013. Flucht

4.1K 308 9
                                    


Flucht

۩ ۞ ۩

Es war mitten in der Nacht, als ein einsamer Schatten durch das Manor huschte. Ungesehen von allen bewegte er sich durch die Gänge, den noch immer blutigen Salon, weiter die kalte, feuchte Steintreppe hinunter zu den Kerkern.

Diese waren mittlerweile unbewacht, da ihnen ihr Opfer nicht mehr entwischen konnte. Zumindest nicht ohne Hilfe, die ihr ohnehin keiner mehr zuschrieb. Ein Fehler, was dem Schatten zugute kam, denn damit ging die Tür auf und er war drin.

Was sich ihm dann zeigte, war ein schwer atmendes, zerbrechliches Etwas, das entsetzlich zitterte und dem Tod um so vieles näher stand als dem Leben. Auf den Anblick fluchte er in sich hinein, bevor er gänzlich zu dem schwerverletzten Mädchen trat. Er ließ sich neben sie fallen und ergriff sie vorsichtig bei den Schultern, an denen er sie behutsam auf den Rücken drehte, was sie wimmern ließ und ihr schließlich ein schmerzliches Stöhnen entlockte.

„Sch", hauchte er auf ihren Schmerzlaut beruhigend, während sein Blick schuldig über ihre fahle Erscheinung huschte. Sie war von oben bis unten blutverschmiert, zerschrammt, grün und blau geprügelt und zudem eiskalt. Ihr zerbrechliches Herz schlug inzwischen so gequält, dass man fürchten musste, es könnte jeden Moment gänzlich aussetzen, um seinen Dienst nie wieder aufzunehmen. Doch so leicht würde er es ihm nicht machen.

Er zog sie behutsam zu sich und hüllte Hermiones Gestalt in einen warmen, schwarzen Umhang, den er versuchte fest um den zerschundenen Körper zu ziehen, ohne ihr dabei zu große Schmerzen zu bereiten. Etwas, was gar nicht mehr möglich war, denn sie zuckte, stöhnte und wimmerte bei jeder noch so kleinen Berührung.

„Sch. Ganz ruhig", sprach er ihr sanft zu, hatte sie dann aber halbwegs warm verpackt und drückte sie etwas mehr an seine Brust, sodass er ihren schweren, fiebrig heißen Atem selbst durch die dicken Kleider spürte.

„Hermione?", hauchte er und strich ihr über die bleiche Wange. Eine Reaktion blieb jedoch aus, genauso wie ihre Augen verschlossen blieben, was ihn erneut fluchen ließ. Er verfluchte sich dafür, dass er nicht früher gehandelt, und am Ende all das zugelassen hatte. Nun war es zu spät.

„Hermione? Sieh mich an. Mach die Augen auf!", drängte er sie behutsam und strich ihr erneut über die Wange. Dadurch ließ er ein wenig Wärme zurück, aber auch noch etwas anderes.

So drang der Duft des Schattens nach und nach bis in ihr gequältes Unterbewusstsein vor, wo er sehr schwach etwas in ihrem Geist weckte und dafür sorgte, dass sie die blutunterlaufenen Augen ein Stück weit öffnete.

„Hermione?", rief er auf diese Regung leise, doch ihr Blick war leer. Ausgezehrt. Ausgebrannt. Gebrochen. Sie registrierte kaum noch etwas um sich herum. So auch nicht, dass er ihr eine kleine Phiole an die bleichen, rissigen Lippen legte und die heilende Essenz behutsam einflößte.

Doch anders als die letzten beiden Male, spürte Hermione keinerlei Besserung. Der Schmerz blieb wie festgefressen in jeder noch so winzigen Faser ihres Körpers bestehen, was selbst das Atmen unerträglich machte. Sie konnte einfach nicht mehr. Es ging nicht mehr. Es war zu viel. Alles. Die ganzen Flüche von IHM. Sie drohten sie abermals umzubringen, womit sich ihre Augen ohne ihr Zutun von selbst schlossen.

„Hermione? Nicht. Bleib wach!", redete der Schatten drängend auf sie ein. Ohne Erfolg. 

„Scheiße", fluchte er und nahm sie schließlich ganz zu sich, was sie aufs Neue wimmern ließ, als er sie fester umschloss.

„Sch", hauchte er ihr beruhigend, aber dennoch unsicher zu, da das, was er vorhatte, doch von vorn herein zum Scheitern verurteilt war. Dennoch musste er es wenigstens versuchen. Alles andere könnte und würde er nicht mehr ertragen. Ihre Schreie, die ihn bis tief in die Nacht verfolgten. Es war grauenvoll, weshalb er sich mit ihr in den Armen aufrappelte.

Was im Verborgenen liegt (1/?)Where stories live. Discover now