#64 - Hi.

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Oh.

Ich war total überrumpelt, aber Gott sei Dank gab mein Hirn meinen Muskeln trotzdem den ersten Befehl, der mir in den Sinn kam:

Stehen bleiben, nicht weglaufen. Sei kein Feigling.

„Los, mit ihnen hast du noch kein Foto!", hörte ich die Stimme des Fotografen hinter mir und er bugsierte mich zwischen Zayn und Louis in die Mitte. Ich war total perplex, weswegen ich überhaupt nicht reagierte.

Als er seine Kamera hochnahm und den Finger auf den Auslöser legte, schaltete mein Hirn endlich und ich lächelte automatisch, ohne nachzudenken, mein schönstes Zahnpasta-Werbungs-Lächeln.

Mein Gehirn war immer noch nicht ganz hier angekommen, aber es wurde langsam. Nachdem es mehrmals geblitzt hatte, sagte er den Jungs, dass er jetzt bitte Einzelfotos mit mir machen wollte.

Ich blieb einfach stehen und rührte mich nicht.

Und plötzlich wachte ich mit einem Schlag wieder auf und die Panik kehrte zurück. Mein Herz klopfte bis zum Hals und ich schluckte schwer. Ganz ruhig, versuchte ich mich zum hundertsten Mal zu beruhigen.

„Woah geil, Essen!", hörte ich eine begeisterte Stimme, die mich wieder zurück zu den EMAs holte. Ich sah auf und Niall nahm schon das erste Häppchen von meinem Tablett.

„Hmmmmm", machte er, als er es kaute und grinste mich dabei an.

„Das ist das Beste, was ich seit langem gegessen hab, Sam!", sagte er, als er runtergegessen hatte. Ich grinste zurück, ich konnte nicht anders, er war einfach zu knuffig. Im Augenwinkel sah ich, dass der Fotograf total verwirrt dreinschaute.

Ups, Niall hatte mich gerade beim Namen genannt. Naja egal, ich würde diesen Fotografen nie wieder sehen, sollte er doch sonst was denken.

Ich wurde nach und nach mit den Jungs abgelichtet. Der Fotograf hatte mein Tablett auf einen kleinen Tisch gelegt, der neben uns stand.

Sie kamen nach und nach zu mir und lächelten mich an. Liam und Niall umarmten mich sogar und sagten, dass sie sich freuten, mich zu sehen.

Jetzt war nur noch er übrig.

Als Harry auf mich zukam, sah ich zur Seite und versuchte, mich wieder zu sammeln.

„Hi", hörte ich seine raue Stimme, die wie ein Hauch über meine Haut fuhr, und ich drehte mich langsam wieder zu ihm. Er lächelte mich leicht an.

„Hey", gab ich leise zurück und sah wieder auf den Boden. Ich war kurz davor, zu hyperventilieren. Ich versuchte, meine Atmung einigermaßen in den Griff zu bekommen.

„Also, Fotoooo!", rief der Fotograf und ich sah in die Kamera und lächelte breit. Er drückte ein paar Mal ab. Bevor ich es richtig checkte, hatte sich Louis neben den Fotografen gestellt und uns mit seinem iPhone ebenfalls fotografiert. Anschließend ließ er es wieder unauffällig in seine Anzughosentasche gleiten, als wäre nichts geschehen.

Als der Fotograf seine Kamera sinken ließ, ergriff ich die Flucht.

„Sorry, ich muss weiterarbeiten!", sagte ich schnell, winkte kurz zu Liam, Niall, Louis und Zayn und drehte mich dann zu meinem Tablett, schnappte es mir und eilte davon. Ohne mich noch einmal nach Harry umzudrehen. Das würde ich jetzt nicht überleben. Ich war eh schon fast gestorben, als er neben mir gestanden hatte. Obwohl, das ging noch einigermaßen. Richtig an die Grenze ging es erst, als er seinen Arm um meine Taille gelegt hatte und seine Wärme auf mich übergegangen war. Es hatte sich so angefühlt, als würde sein Arm dort einfach hingehören. Es fühlte sich einfach irgendwie richtig an. Ich hätte den Rest meines Lebens so stehen bleiben können...

Sam, hör auf, knurrte ich mich selber an.

Ich durfte so nicht denken. Er war Harry Styles und ich war ein Niemand. Das ging einfach nicht, egal ob wir beide wollten (wovon ich ja bisher nicht überzeugt war). Es ging einfach nicht.

Niall hatte mein ganzes Tablett leergefuttert (was für ein Wunder), sodass ich jetzt zur Theke ging und es wieder auffüllen wollte.

Als ich dort war, hielt mich Wayne auf und meinte: „Die Verleihung geht bald los und wir müssen die Stars alle rüber in die Halle bringen. Ich sag's dir, das ist schwieriger, als eine Kuhherde voranzutreiben!"

Ich lachte laut los. Der Vergleich war einfach zu gut! Und sein Augenrollen machte das alles noch viel witziger.

Als endlich alle Kühe, ähh Stars rüber gegangen waren, waren wir Kellner wieder allein. Wir räumten die Gläser schnell alle auf die rollbaren Tische und brachten sie in den Raum hinter der Küche, wo sich die Spülmaschine befand und die Küchenhilfen uns die Gläser abnahmen.

Wir hatten jetzt über eine Stunde Zeit, dann mussten wir uns erst wieder bereit machen für das Abendessen. Oh, Pardon, Dinner meinte ich natürlich (wie Wayne ja immer zu sagen pflegte).

Nachdem wir die Gläser zurückgebracht hatten, ging ich nicht mit in den Backroom wie alle anderen, die laut schnatterten und total aufgeregt waren, sondern um die Ecke und tigerte in dem ausgestorbenen Gang auf und ab.

Ich musste mich beruhigen. Ich drohte immer noch, zu hyperventilieren. Mir standen die Tränen in den Augen und meine Atmung ging nur stockend.

Fuck fuck fuck.

„Sammy!", ertönte Joys Stimme leise und ich drehte mich zu ihr um. Sie stand vor mir und sah mich mitfühlend aus ihren großen blauen Augen an.

„Ist alles okay?", fragte sie vorsichtig und ich zuckte mit den Schultern.

War es das?

Ich wusste es nicht.

Ich wusste nur, dass er nur „hi" gesagt hatte. Sonst hatte er nichts gemacht.

Ein Foto und das war's.

Er hatte sonst nichts gesagt, nichts getan, nur stumm dagestanden.

„Ich hab's gesehen...", murmelte Joy und strich mir beruhigend über den Arm. „Ich umarme dich jetzt nicht, okay, sonst rollen dir gleich wirklich die Tränen über die Wangen..."

Ich nickte nur. Ich traute meiner Stimme nicht, sie würde wahrscheinlich brechen, wenn ich sprechen würde.

Ich begann wieder, auf- und abzulaufen.

Wieso war mein Leben plötzlich so verhext und verflucht?! Was hatte ich verbrochen?!

Ich dachte zurück an den kurzen Augenblick, als wir nebeneinander gestanden hatten. Sofort begann mein Herz wieder, laut zu pochen und mein Kopf summte. Ich schloss kurz die Augen, um mich zu sammeln. Das war allerdings keine gute Idee, denn sofort erschien sein Gesicht wieder vor mir, als er mich gegrüßt und angelächelt hatte. Das war erst das zweite Mal, dass ich sein Gesicht so nah vor mir gesehen hatte. Das erste Mal war damals in der Tiefgarage gewesen. Es fühlte sich an, als sei das schon Monate her und nicht erst eine Woche und ein Tag. Wahnsinn.

... eine Woche, und schon stand alles auf dem Kopf. Mein gesamtes Leben.

„Hat er gar nicht mit dir geredet?", fragte Joy leise.

„Hi", antwortete ich und kniff den Mund zusammen. Meine Tränen waren wieder verschwunden. Gott sei Dank.

„Mehr nicht?!", hakte Joy ungläubig nach und ich schüttelte niedergeschlagen den Kopf.

„Naja, ist ja erst einmal egal."

„Ach, ist es das?", gab ich matt zurück und sie lächelte und sagte zwinkernd und aufmunternd: „Klar, es ist ja noch nicht aller Tage Abend. Der Abend geht noch ein bisschen länger, Spätzchen, let's see what will happen."

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt