#11 - Immer noch Nervensäge.

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Ich seufzte zum ungefähr tausendsten Mal. „Ja, sicher weißt du das. Die Information ist bestimmt wahr, woher du sie auch immer hast", erwiderte ich sarkastisch.

Sie sah mich an und schwieg. Ich konnte ihren Gesichtsausdruck nicht deuten.

Ich steckte die Zahnbürste zurück in den Becher und wusch meinen Mund aus.

Sie hatte immer noch nichts gesagt.

„Kommt noch was hinterher oder wäre das Thema nun damit endlich erledigt?", fragte ich schlicht.

Ich drehte mich zu ihr um, um sie anzusehen – und wurde von einem breiten Grinsen geblendet. Himmel, aus diesem Mädchen wurde man aber auch wirklich nicht schlau!

„Was ist denn jetzt schon wieder", stöhnte ich.

„Was ist.... wenn...", begann sie und spannte mich auf die Folter. Ich verschränkte die Arme und sah sie erwartungsvoll und gleichzeitig vorwurfsvoll an.

„...wennichausersterhandweißwosiewohnen!!!", rief sie blitzschnell und sprang direkt vom Toilettendeckel in meine Arme.

Ich fing sie perplex auf und ließ ihre Worte kurz sacken.

Wie bitte, sie wusste aus erster Hand, wo die Jungs waren??!

Ich löste mich aus ihrer Umklammerung und hielt meine zappelnde Cousine eine Armlänge von mir. Ich sah sie skeptisch an und fragte: „Und woher wollen Sie das bitte wissen, junge Dame? Hat Niall dir eine Nachricht geschrieben: ‚Ey Janny, wir sind im Bayrischen Hof, komm doch mal vorbei!'?"

Sie gackerte wieder los und meinte: „Nein, Quatsch. – aber diese Vorstellung ist schön...", seufzte sie verträumt.

Und lief aus dem Badezimmer.

Und ließ mich hier stehen.

Einfach so.

Ähm, geht's noch??

„Jana?!?", rief ich ungläubig und ging in Richtung Küche, wo ich sie vermutete.

Dort fand ich sie bei der offenen Kühlschranktür, während sie dessen Inhalt inspizierte.

Sie merkte wohl, dass ich es alles andere als witzig fand, und drehte sich zu mir. Nun bekam ich endlich die Erklärung: „Kannst du dich noch an den komischen, fetten Korbinian erinnern, der früher jahrelang neben uns gewohnt hat?"

Ich nickte. „Der, der so wahnsinnig in dich verknallt war?"

Sie knurrte und ich lachte. „Haargenau der. Ich habe den letztens in der Fußgängerzone getroffen – ich konnte leider nicht flüchten, sonst hätte ich das getan. Ja und dann war ich also gezwungen, mit ihm zu reden. Er hat mich ausgequetscht, also hab ich höflich, wie ich bin, zurückgefragt, was er denn macht. Er ist momentan in so einer Journalistenschule oder so - und stell dir vor, der macht momentan ein sechsmonatiges Praktikum in der BRAVO-Redaktion! Ich weiß, für einen Kerl nicht so sonderlich cool, hab ich mir auch gleich gedacht, aber er durfte schon voll viele Stars interviewen, darf immer mit an den Rand vom roten Teppich – und kommt an sämtliche Geheiminfos ran!"

Ihre Augen glänzten. „Und gestern Abend hab ich ihm eine Nachricht geschrieben und gefragt, ob er nicht zufällig weiß, wo unsere Schnuckis jetzt wohnen, schließlich wissen die von der BRAVO ja wirklich immer alles! - Erst hat er ein bisschen herumgedruckst, aber als ich ihm dann ein wenig Honig ums Maul geschmiert habe, von wegen ich bewundere ihn ja soooo, weil er so einen tollen Job hat – ist er irgendwann doch weich geworden und hat mir das Hotel genannt." Zufrieden widmete sie sich wieder dem Inhalt unseres Kühlschrankes, bis sie fündig wurde.

Ich sah sie ungläubig an. Mir blieb wirklich die Spucke weg.

„Ja und wie heißt das Hotel??", fragte ich aufgeregt.

„Keine Ahnung", meinte sie, ließ sich auf einen Barhocker plumpsen und fing an, Nutella direkt aus dem Glas zu löffeln.

„Wie, keine Ahnung?!?!" Ich verstand sie jetzt gar nicht mehr.

Sie schluckte runter, leckte sich ihre Schokoladenfinger ab und meinte schulterzuckend: „Naja, den Namen konnte ich mir nicht merken." Sie steckte sich die nächste Portion Nutella in den Mund.

„Aber ich hab die Adresse auf meinem Handy gespeichert", fügte sie schmatzend hinzu.

Mein Herz kam jetzt so richtig in Gang.

Oh mein Gott. Ich wusste praktisch, wo Harry war. Ich konnte ihn finden. – Aber hatte ich nicht noch vor ein paar Minuten beteuert, dass ich ihn nicht wiedersehen wollte??

Ich konnte nicht mit einem internationalen Popstar etwas anfangen. Er war immer unterwegs, er war von den tollsten Menschen der Welt umgeben und umschwärmt – wir stammten nicht einmal aus demselben Land! Wenn er zur Abwechslung mal frei haben sollte, würde er nach England zu seiner Familie nach Hause fliegen, und nicht zu mir nach Deutschland.

Ich musste ihn mir möglichst schnell aus dem Kopf schlagen.

„Also?", riss mich Janas Stimme aus meinen trüben Gedanken.

„Wie bitte?", fragte ich zerstreut.

„Wann fahren wir los?", fragte sie in einem Tonfall, der genau zu hören ließ, dass sie es kaum erwarten konnte, die ‚Styles-Jagd' zu starten.

„Gar nicht", sagte ich.

Sie verschluckte sich an einem neuen Löffel vollbeladen mit Nutella und ich klopfte ihr auf den Rücken. Als sie sich beruhigt hatte und wieder Luft bekam, sah sie mich an und sagte mit erstickter Stimme: „Spinnst du?! Ich habe mich für dich überwunden und habe Korbinian angeschrieben! Weißt du eigentlich, was das für ein Opfer ist?!" Sie sah mich anklagend an und wischte sich ein paar Tränen von ihrem Hustenanfall aus den Augenwinkeln.

Ich ließ mich auf den Stuhl gegenüber von ihr nieder.

Ich starrte auf die Tischplatte und krallte meine Hände ineinander.

Die nächsten Worte schmerzten so stark.

„Kannst du mich denn nicht verstehen, wieso ich nicht will? Kannst du dir vorstellen, wie es wäre, mit so einem Star zusammen zu sein? Das ist alles andere als witzig oder spaßig!" Dass ich mir gerade selber in die Tasche log, musste ich Jana ja nicht auf die Nase binden.

Sie sah mich an und sagte etwas, auf das ich nicht gefasst war: „Woher willst du das wissen? Du hast es noch nicht ausprobiert."

„Das ändert nichts an der Tatsache", erwiderte ich postwendend.

Sie unterbrach mich unwirsch: „Wieso denn?! Kennst du etwa jemanden, der mal mit einem Popstar zusammen war?" Sie zog eine Augenbraue in die Höhe und sah mich erwartungsvoll an.

Ich erwiderte ihren Blick und schwieg.

Sie hatte eigentlich Recht. Ich hatte es noch nicht ausprobiert und nein, ich kannte auch niemanden, der mit einem Weltstar liiert war.

Sie merkte, wie mein Widerstand bröckelte. Sie nahm meine Hände, die ich immer noch verkrampft knetete, löste sie voneinander und schob leise hinterher: „Du bist jung, du bist Single, es war Liebe auf den ersten Blick."

Sie holte tief Luft und platzte dann lautstark heraus: „Also schnapp dir den Kerl, verdammt noch mal!!!"

Ich schwieg. Ich wusste nicht, was ich machen sollte.

Ach scheiß drauf! Sie hatte wirklich Recht. Wie hieß es so schön: no risk, no fun.

„Na gut." Ich seufzte. „Wie lautet die Adresse?"

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt