, Sam. Bleib ruhig.

Ich konnte mir noch so oft sagen, dass ich ruhig bleiben sollte, ich konnte es trotzdem nicht. Meine Knie zitterten und mein Atem ging nur stockend. Ich atmete tief durch und biss mir von innen auf die Wangen, damit ich mich beruhigte.

Als ich den Speisesaal betrat, wäre ich beinahe stehen geblieben. Mir stockte der Atem.

Es brannten mindestens nochmal dreimal so viele Lichter wie vorhin. Es sah aus, als hätte jemand den Sternenhimmel von draußen bestellt und hier in der Halle aufgehängt. Man konnte es gar nicht in Worten beschreiben, so wunderschön war es.

Während ich weiterlief, sah ich mich blitzschnell im Saal um, um zu checken, wo die verschiedenen Stars saßen, doch es ging so schnell, dass ich niemanden erkannte.

Als ich meinen beiden Tischen immer näher kam, wurde ich immer nervöser. Er würde da sitzen. Zwar nicht an meinem Tisch, aber ich würde den ganzen Abend zwanzigtausendmal an ihm vorbeilaufen. Das war zugegebenermaßen eigentlich noch schlimmer.

Was natürlich irgendwie gelogen war. Ich war komplett hin- und hergerissen. Einerseits wollte ich sein Gesicht sehen, sein wunderschönes Lächeln, seine atemberaubenden Augen. Ich wollte sehen, wie er meinen Blick erwiderte und mich wieder so ansah, wie er es vor einer Woche in der Tiefgarage getan hatte.

Aber andererseits.... andererseits ging mir nicht aus dem Kopf, dass er den Tweet gelöscht hatte. Mir ging nicht aus dem Kopf, dass er vorhin nichts mit mir geredet hatte. Und mir ging nicht aus dem Kopf, dass ich von Harry Styles sprach. Megastar. Von jedem angehimmelt. In einer anderen Liga. Unerreichbar.

So, und wie sollte ich mich bitte entscheiden, was ich jetzt denken sollte? Kopf sagt dies, Bauch sagt das,... verdammt.

Ohne rechts und links zu gucken ging ich auf meinen ersten Tisch zu. Es war der mit Taylor Lautner, Emma Roberts – und Taylor Swift, wie ich gerade erst feststellte. Die hatte ich vorhin gar nicht gesehen beim Champagnerempfang, und auf meinem Handbesteller war mir ihr Name auch nicht ins Auge gesprungen. Naja, egal, machte ja nichts.

Ich trat an den Tisch und stellte mich lächelnd vor. Ich konnte förmlich spüren, wie ich von der Seite angestarrt wurde.

Von wem wohl? Hm, keeeine Ahnung.

Ich nahm die Getränkebestellung auf und wandte mich lächelnd an den nächsten Tisch.

Mister Bieber und seine Gefolgsleute, dachte ich grinsend.

„Guten Abend, ich bin Ihre Bedienung, Sam. Was darf es denn zu trinken sein?", erkundigte ich mich lächelnd und bekam natürlich postwendend die Antworten.

„Kann ich auch dich haben als Nachtisch?", kam plötzlich von Justin und er grinste mich frech an.

Ich hörte einen Huster am Nebentisch und drehte leicht den Kopf. Harry starrte mich entgeistert an. Oh, er saß so nah, dass er das gehört hatte. Und er war nicht der einzige an diesem Tisch, der mich anstarrte.

„Sorry, aber der Nachtisch ist erst der fünfte Gang, dann kannst du deinen Wunsch ja nochmal äußern", antwortete ich und grinste kokett zurück. Justin zwinkerte mir einmal zu und ich drehte mich schmunzelnd um und ging zurück in Richtung Küche.

Während ich an One Directions Tisch vorbeiging, lächelte ich sie einmal zuckersüß an, ohne stehen zu bleiben.

„Whaaaat the fuck war das denn bitte?!?", kam sofort von Joy, die gleichzeitig mit mir an der Essenstheke bei der Küche aufschlug.

Ich grinste. „Bisschen provozieren", gab ich zurück und zuckte mit den Schultern und drehte mich zur Theke. Joy zog mich sofort am Arm, sodass ich gezwungen war, mich wieder zu ihr hinzudrehen.

„Was?", fragte ich unschuldig.

Sie sah mich nur mit hochgezogener Augenbraue an. Ich verdrehte die Augen und sagte leise: „Joy, du glaubst doch nicht ehrlich, dass ich an Bieber Interesse habe?! Falls du es vergessen hast, ich bin schon hoffnungslos in jemand anderen verliebt... Und diesen jemanden will ich damit nur aus der Reserve locken. Und er hat immerhin schon angebissen. Ich glaub, ich hab Harry noch nie so geschockt gesehen." Ich lachte, als ich an seinen Gesichtsausdruck dachte.

Joy sah mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. Ihre Augen waren riesengroß und ihr Mund war leicht geöffnet.

Ich seufzte.

„Joy, ganz ruhig. Mir geht's gut. Ich bin noch nicht durchgedreht. Naja, zumindest noch nicht ganz. Ich hör nur auf dich und auf Caro und auf meinen Papa und auf ... Ich hör auf euch alle: Ich lass es auf mich zukommen. Aber keiner hat gesagt, dass ich ihn nicht provozieren darf."

Mit diesen Worten drehte ich mich um und ging auf das Tablett zu, das am Rand auf der Theke stand und meine Tischnummer als kleines Kärtchen draufstehen hatte. Ich pfefferte das Kärtchen zur Seite und nahm das Tablett auf und ging zurück zum Tisch der beiden Taylors.

Ich lächelte jeden an, dem ich sein Getränk reichte, und würdigte den Nachbartisch keines Blickes.

Als ich wieder zurück zur Theke kam, war Joy ebenfalls wieder da und wartete lauernd auf mich.

„Sag mal, seit wann verstehen sich Taylor Lautner und Swiftie wieder?!", fragte sie mich neugierig. Ich zuckte mit den Schultern und sagte: „Glaub mir, das habe ich mich auch schon gefragt. Vielleicht sollte ich mal meine Cousine fragen, die weiß das bestimmt. Die ist ein wandelndes Prominenten-Lexikon auf zwei Beinen. Vielleicht läuft ja wieder was zwischen ihnen?"

„Uaah, dann könnte ich Taylor nicht verstehen. Also ihn, meine ich", sagte Joy postwendend und zog die Nase kraus. „Ich weiß nicht, ich mag die Swift irgendwie nicht. Ist mir irgendwie unsympathisch."

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich befasse mich nicht mit ihr, ist nicht meine Musikrichtung und ich interessiere mich sonst auch herzlich wenig für sie. Also kann ich nichts gegen sie sagen, weil ich nichts über sie weiß."

Schließlich war ich ein Kind des Hip Hops und da passte ihr Musikstil wohl nicht so ganz dazu.

„Außer, dass sie die Exfreundin deines Herzensbrechers ist", sprach Joy das aus, was mir gerade durch den Kopf ging.

Ich zuckte mit den Schultern. „Ja und? Das stört mich herzlich wenig, um ehrlich zu sein. Deswegen hasse ich sie nicht oder irgendwie so ein Blödsinn. Aber: ich muss jetzt wieder raus, Biebz ruft", sagte ich und wackelte grinsend mit den Augenbrauen.

Joy warf den Kopf in den Nacken und lachte. „Du bist so hart, Sam! Aber treib's nicht zu bunt! Pass auf, dass du nicht demnächst den nächsten Megastar am Rockzipfel hängen hast!", rief sie mir hinterher und ich lachte in mich hinein, während ich weiterlief und zurück in den Speisesaal ging.

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