#32 - Joy

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Ich seufzte laut auf. Mom sah mich fragend an.

„Es ist ein Teufelskreis", sagte ich und verzog traurig den Mund.

Sie sah mich weiterhin fragend an und ich fuhr fort: „Es ist egal, was ich mache." Ich legte meine Hände auf den Tisch und betrachtete sie. „Wenn ich sage, okay, ich stoppe hier alles" – ich schob meine linke Hand weiter nach links – „dann werde ich trotzdem leiden. Ich spür's. ..Und wenn ich sage, ich versuche es und rede mit ihm und so" – ich schob meine rechte Hand in die entgegengesetzte Richtung – „dann werde ich wahrscheinlich ebenso leiden." Ich sah Mom verzweifelt an. „Ich meine, hallo, wir reden hier von Harry Weltstar Styles? ... Außerdem, woher weiß ich überhaupt, dass er es ernst meint." Ich ließ meine Hände vom Tisch gleiten und in meinen Schoß sinken. „Wahrscheinlich macht er das eh einfach in jeder Stadt, dass er ein Mädchen findet, ihr den Kopf verdreht und sie dann mit gebrochenem Herzen zurücklässt."

Ich stöhnte auf und ließ mit einem dumpfen Bong meine Stirn auf die Tischplatte sinken.

„Tja, ich kann dir deine Entscheidung nicht abnehmen, Maus. Das musst du alleine wissen", sagte Mom und ich spürte, wie sie sich eine meiner Locken um den Finger wickelte. „Ich hasse diesen Spruch, aber diesmal passt er wirklich: Hör auf dein Herz. Anders wird man nicht glücklich. Der Verstand sagt einem nur, was man machen soll, damit man möglichst wenig Schaden davonträgt. – Aber der Verstand ist auch nicht allwissend. Er weiß nicht, ob das Risiko es vielleicht doch wert ist und man im Endeffekt so glücklich wird, wie man es noch nie war."

Ihre Worte rieselten langsam bis in meine Knochen hinein und ich bekam eine Gänsehaut.

...ob das Risiko es vielleicht doch wert ist...

Klar hatte sie Recht, aber ich war nun mal der bekannte Dickschädel mit dem abnormal großen Stolz. Außerdem wusste ich doch echt nicht einmal, was er über mich dachte! Zwei so blöde Tweets sagten überhaupt nichts aus.

Ich musste einfach schauen, was an den EMAs passierte, und dann würde ich weitersehen.

Ich seufzte und hob den Kopf. „Wann hast du gesagt, geht's los? Um zwei, oder?"

Mom lächelte. „Ja, genau."

„Okay, dann wäre ich mal dafür, dass wir was frühstücken?"

~~~

Ein paar Stunden später stand ich vor dem großen Bürogebäude, das Mom mir genannt hatte.

Ich atmete tief durch. Puh, ein wenig nervös war ich ja schon.

Ich ging auf die gläserne Eingangstür zu und sie ging durch einen automatischen Mechanismus auf. Ich hasste solche Türen.

Als ich drinnen war, sah ich mich um. Hm, sehr schlicht gehalten, aber doch ganz schön nobel.

Ich ging auf den Empfangstresen zu und die junge blonde Frau, die dahinter saß, sah mit einem Lächeln von ihren Papieren auf, in die sie vertieft war.

„Hallo, was kann ich für Sie tun?"

„Hallo", sagte ich ein wenig schüchtern und räusperte mich. „Ich bin hier für diese Einführungsveranstaltung für den Servicebereich für die EMAs."

Ihr Lächeln wurde noch breiter und während sie eine Liste herauszog, fragte sie mich: „Wie heißen Sie denn? Ich bräuchte dann bitte noch ihren Personalausweis."

„Samantha Ferroni", antwortete ich und kramte in meiner Tasche, um meinen Geldbeutel herauszufischen. Ich reichte ihr meinen Perso, sie sah ihn sich kurz an und gab ihn mir zurück. Im Augenwinkel sah ich, dass sich die Eingangstür erneut öffnete und jemand hereinkam. Die Person stellte sich hinter mich und wartete.

„Hier vorne ist der Aufzug", sagte die junge Frau und deutete von ihr aus gesehen nach rechts, „Sie fahren in den fünften Stock, dritte Tür links, Raum 512." Sie lächelte mich an, ich bedankte mich und ging in Richtung Aufzug. Ich drückte auf den Knopf und wartete.

Ich war gespannt darauf, was da wohl für andere Leute sein würden. Also was für andere Kellner. Hoffentlich keine Schicki-Micki-Leute, die alle anderen wie Dreck behandelten, dachte ich und verdrehte die Augen.

Der Aufzug kam endlich und die Tür öffnete sich.

Kaum ging ich in das Innere des Fahrstuhls, dachte ich sofort an die zwei Ereignisse, die ich jetzt immer mit dem Wort Aufzug  in Verbindung bringen würde.

Einmal mein Hotel-Erlebnis samt Verfolgungsjagd zusammen mit Jana, und dann doch als sich die Aufzugtüren vor Harry in Moms Büro schlossen.

Ich schüttelte leicht den Kopf, um die Gedanken zu verbannen.

Ich wollte gerade auf 5 drücken, als jemand in den Aufzug hastete. Ich sah auf und mein Blick begegnete zwei hellblauen Augen.

Ich stand einem rothaarigen Mädchen gegenüber. Sie lächelte mich an und meinte: „Jetzt kannst du drücken" und deutete auf meinen Finger, der immer noch über der Taste mit der Fünf lag.

„Okay", sagte ich und lächelte zurück. Sie war mir sofort sympathisch. Sie hatte ein absolut süßes Lächeln, ihre Augen strahlten und ihre fuchsroten Haare umrahmten ihr Gesicht in weichen Wellen ein ganzes Stück über die Schultern.

„Ich bin übrigens Joy", stellte sie sich vor und hielt mir ihre Hand entgegen.

„Sam", erwiderte ich und ergriff ihre Hand.

„Du hast auch die Ehre und darfst bei den EMAs kellnern, oder?", fragte sie mich und strahlte mich an.

„Ja, genau, du auch, oder?", gab ich zurück und grinste.

„Ja, ich bin gestern erst reingerutscht", erzählte sie aufgeregt, „meine Chefin hat mich angerufen und meinte, Joy, du kannst da arbeiten. Ich bin fast ausgeflippt! EMAs! Ich mache momentan eine Ausbildung im Gastronomiebereich im Hilton Hotel", fügte sie hinzu und sagte sofort hastig: „Ich weiß, Hilton Hotel ist so...naja – aber ich verdiene dort gut und es macht echt Spaß."

„Hey, ich find das megacool! Hilton Hotel, wow! Da muss man echt überzeugend sein, dass man da reinkommt, oder?" Ich fand das wirklich cool.

Sie wurde ein wenig rot und meinte: „Hm jaaa, einfach ist es zumindest nicht. Und wie bist du zu diesem Job gekommen?"

Ich überlegte. Sollte ich ihr das wirklich erzählen?

Ach, egal, sie war so süß, außerdem wieso sollte ich mich schämen, dass ich ein wenig Vitamin B(eziehungen) hatte?

„Kennst du die Veranstalterin Alessandra Ferroni?", fragte ich sie.

Sie nickte aufgeregt und sagte: „Die Frau ist der Hammer! Nicht nur umwerfend schön, sondern auch total nett und so! Das sind die wenigsten in diesen Jobs, glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe sie gestern Abend noch kennen gelernt."

„Das ist meine Mom", sagte ich schlicht und lächelte. Joys Augen wurden riesig.

„Ehrlich? Oh Mann, wie cool!!" Sie sah mich mit offenem Mund an.

Ich zuckte mit den Schultern und sagte: „In letzter Zeit sind irgendwie so viele abgesprungen, die eigentlich hätten kellnern sollen. Und gestern Abend hat meine Mom mich dann gefragt, ob ich das da nicht machen möchte. Ich habe halt schon vorher zwei Jahre in einem Restaurant gearbeitet."

Der Aufzug machte pliiing und ließ uns wissen, dass wir im fünften Stock angekommen waren. Die Tür ging auf und Joy und ich betraten den Gang.

„Richtig cool, Sam", grinste Joy mich an und hakte sich bei mir unter. „Na, dann lass uns mal sehen, was uns erwartet."
Mit diesen Worten gingen wir auf die Tür des Raums 512 zu.

[Joy wird von Bonnie Wright dargestellt – sie hat Ginny Weasley in Harry Potter gespielt. :) Ich habe ein Bild hinzugefügt.
Danke für's Lesen, ich ❤ euch dafür! ;** ]

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt